Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

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SteffiBerlin1
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Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von SteffiBerlin1 »

Hallo zusammen,

ich bin ein an Politik und Gesellschaft recht interessierter Mensch. Nur eine Sache verstehe ich nicht: Unser Steuersystem :)

Im Speziellen geht es mir um die Frage, welcher Steuersatz auf welche Einkommenshöhe angesetzt wird. Oder an einem konkreten Beispiel deutlich gemacht:

Der Höchststeuersatz von 42% wird ab 54.058€ fällig. Wird nun ner gesamte Betrag mit 42% besteuert, oder nur jeder darüber liegende Euro?

Nimmt man folgendes einmal als Grundlage:

0% Grenzsteuersatz: 8 820 €
14-24% Grenzsteuersatz: zwischen 8.821 € und 13.769 €
24-42% Grenzsteuersatz: zwischen 13.770 € und 54.057 €
42% Grenzsteuersatz: ab 54.058 €
45% Grenzsteuersatz: ab 256.304 €

Heißt das, dass bei einem Einkommen von 54.058 die ersten 8 820€ gar nicht besteuert werden, der Betrag zwischen 8.821 € und 13.769 (also 4948€) mit 14-24% besteuert werden, der Betrag zwischen 13.770 € und 54.057 (also 40278€) dann mit 24-42% und erst der erste Euro über den 54.058€ mit 42€ besteuert wird?

Wenn das so wäre, dann würde ich diese ganze politische Diskussion um "schon ein Meister zahlt den höchsten Steuersatz" als ziemlich irreführend einstufen. Denn er zahlt dann ja nicht für sein gesamtes Einkommen diesen Satz, sondern nur für die Euros, die darüber liegen.

In einem Online Brutto/Netto Rechner habe ich einmal die Steuerbelastung für die monatlichen Brutto-Gehälter 3000 (Durchschnittsgehalt) und 5000 (oberen 10% der Einkommenbezieher) ausgerechnet. Dabei kam raus, dass jemand mit 3000€ Brutto gerade mal 15% Einkommenssteuert zahlt. Und wer 5000€ verdient, zahlt immer noch nur 22%. Von der ach so hohen Steuerbelastung kann also keine Rede sein...
Diese 5000€ haben 90% der Bevölkerung nicht. Und wenn selbst bei einem solchen Gehalt die Steuerlast gerade mal bei 22% liegt, kann ich den Ruf der Mittelschicht nach Steuersenkungen nicht wirklich nachvollziehen....
Carrington
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von Carrington »

Das stimmt!
freemont
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von freemont »

SteffiBerlin1 hat geschrieben:...
Diese 5000€ haben 90% der Bevölkerung nicht. Und wenn selbst bei einem solchen Gehalt die Steuerlast gerade mal bei 22% liegt, kann ich den Ruf der Mittelschicht nach Steuersenkungen nicht wirklich nachvollziehen....
Vielleicht noch was zum Nachdenken, wenn aus Sicht des Fiskus die Gewinnmaximierung angestebt wird, sollte man das bedenken, Kapital ist ein scheues Reh:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/r ... 90750.html
Die 10 Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen zahlen mehr als die Hälfte der festgesetzten Einkommensteuer.
...
Auf das eine Prozent der Bestverdiener (Einkommen von mehr als 162.200 Euro) entfiel fast 20 Prozent der gesamten Einkommensteuer.
SteffiBerlin1
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von SteffiBerlin1 »

Um dann mal die politische Diskussion zu eröffnen:

Das Argument mit "10% der Bürger 50% der Steuern" ist natürlich insofern nicht richtig, als das sich immer nur die Einkommenssteuer angesehen wird.
Diese macht aber nur ca. 25% des gesamten Steueraufkommens aus.
Der verlinkte Artikel ist an der Stelle zwar recht präzise, weil er eben auch nur über die Einnahmen aus der Einkommenssteuer eine Aussage macht. (wobei der Artikel auch 10 Jahre alt ist :))
An vielen anderen Stellen wird aber immer von "den Steuern" gesprochen. Also ob die Einkommenssteuer die einzige Einnahme des Staates wäre.

