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Die Haftung von Minderjährigen....

Beschreibung: Die Haftung von Minderjährigen und der Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung

Kategorie: Versicherungsrecht

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Susi Sorglos hat Besuch von ihrer Freundin Pia Pechvogel. Pia Pechvogel hat ihre 5-jährige Tochter Paula dabei.

Die beiden jungen Frauen sitzen am Kaffeetisch und tratschen, Paula sitzt dabei. Nach kurzer Zeit wird es der kleinen Paula langweilig. Sie beginnt, auf ihrem Stuhl herumzurutschen und fängt an zu schaukeln. Sie kippt nach hinten um – kann sich zwar eben noch am Tischtuch festhalten, aber das hilft nix. Sie landet auf dem Boden, mit ihr das Tischtuch, das Kaffeegeschirr, der Kuchen – die Kaffeetassen sind zerbrochen, der Teppich hat ordentlich Flecken abbekommen.

Pia Pechvogel meint, das ist doch kein Problem, das wird unsere Privathaftpflichtversicherung schon zahlen.

Aber ihre Vorurteile über Versicherungen werden bestätigt – wenn man einmal ´ne Versicherung braucht, drückt sie sich um die Zahlung.

Sind doch alles Gauner, denkt sich Pia Pechvogel, es steht doch ausdrücklich in den Bedingungen, Kinder seien mitversichert, und jetzt sowas.

Kann die Versicherung mit ihrer Einschätzung des Sachverhaltes dennoch recht haben?

Um diese Frage beantworten zu können, schauen wir uns zunächst an, worin die vertraglich geschuldete Leistung einer Haftpflichtversicherung besteht.

Eine Haftpflichtversicherung hat zwei Aufgaben:

• erstens, sie übernimmt die Schadenersatzzahlungen, die der Versicherungsnehmer (oder eine mitversicherte Person) aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (dazu später mehr) an einen Geschädigten zu leisten hat

• zweitens, und das wird oft übersehen, sie hat unberechtigte Schadenersatzansprüche, also solche, für die es keine gesetzliche Anspruchsgrundlage gibt, abzuwehren.

Was bedeutet nun die Formulierung „gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts“ ?

Kurz gesagt geht es dabei im wesentlichen um die Schadenersatzforderungen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt sind.

Dabei gilt folgender Grundsatz: wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden verursacht, hat diesen Schaden zu ersetzen. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings einige Ausnahmen, und eine davon betrifft den Fall, dass ein Schaden durch einen Minderjährigen verursacht wurde.


Für die Haftung von Minderjährigen, wie sie im BGB geregelt ist, gibt es drei Altersstufen:

• Kinder bis zum vollendeten 7. Lebensjahr haften nicht selbst für einen von ihnen verursachten Schaden.

• diese Altersgrenze wird für Schäden im Straßenverkehr auf 10 Jahre angehoben

• Kinder zwischen 7 und 18 Jahren haften für selbstverursachte Schäden nur dann, wenn sie die erforderliche geistige Reife besitzen, um erkennen zu können, dass ihr Tun gefährlich sein kann und möglicherweise einen Schaden verursachen kann. Andernfalls haften sie selbst auch nicht.

Wenn auf ein Kind eine dieser Voraussetzungen zutrifft, bezeichnet man es als „nicht deliktsfähig“ oder „deliktsunfähig“.

(Wer es nachlesen möchte: § 828 BGB)

In allen Fällen, in denen die Kinder selbst nicht haften (weil deliktsunfähig), ist es möglich, dass stattdessen ein anderer haftet: nämlich der Aufsichtspflichtige. Aber der Aufsichtspflichtige haftet nur dann, wenn ihm selbst ein Verschulden vorgeworfen werden kann, wenn er also nicht genügend auf das Kind aufgepasst hat. Wenn er ausreichend aufgepasst hat und das Kind hat trotzdem einen Schaden verursacht, dann besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen keine Verpflichtung zum Schadenersatz. Der Geschädigte bleibt auf seinem Schaden sitzen; das gehört zum allgemeinen Lebensrisiko.

(Zum Nachlesen: § 832 BGB)

Eine Haftpflichtversicherung muss derartige Schadenersatzansprüche regelmäßig als rechtlich unbegründet zurückweisen.

