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Das kleine FDR-Messer-Set

Beschreibung: des verbesserungswürdigen oder sogar unfairen Argumentationsstils

Kategorie: Stilfragen

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Das kleine FDR-Messer-Set des verbesserungswürdigen oder sogar unfairen Argumentationsstils:

Messer 1: "ad hominem" oder "ad personam"

"Den Gegner zum Zorn reizen, denn im Zorn ist er außer Stand, richtig zu urteilen und seinen Vorteil zu nutzen" (Schopenhauer). Solche Reizungen "ad hominem" oder "ad personam" drücken sich meist in mangelnder Wertschätzung bzw. Herabsetzung des Gegners aus:
Ich erwarte ja schon gar keine Antwort mehr von ihnen: Meinen sie das ernsthaft oder wollen sie hier nur provozieren?
Sie sind gar nicht weit weg vom Thema.
Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik sollten sie Leuten ueberlassen die etwas davon verstehen.
[...]Also lassen sie bitte ihre, mit Verlaub gesagt, bloede Argumentation mit den 50%. Das glauben sie ja selber nicht.
Warum bleiben wir nicht alle bei der Realität. Schade, dass Ihnen genau diese Fremd ist.
Messer 2: Homonymie

"Die Homonymie benutzen, um die aufgestellte Behauptung auch auf das auzudehnen, was außer dem Wort wenig oder nichts mit der in Rede stehen Sache gemein hat" (Schopenhauer).

Für die Argumentation werden völlig irrelevante nachvollziehbare Sachverhalte (hier bzgl. Angst) vorgebracht, die den Anschein
erwecken sollen, die Position des Gegners wäre widerlegt.
Ich habe mehr Angst davor, dass ein naher Angehoeriger durch einen besoffenen Autofahrer ums Leben kommt, als durch einen Terroranschlag. Selbst ohne aus dem Haus zu gehen ist das Risiko eines toedlichen Haushaltunfalls signifikant groesser als Tod durch einen Terroranschlag.
Durch dieses Schein-Argument wird natürlich die Angst vor einem Terroranschlag in keiner Weise unrespektabel.

Messer 3: Gruben ausheben / die Erweiterung (der Postition)

Man baut eine Falle für den Gegner auf, indem man dessen Position so überspitzt/übertrieben betitelt (hier: totaler Überwachungsstaat), dass jetzt der Eindruck erweckt wird, es beständen nur zwei Möglichkeiten: Zustimmung oder Ablehnung bzgl. der übertrieben Position. Scheinbar führen beide Wege in die Widerlegung:

- vertritt der Gegner die überspitzte Position, legt man den Finger in die Überspitzung
- streitet er die Postion ab, kann man leicht scheinbare Inkonsistenzen unterstellen
@carn: Ich habe sie schon einmal gefragt und leider keine Antwort darauf bekommen: Wollen sie den totalen Ueberwachungsstaat?
Ihre Vorschlaege sprechen naemlich eine deutliche Sprache.
Ist die Antwort "Ja" , fällt es nicht schwer den totalen Überwachungsstaat an die Wand zu malen.
Ist die Antwort "Nein", können vorherige gemachte Äußerungen leicht in scheinbaren Widerspruch gesetzt werden.

Ausweg: Differenzieren und nicht in die Enge treiben lassen!

Messer 4: Verdächtige Zuordnung/Kategorisierung

"Eine uns entgegengesetzte Behauptung des Gegners können wir auf eine kurze Weise dadurch beseitigen oder wenigstens verdächtig machen, dass wir sie unter eine verhaßte Kategorie bringen..."

(Beispiele hier: Waffenlobby, "Falken")
Ist ihnen aufgefallen, dass genau die gleiche Argumentation von der US-Waffenlobby gebracht wird und in D im allgemeinen als laecherlich angesehen wird:
"Eine Einschraenkung des Waffenbesitzes wird nicht die Sicherheit erhoehen, Amoklaeufer und sonstige Kriminelle werden weiterhin Wege finden, sich Schusswaffen zu beschaffen."
jaeckel hat geschrieben:Steht Schäuble mit seinen neuen Vorschlägen nicht in der Tradition seines Abschuß-Vorschlags und nahe bei denjenigen "Falken", die Flugzeugträger, Flächenbombardements und Folterlager für geeignete Mittel gegen Terrorismus halten?