Das Argument mit dem scheuen Reh des Kapitals ist empirisch natürlich nicht zu beobachten. Würden Kapitalbesitzer immer dort wohnen und Steuern zahlen, wo die niedrigsten Steuern zu zahlen sind, würden sich die vermögenden dieser Welt in einem einzigen Land konzentrieren und in keinem anderen Land dieser Welt würden Millionäre oder Milliardäre wohnen. Die globale Mobilität der Kapitalbesitzer ist also nicht zu beobachten. Deutsche Millionäre leben in Deutschland, französische in Frankreich, amerikanische in den USA....

Das selbe gilt auch für Unternehmen: Das Argument: "Wenn die Steuern zu hoch sind, gehen wir und ihr verliert Arbeitsplätze" ist eine nette Drohkulisse, aber empirisch ebenfalls nicht zu beobachten.
Sonst würden sich ja alle Unternehmen dieser Welt in dem einen Land mit den niedrigsten Steuern niederlassen.

Ein weiterer Punkt:
Diese "oberen 10%" zahlen deswegen 50% der Einkommenssteuer, weil sie eben auch 50% der Einkommen auf sich vereinen. (oder die genannten 1%, die 20% Einkommenssteuer zahlen).
Insofern ist die Ungerechtigkeit nicht vorhanden.
Nicht die Person wird besteuert, sondern das Einkommen. Und wenn sich das an den oberen 10% sammelt, zahlen eben diese 10% auch das meiste an Einkommenssteuer.

Und noch ein Punkt zur Verteilungsfrage:
Wenn man mit 55.- oder 60.000€ schon zu den oberen 10% zählt, dann ist das eher ein Zeichen für eine extreme Konzentration richtig hoher Einkommen an der Spitze. Denn die richtig hohen Einkommen sind dann erst bei den oberen 5%, 1% oder 0,1% zu finden.
Hanomag
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von Hanomag »

SteffiBerlin1 hat geschrieben:Das Argument mit "10% der Bürger 50% der Steuern" ist natürlich insofern nicht richtig, als das sich immer nur die Einkommenssteuer angesehen wird.
Wenn schon, dann 10 % der Steuerpflichtigen. Wenn ca. die Hälfte der Bürger nicht mal zur Einkommenssteuer veranlagt werden, dann müssten 5% der Bürger 50 % der Einkommenssteuern zahlen.

Weiter gebe ich zu Bedenken, dass das zu versteuernde Einkommen bereits um alle nur möglichen Aufwendungen gekürzt ist. Darunter auch Abschreibungen auf windige Beteiligungen, die insofern häufig auf Kosten der Steuerpflicht verlustig enden. Dies häufig nur, weil die Mentalität des Steuerverkürzers eher einen betrügerischen Verlust als eine hohe Steuer akzeptieren mag.
hambre
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von hambre »

Zunächst einmal wird übersehen, dass jemand, der 5.000€ verdient nicht nur 22% Steuern zahlt, sondern auch noch 21% Sozialabgaben. Wenn dann von einer Gehaltserhöhung nur ca. 35% übrig bleiben, dann ist insgesamt schon eine sehr hohe Belastung, die auch noch höher liegt als bei den wirklich Reichen. Zudem sollte man wissen, dass der Spitzensteuersatt schon in den 50er Jahren bei 120.000DM begonnen hat, d.h. einem höheren Betrag als heute.

Nur der Grundfreibetrag wurde in den letzten Jahrzehnten regelmäßig an die Preissteigerung angepasst, nicht jedoch der Wert, bei dem der Spitzensteuersatt beginnt. Das führt dazu, dass inzwischen der Mittelstand in den Spitzensteuersatz gerät.
windalf
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von windalf »

Zunächst einmal wird übersehen, dass jemand, der 5.000€ verdient nicht nur 22% Steuern zahlt, sondern auch noch 21% Sozialabgaben
Und hinzu kommt, dass sogar das eher gelogen ist. Der AG zahlt ja auch nochmal den Sozialversicherungsanteil oben drauf. Faktsich bezahlt das aber der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber preist das mit ein und zahlt dann eben weniger Brutto...

