Charon- hat geschrieben:Wir reden über ein Grundrecht, Grundrechte sind nie genau vordefiniert, genau dafür gibt es das BVerfG. Ggf. hat dieses zu entscheiden, ob eine bestimmte Handlung unter die Religionsfreiheit fällt oder nicht.
De lege lata ja, jedoch umfasste meine Frage auch den
de lege ferenda-Gedanken. Gerade bei der Religionsfreiheit gibt es Bedarf nach Abgrenzung, weil Religionen in alle möglichen sonstigen Bereiche einwirken können. Wenn ich eine Religion gründe, in der etwa das Zahlen von Steuern als Sünde betrachtet wird, mit welcher Begründung willst du mir sagen, dass das keine Auswirkungen auf meine Stellung gegenüber dem Finanzamt hat?
Charon- hat geschrieben:Daneben: Selbst wenn das Schächten vollständig und für alle verboten wäre, ginge es weniger um die Religionsfreiheit, sondern um die allg. Handlungsfreiheit. Der muslimische Glaube gebietet ja nicht den Verzehr von geschächtetem Fleisch, sondern er verbietet den Verzehr von anderem Fleisch als dem geschächteter Tiere.
Da gehst du schon einen Schritt zu weit. Die Frage muss sein: Werten wir das angebliche Gebot, nur Fleisch von geschächteten Tieren zu essen, als von der Religionsfreiheit umfasst? Respektive: Werten wir das angebliche Gebot, die Söhne einem unnötigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit auszusetzen, als von der Religionsfreiheit umfasst?
Notwendig ist also eine Positivabgrenzung und nicht - wie von dir vorgeschlagen und bislang gehandhabt - eine mühselige Negativabgrenzung. Warum schützen wir nicht ausdrücklich das persönliche, private Glaubensbekenntnis? Die Grundrechte sind Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates. Genau so verständlich wie der Wunsch, dieses private Glaubensbekenntnis vor Eingriffen zu schützen, genau so obskur ist es, dass dann auch Handlungen mit in diesen Schutz einbezogen werden, die das Wohl anderer, hier: Tierwohl, Kindeswohl, beeinträchtigen. Warum wenden wir hier nicht allgemeingültige Regelungen an und legen fest, dass das BVerfG überhaupt gar keine Berufung auf die Religionsfreiheit vorsieht, solange der Kernbereich von Glaubensbekenntnis, Gang in die Kirche oder Moschee usw. nicht berührt ist?
Du wirst vermutlich auf die Frage antworten, dass aber eben das Genannte auch zum Kernbereich gehöre, weil es in den althergebrachten Überlieferungen stehe. Doch auch hier gilt: Kann mane etwas "rechtswirksam" aus dem Damals in Heute transferieren, bloß weil die Seher und Propheten von damals es als Teil der Religion betrachteten? Dann schützten wir heute noch die Einordnung des Koran von Juden als
Affen und Schweine.