Rettet mich die Frageform?

Messer 5: Versuch, eine Position zu immunisieren

Eine Postion wird logisch/argumentativ unwiderlegbar, wenn man sagt, Behauptung "A" kann auch in der Form Behauptung "nichtA" vorkommen.

Nicht so abstrakt sind Beipiele:

"Er hat zwar A gesagt aber B gemeint."

Man findet unwiderlegbare Behauptungen häufig bei sog. Pseudowissenschaften (die genau deswegen so heissen), z.B. der Psychoanalyse:

Satz 1: "Die Ursache für A ist das Kindheitserlebnis B."
Wird das widerlegt, sagt man "das bedeutet nur, dass das Kindheitserlebnis B verdrängt wurde. Satz 1 bleibt wahr".

Formal logisch steht dahinter, dass man aus widersprüchlichen Aussagen jede Aussage schlussfolgern kann.
Kein Mensch, auch nicht Herr Schäuble, will eine generelle Überwachung aller Bundesbürger! Herr Schäuble hat sich, gewollt oder nicht, sehr unglücklich und vielleicht auch überzogen ausgedrückt!
Messer 6 Meinungen/Behauptungen als fundierte Tatsachen hinstellen

Derartige Scheinargumentationen werden häufig durch inhaltsleere Floskeln ein- oder begleitet:

"es bedarf keinen weiteren Diskussion, dass..."
"der Fall leigt doch ganz klar..."
"es besteht kein Zweifel, dass..."
"wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass..."
"es gilt allgemein als anerkannt, dass..."
weil das Argument der Waffenlobby allgemein als falsch gilt
Messer 7: Hypothetische Fragen

Größte Vorsicht ist bei hypothetischen Fragen geboten, die die Argumentation erschüttern sollen. Meist sind in der Fragestellung "implizite" Prämissen eingebaut, die man unbewusst akzeptiert, sobald man sich auf die Fragestellung einlässt.
Aber nehmen Sie z.B. die "Kofferbomber". Das waren zwei Dilletanten (Gott sei Dank!) ohne detaillierte Ausbildung. [...] Was wenn ein Computer vorhanden war, bzw. ein Verdacht vorher gegeben gewesen wäre?
Sie können also nicht ausschliessen, dass die Maßnahmen vielleicht doch sinnvoll und wirksam sein könnten. Genauso wenig wie ich behaupten kann, dass diese mit Sicherheit sinnvoll und wirksam sein werden.
Diese Argumentation verschleiert eine Prämisse, indem sie nahe legt, dass "die Maßnahmen", wenn sie denn wirksam gewesen wären, auch sinnvoll gewesen wären. Die Frage, ob dann ja bei der vorherigen Einführung schon damals der Rechtsstaat gefährdet gewesen wäre, fällt fast unbemerkt unter den Tisch.

Messer 8: Falsche Schlüsse / "Konsequenzmacherrei"
"...durch falsche Folgerungen und Verdrehung der Begriffe..." dem Gegner absurde oder gefährliche Positionen unterschieben:

Beispiel:
Warum sind denn eigentlich alle Buerger verdaechtig? Denn es werden die Daten von allen erfasst.
Hier wird dieser logische Schluss zur Hilfe genommen:

Prämisse 1: "Es werden von allen Bürgern Daten erfasst".
Prämisse 2: "Alle Personen, von denen Daten erfasst werden, sind auch verdächtig."
Schluss/Konklusion: "Daher sind alle Bürger verdächtig."

Bei Wahrheit beider Prämissen wäre der Schluss formal logisch (deduktiv) gültig.


