Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Recht in der Ehe, eheliches Güterrecht, Adoptionsrecht, Kinderrechte, Sorgerecht, Unterhaltsrecht, Recht des Versorgungsausgleichs

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Potestas
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Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Potestas »

Hallo,

angenommen Frau A bekommt mit Mann B ein gemeinsames Kind.
A möchte gewisse Themen rechtssicher mit B vereinbaren, bzw. seine Zusage zu bestimmten Themen.
Z.Bsp. den Umfang des Impfens, oder das bestimmte Impfungen gemacht werden dürfen.

Eine Vollmacht für A könnte jederzeit zurückgezogen werden, weshalb diese Lösung nicht als sinnvoll erachtet wird.

Was hätte man für Möglichkeiten um solche Themen verbindlich zu definieren?

Viele Grüße
FM
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von FM »

Es wäre seitens B sehr unvorsichtig, wenn er sich auf etwas einlässt, das er die nächsten 18 Jahre nicht mehr ändern kann.

Mal als Beispiel: angenommen im Jahr 2023 taucht plötzlich ein Virus namens SARS-COV 3 auf und 2024 wird dann ein Impfstoff dagegen angeboten, der dann 2025 auch für Kinder möglich wäre. Da wäre es doch sehr verfrüht, sich schon 2022 in dieser Frage zu entscheiden bzw. auf das Entscheidungsrecht zu verzichten.

Sinnvoller wäre es, wenn die Eltern das dann jeweils besprechen und sich dann einigen.
Potestas
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Potestas »

Ich persönlich halte eine Vollmacht für gut und sinnvoll, da ich meiner Partnerin vertraue und nicht bei jeder für uns Selbstverständlichkeit eine Unterschrift leisten wollen würde.
Aber das sind andere Aspekte.

Ich verstehe die Bedenken in dem gestellten Szenario, aber würde mich gern auf das Wie, nicht das Wieso konzentrieren.
Hertha1892
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Hertha1892 »

Haben denn A und B gemeinsames Sorgerecht?

Klassiker Impfen: bei Impfungen, die von der Stiko empfohlen werden, fragen Ärzte idR nicht mal nach, Sorgerecht hin oder her.

Grüße Hertha1892
FM
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von FM »

Hertha1892 hat geschrieben: 25.01.22, 16:35 Klassiker Impfen: bei Impfungen, die von der Stiko empfohlen werden, fragen Ärzte idR nicht mal nach, Sorgerecht hin oder her.
Das wäre extrem leichtsinnig vom Arzt. Gerade derzeit sollte er wissen: es KANN leicht sein, dass der eine Elternteil die Impfung vehement befürwortet und der andere sie noch vehementer ablehnt. Und dieser andere Elternteil kann den Arzt dann anzeigen wegen Körperverletzung, wenn die Einwilligung nur des einen Elternteils nicht ausgereicht hatte.

Zwar kann nach § 1687 der eine Elternteil alleine entscheiden bei: "Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben." Aber ob das für die derzeit diskutierten Impfungen zutrifft, erscheint mir eher unwahrscheinlich.

Eine recht allgemeine und schon ältere Vollmacht des anderen Elternteils ist auch keine gute Absicherung für den Arzt - er kann nicht wissen, ob die nicht schon längst widerrufen wurde, was gerade bei der aktuellen Situation nicht so abwegig ist. Die Vollmacht sollte schon zeitnah sein und sich am besten konkret auf die anstehende Impfung beziehen.
Hertha1892
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Hertha1892 »

"Das OLG Frankfurt machte mit Beschluss vom 08.03.2021 klar, dass dem Elternteil, der sich an der Empfehlung der ständigen Impfkommission (STIKO) orientiert, die Entscheidungsbefugnis zuzusprechen ist (Az.: 6 UF 3/21).

In dem Fall hatten beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht für ihr 2018 geborenes Kind. Die Mutter wollte die Standardimpfungen, also gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung) sowie gegen Tetanus, Hepatitis B und Diphterie, gemäß den Empfehlungen der STIKO bei dem Kind durchführen lassen. Der Vater war dagegen und verlangte eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Da sich die Eltern nicht einigen konnten, beantragte die Mutter die alleinige Entscheidungsbefugnis für die Standardimpfungen. Diese wurde ihr von dem zuständigen Amtsgericht auch zugesprochen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vaters wies das OLG Frankfurt ab. Die Entscheidungskompetenz sei dem Elternteil zu übertragen, „dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird“. Bei Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge sei die Entscheidung des Elternteils zu treffen, der das bessere Konzept für das Kindeswohl verfolgt. Bei Schutzimpfungen könne davon ausgegangen werden, dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientiere Entscheidung das bessere Konzept für das Kindeswohl darstelle, führte das OLG weiter aus." (Quelle: https://www.anwalt-kleiser-kollegen.de/ ... eidet.html)

Ich denke, das ist mir einer der Gründe, warum da in der Praxis kein Hahn mehr nach kräht. Ich bin die ganze Kindheit meines Sohnes über nie nach dem GSR oder der Zustimmung des anderen Elternteils gefragt worden. Theorie und Praxis...
Und leider ist nirgends gesetzlich festgehalten, was wesentliche Belange sind, die von beiden Sorgeberechtigten die Zustimmung bedarf.

Sieht halt so aus, dass Elternteil A zum Kinderarzt marschiert, MMR impfen lässt und fertig.
Corona-Impfung habe ich ebenfalls mit Einfach-Unterschrift in den Jugendlichen bekommen.

Hier ist aber die Frage noch offen, ob überhaupt GSR vorliegt.
Edith: Wenn GSR vorliegt, würde ich mit Hinweis auf das beispielhafte OLG-Urteil überlegen, ob der Fight um Standardimpfungen überhaupt Sinn macht.