Übrigens: hier haben wir so ganz nebenbei auch die Frage beantwortet, ob Eltern für ihre Kinder haften. Antwort: Nein. Grundsätzlich haftet jeder nur für sein eigenes Verschulden. Kinder haften für ihr eigenes Verschulden, sofern sie selbst deliktsfähig sind; sollte das nicht der Fall sein, haften möglicherweise die Eltern, aber nur für eigenes Verschulden, nämlich für die Verletzung der Aufsichtspflicht.

Zusammenfassung bis hierhin: Wenn ein Schaden durch einen Minderjährigen verursacht wird, dann besteht ein Schadenersatzanspruch nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dann, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

• der Schaden wurde von einem über 7-jährigen (im Straßenverkehr über 10-jährigen) verursacht und der Verursacher hat die nötige geistige Reife, um die Folgen seines Handelns erkennen zu können

• oder der Schaden wurde verursacht von einem Kind/Jugendlichen, auf den das eben nicht zutrifft und der Aufsichtspflichtige ist seiner Pflicht zur Beaufsichtigung nicht ausreichend nachgekommen.


In diesen Fällen wird der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten den gesetzlich vorgesehenen Schadenersatz bezahlen. In den anderen Fällen, wenn die obigen Voraussetzungen eben nicht gegeben sind (der Schaden wurde also von einem Deliktsunfähigen verursacht und es wurde ausreichend beaufsichtigt), besteht auch keine Haftung; die Haftpflichtversicherung muss die Schadenersatzforderung abwehren.


Zurück zu unserem Beispiel, dem missglückten Kaffeeklatsch von Susi Sorglos und Pia Pechvogel:

Wir sehen also, nach den gesetzlichen Bestimmungen haftet die 5-jährige Paula Pechvogel selbst nicht für den von ihr angerichteten Schaden. Stattdessen ist zu prüfen, ob eine Haftung der Aufsichtspflichtigen, der Mutter Pia Pechvogel, in Betracht kommt. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hätte. Aber das ist im vorliegenden Beispiel nicht der Fall: sie saß mit ihrer Tochter zusammen am Tisch, hatte sie ständig im Auge; das Umkippen ist derart schnell geschehen, dass sie gar nicht mehr eingreifen konnte.

Somit scheidet eine Haftung nach den gesetzlichen Bestimmungen hier aus. Die Privathaftpflichtversicherung hat Versicherungsschutz gewährt und hat ihre vertraglichen Leistungen erbracht, indem sie den (vermeintlichen) Schadenersatzanspruch von Susi Sorglos als rechtlich unbegründet zurückgewiesen hat.

Derartige Schäden geschehen oft im Verwandten- und Bekanntenkreis, und es ist leicht einzusehen, dass diese Regulierungspraxis, die nach den gesetzlichen Bestimmungen und vertraglichen Vereinbarungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eben so sein muss, oft auf Unverständnis stößt und oft auch für Verstimmungen sorgt, weil entweder der Geschädigte auf seinem Schaden sitzenbleibt oder der Schädiger freiwillig selbst Schadenersatz leistet – obwohl er ja eigentlich nicht zuletzt für solche Fälle eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

Deshalb ist es bei vielen Versicherern mittlerweile möglich (gegen entsprechenden Beitragszuschlag), folgenden Einschluss zu vereinbaren:

„Der Versicherer wird sich nicht auf eine Deliktsunfähigkeit von mitversicherten Kindern berufen, soweit dies der Versicherungsnehmer wünscht und eine anderer Versicherer nicht leistungspflichtig ist.“.
Dadurch werden dann solche Schäden, obwohl sie nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht ersatzpflichtig wären, dennoch von der Privathaftpflichtversicherung ersetzt.


Zusammenfassung: Zu den Aufgaben der Haftpflichtversicherung gehört es nicht nur, Schadenersatzforderungen zu befriedigen. Es gehört ebenso dazu, dass Ansprüche, die nach den gesetzlichen Bestimmungen als unbegründet gelten, zurückgewiesen werden müssen.

Zu diesen unbegründeten Forderungen gehören auch solche, die dadurch entstehen, dass deliktsunfähige Kinder einen Schaden verursachen. Die Haftpflichtversicherung wird diese Ansprüche zurecht zurückweisen – wenn nicht die oben genannte Zusatzdeckung vereinbart ist.