Bei näherer Betrachtung wird die Prämisse 2 in der Argumentation nicht erwähnt. Die Prämisse 2 wird von der Gegenpostion sicher so auch nicht akzeptiert, wird ihr aber stillschweigend untergeschoben.

Messer 9 : Unlautere Motive und/oder persönliche Interessen unterstellen

Hierbei handelt es sich einen persönlichen Angriff, der
  1. natürlich veraussehbar den Gegner "zum Zorn reizt" (siehe Messer 1)
  2. fadenscheinig eine überlegene Moral/Werthaltung zum Ausdruck bringen soll.
Der unfaire Zweck ist allein, den Gesprächsgegener zu diskretitieren. Eine überlegene Moral/Werthaltung kann der Anwender für sich nicht in Anspruch nehmen, da er durch die Unterstellung
  • ein (momentanes) Unvermögen zum Differenzieren,
  • ein diskriminierendes Denken in Schubladen und Vorurteilen,
  • eine grundsätzliche Nicht-Wertschätzung eines Gegenübers

dokumentiert.

Beispiele:
Ihre Fragestellung bringt letztendlich nur diese m.E. ekelhaft unsoziale Grundhaltung zum Ausdruck, dass man das soziale Mitgefühl für Schwergehinderungen ausbeutet um sich Vorteile zu erschinden, die absolut nichts mit der Schwerbehinderung zu tun haben.
Solange die türkischen Vorschriften zur Wehrpflicht Ihnen besser gefallen, wollen Sie sich hinter Ihrer türkischen Staatsbürgerschaft verstecken?
Sobald die deutschen Vorschriften zur Wehrpflicht Ihnen besser gefallen, wollen Sie sich hinter einer deutschen Staatsbürgerschaft verstecken?

Seine Staatsbürgerschaft wechselt man - wenn überhaupt - aus Überzeugung. Nicht aus taktischen Erwägungen oder wie ein paar Unterhosen.

Messer 10: Person und Sache vermischen

Hierbei handelt es sich einen persönlichen Angriff, der

1. natürlich veraussehbar den Gegner "zum Zorn reizt" (siehe Messer 1)
2. die inhaltliche Postition des Gegners schwächen soll.

Der unfaire Zweck ist, den Gesprächsgegener zu reizen und/oder in ein bestimmtes Licht zu rücken. Ein inhaltliches Argument gegen die Position oder Haltung des Gegners ist damit nicht verbunden.

Beispiel:
Erst hier rummaulen: Verdächtigungen, Beschimpfungen und ungebetene Ratschläge
und dann selber solche Antworten geben...

Messer 11: Ablenkung durch unnötige Differenzierung/Spezialisierung

Fühlt man sich widerlegt, ist dieser Kunstgriif beliebt. Man führt willkürlich eine Unterscheidung ein, die mit der Sache nichts zu tun hat. Damit soll dann nachgwiesen werden, dass das allgemein gültige Gegenargument ja nicht in diesem speziellen Fall gelte.

Beispiel:
2) A fühlt sich durch die Anrufe von T belästigt. Was kann A unternehmen, um das Verhalten von T abzustellen?
Z.B. Telefonanschluß abmelden.
Diese Antwort ist natürlich für den Fragesteller (absichtlich?) wenig nützlich, wirkt provokant und geht daher nicht wertschätzend auf den Fragesteller ein.
Aus der von emjay2k gestellten Aufgabe geht nicht hervor, ob der Aufgabensteller nur rechtliche, auch rechtliche oder überhaupt keine rechtlichen, sondern nur praktische Hinweise verlangt.

Da die Aufgabenstellung insoweit unklar war und mir eine Nachfrage in diesem Fall nicht notwendig erschien, habe ich einen Vorschlag ("z.B.") gemacht, der mir geeignet erschien, da mangels Telefon auch keine belästigenden Anrufe mehr erfolgen können.
Die Unterscheidung in rechtliche und praktische Hinweise ist ohne Relevanz für den Vorwurf, die obige Antwort wäre nicht wertschätzend gewesen.