Nimmt man nun jemand mit einem entsprechenden Einkommen und kommt einem dann der Arbeitgeber um die Ecke ob man nicht auch noch Aufgabe X übernehmen möchte dafür bekommt man dann Y mehr EURO muss der Arbeitgeber bei Y schon eine riesen Schippe drauflegen, sonst kommt beim Arbeitnehmer fast nix mehr an. Mehr leisten und Freizeit opfern lohnt sich da sonst nicht. Da ist die Antwort des AN dann gern such dir einen anderen Dummen...

Besser wird es dann erst wieder, wenn man über der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung liegt. Da darf man dann zumindest ein Stück weit mehr als die Hälfte behalten. Aber auch dann überlegt man sich, möchte ich noch mehr Freizeit dafür opfern...
...fleißig wie zwei Weißbrote
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Zitat Karsten: Das beweist vor Allem, dass es windalf auch nicht gibt.
Hanomag
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Re: Welcher Steuersatz bei welchem Einkommen?

Beitrag von Hanomag »

hambre hat geschrieben:Zunächst einmal wird übersehen, dass jemand, der 5.000€ verdient nicht nur 22% Steuern zahlt, sondern auch noch 21% Sozialabgaben.
Jemand, der 5.000€ verdient, zahlt für Mehrverdienste keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, weil die Beitragsbemessungsgrenze dafür bei 4.350 € liegt.
hambre hat geschrieben:Wenn dann von einer Gehaltserhöhung nur ca. 35% übrig bleiben, dann ist insgesamt schon eine sehr hohe Belastung,
wenn es so wäre.
hambre hat geschrieben:... die auch noch höher liegt als bei den wirklich Reichen.
Und die wirklich Reichen zahlen nicht mal Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge, weil sie die entsprechende Beitragsbemessungsgrenze (6.350 €) überschreiten.
hambre hat geschrieben:Zudem sollte man wissen, dass der Spitzensteuersatt schon in den 50er Jahren bei 120.000DM begonnen hat, d.h. einem höheren Betrag als heute.
Dazu gehört allerdings auch das Wissen, dass der Spitzensteuersatz in den 70er noch bei 56 % und später bei 53 % lag. Diesen hat die rotgrüne Regierung unter Schröder - nicht die CDU - auf 42 % reduziert.
hambre hat geschrieben:Nur der Grundfreibetrag wurde in den letzten Jahrzehnten regelmäßig an die Preissteigerung angepasst,
und dies nur auf Druck des Bundesverfassungsgerichts, weil die Regierungen die Notwendigkeit zur Steuerbefreiung des Existenzminimums nicht erkannt hatten.
hambre hat geschrieben:....nicht jedoch der Wert, bei dem der Spitzensteuersatz beginnt. Das führt dazu, dass inzwischen der Mittelstand in den Spitzensteuersatz gerät.
War ja auch nicht nötig, weil Schröder dem Spitzensteuersatz die Spitze genommen hat. Er tat übrigens viel mehr für Gutverdiener und echten Mittelständler, als die CDU vor und nach seiner Regierungszeit.

Echte Mittelständler habe ich ganz bewusst geschrieben, weil sich jede Menge kleine Bäckermeister und dergleichen dem Mittelstand zugehörig fühlen. Tatsächlich liegen sie mit ihrem zu versteuernden Einkommen häufig unter dem eines Facharbeiters. Das ändert aber nichts an ihrem Glauben, die CDU oder neuerdings die AFD vertrete ihre Interessen am besten. Dieser Irrglaube wird von diesen Parteien noch geschürt. Das Gefühl der kleinen Handwerker, Händler oder Dienstleister dem Mittelstand zuzugehören kann man bei Diskussionen mit diesen immer wieder feststellen.
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