Grüße Hertha1892
Potestas
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Potestas »

Hertha1892 hat geschrieben: 25.01.22, 16:35 Haben denn A und B gemeinsames Sorgerecht?
A und B sind nicht verheiratet, B hat Vaterschaft anerkannt, gemeinsame Sorgerechtserklärung aber noch nicht beurkundet.
Darauf vorerst zu verzichten und es ggf. zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, war eine Option, die aber B nicht möchte.

D.h. es wäre von einem (zukünftigen) gemeinsamen Sorgerecht auszugehen, in welchem aber bestimmte Themen bereits schriftlich fix Vereinbart werden.
FM
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von FM »

Und warum mussten da Amtsgericht und OLG der Mutter die Entscheidung übertragen, wenn es ohnehin schon völlig klar ist und sie niemanden fragen muss?

Sind die Familiensenate der anderen 23 OLG alle derselben Meinung wie das OLG Frankfurt? Unabhängig davon, um welche Impfung es geht?
Hertha1892
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Hertha1892 »

Potestas hat geschrieben: 25.01.22, 20:55
Hertha1892 hat geschrieben: 25.01.22, 16:35 Haben denn A und B gemeinsames Sorgerecht?
D.h. es wäre von einem (zukünftigen) gemeinsamen Sorgerecht auszugehen, in welchem aber bestimmte Themen bereits schriftlich fix Vereinbart werden.
Damit muss A so einer Bevollmächtigung nicht zustimmen, kann impfen lassen, was A für richtig erachtet. Und vermutlich motiviert das Ansinnen nicht besonders, das GSR zu vereinbaren.

Grüße Hertha1892
FM
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von FM »

Eine unwiderrufliche Vollmacht würde der Sorgepflicht nicht gerecht werden. Beide Elternteile sind verpflichtet (nicht etwa nur berechtigt) bis zur Volljährigkeit des Kindes die Sorge auszuüben. Eine einmalige Unterschrift befreit nicht für die Zukunft von dieser Pflicht.
Potestas
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Potestas »

GSR = Gemeinsames Sorgerecht?

Eine Vollmacht habe ich ja bereits ausgeschlossen.
Ich möchte wie gesagt nicht auf inhaltliches eingehen und impfen war nur ein Beispiel.
Kann mir vorstellen, dass es gerade vor dem aktuellen Kontext viel um kontroverse Meinungen zu Impfungen geht.
Es würde hier auch nicht um Ausschluss von Dingen gehen, sondern viel mehr im Gegenteil um Zustimmung. Z.Bsp. dass nach STIKO geimpft werden darf/soll, erlaubte Umzugsradien bei Trennung.

Ich rate nun mal ins Blaue hinein:
- Kann man einen Vertrag aufsetzen (Notariell beglaubigt)?
- Teile/"Zuständigkeiten" des GSR ausgliedern, oder gibt es nur GSR komplett?

Ich bin in der Thematik nicht so drin und hab daher auf ein paar Ideen gehofft wie man so etwas umsetzen könnte.
Hertha1892
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Hertha1892 »

Wenn das GSR besteht, können einzelne Anteile, zB die Vermögenssorge oder die Gesundheitsfürsorge nur gerichtlich wirksam auf einen Sorgeberechtigten übertragen werden. Natürlich können einzelne Vollmachten erteilt werden.

Grüße Hertha1892
Chavah
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Chavah »

Es geht ja nicht nur um Impfungen. Da sollte man sich hier nicht festrennen. Die Kernfrage ist doch zunächst, ob man überhaupt eine individuelle Regelung benötigt. Denn, mal ganz ehrlich, mindestens 90% aller Entscheidungen sind Alltagsentscheidungen des täglichen Lebens. Die fällt das Elternteil, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Und die paar Unterschriften, die bis zur Volljährigkeit benötigt werden, sind doch an zwei Händen abzählbar.

Die Eltern sollten sich zunächst klar machen, dass es keine Regelung gibt, in welcher Form auch immer niedergelegt, die wegen der Änderung der Verhältnisse nicht gekündigt werden kann. Man kann also immer nur einen bestimmten Zeitraum regeln. Das geht per Vollmacht, klar, aber eine Vollmacht kann natürlich jederzeit widerrufen werden. Auch kann der Bevollmächtigte sich weigern, insoweit tätig zu werden, also die Vollmacht also mit Leben zu erfüllen. Eine anders ausgestaltete Vereinbarung, sei es nun notariell oder nicht, greift so lange, wie sie nicht aufgehoben wird.

Was macht also überhaupt Sinn? Ganz sicherlich eine Vollmacht für den Fall der Not beim anderen Elternteil, auch alleine zu entscheiden, insbesondere im medizinischen Bereich. Für diesen Bereich könnte auch eine gesonderte Vollmacht sinnvoll sein. Aber wohl wissend, dass das zwar die "Verwaltung des Kindes" vereinfacht, aber keine Absicherung für 18 Jahre ist.

Chavah
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Potestas »

Hertha1892 hat geschrieben: 27.01.22, 06:14 Wenn das GSR besteht, können einzelne Anteile, zB die Vermögenssorge oder die Gesundheitsfürsorge nur gerichtlich wirksam auf einen Sorgeberechtigten übertragen werden.
Wenn es noch nicht besteht und es erst beurkundet wird, können dann bestimmte Bereiche bereits in der Willenserklärung ausgeklammert werden, oder geht nur ganz, oder gar nicht?
Hertha1892
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Re: Geeignetes Format um Sorgerechtsthemen zu vereinbaren

Beitrag von Hertha1892 »

Bei der Vereinbarung des GSR geht nur ganz oder gar nicht.

Grüße Hertha1892
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