Der Internationale hat geschrieben: ↑11.09.19, 12:42
Grundsätzlich würde ich mal gern an dem Gericht, wo du berufen wirst Mäuschen spielen. ich habe einfach noch
NIE einen IV erlebt, der die Freigabe tatsächlich geprüft hat. Die Freigabe wird von IVs reflexartig vorgenommen, um sich vor Arbeit zu schützen.
Lieber inti,
Du verkennst vielleicht den Zweck des § 35 Abs. 2 InsO. Der ist lt. Begründung deshalb geschaffen worden, um dem Schuldner einen "sofortigen" Neustart zu ermöglichen und der Verwalter entscheiden muss, ob die Einnahmen zur Masse gehören sollen oder nicht. Vor dessen Einführung war es für den Verwalter einfach, die Einnahmen gehören zur Masse, die Verbindlichkeiten sind Neuverbindlichkeiten und kleben an der Backe des Schuldners. Hierzu beispielhaft die Entscheidung des BGH vom 20.03.2002, IX ZB §88/02, Psychologenentscheidung. Das ist für die Zwangskontrahierer misslich und hat zur Einführung des § 35 Abs. 2 InsO geführt, also, damit die ihr Geld bekommen. Es geht hier also nicht um die Belange des Schuldners, sondern die Bedienung von Neuverbindlichkeiten.
Apropos Neuverbindlichkeiten:
Im Gegensatz zu vielen anderen, bin ich nicht der Auffassung, dass eine Insolvenz ein reinigendes Feuer ist und der Schuldner sich daraus, wie Phönix aus der Asche, erhebt und eine strahlende wirtschaftliche Zukunft erlebt. Der arbeitet mit den gleichen Kunden und den gleichen Lieferanten und wahrscheinlich mit den gleichen Arbeitnehmern, dies in einem gleichen wirtschaftlichen Umfeld. Warum sollte sich das wirtschaftliche Ergebnis nun verbessern? Besser wäre es wohl, wenn man über ein Gewerbeverbot nachdenken würde, da warte ich aber nur auf den Aufschrei. Zugegeben lassen sich Selbstständige nur schwer in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überführen.
Der Verwalter tut also gut daran, die Masse zu schützen und nicht mit Masseverbindlichkeiten aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners zu belasten und diese deshalb freigibt. Die Gläubiger können das ja umwerfen, wenn sie der Meinung sind, dass es sich um eine Goldgrube handelt. Ich habe das aber bislang nur einmal erlebt, vom Finanzamt, denen es aber nicht um den Gewinn für die Masse ging, sondern um die Sicherstellung der vom Schuldner produzierten Steuerschulden nach iE.
Der Internationale hat geschrieben: ↑11.09.19, 12:42
Ich empfehle dir mal, das Rechtpfleger-Forum bzgl. Insolvenz zu verfolgen. Dort hat man ja überhaupt keine Hemmungen, öffentlich zu posten, wie man Schuldner um deren Rechte prellt.
Da schaue ich gerne mal rein, man kann ja immer noch etwas lernen.
Der Internationale hat geschrieben: ↑11.09.19, 12:42
Soweit zur theoretischen Möglichkeit, ein Insolvenzgericht für Verfehlungen des IVs zu interessieren.
Das ist keine "Verfehlung", sondern wäre eine Falschabwägung. Grundsätzlich muss der Verwalter jedoch in den Schuldner vertrauen haben können. Sonst produziert der ungehemmt Masseverbindlichkeiten.
Der Internationale hat geschrieben: ↑11.09.19, 12:42
Neben § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dürfte auch Nr. 2 interessieren. Natürlich wurden die Aufträge beim Fiskus nicht erklärt, wodurch die Abgaben gespart wurden. Frage: jene Aufträge, die VOR Insolvenzeröffnung begonnen wurden und NACH Insolvenzeröffnung und Freigabe abgerechnet und kassiert wurden, müssen diese Auftraggeber nicht fürchten, dass sie bzgl. der Leistungen bis Freigabe nicht BEFREIEND an den Schuldner zahlen konnten?
Aufträge muss der Schuldner nicht erklären, sondern Einnahmen (- und Ausgaben). Wenn er nach Freigabe den Auftrag abrechnet und kassiert und dies entsprechend erklärt, hat er steuerrechtlich kein Problem. § 290 I Nr. 2 InsO setzt zudem voraus, dass der Schuldner schriftlich falsche oder unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.
Leistungen, die vor dem Zeitpunkt der Freigabe erbracht sind, fallen in die Masse, sie können jedoch befreiend an den Schuldner gezahlt werden, wenn der Kunde keine Kenntnis von der Insolvenz hat, § 82 InsO.