Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

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ronnst
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Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von ronnst »

Hallo. Eine Familie A hat Probleme mit einem Nachbar.
Mit diesem Nachbar hatten die A noch nie Probleme. Hat immer geholfen wenn der Nachbar Probleme hatte. Bis dieser eines Tages, ohne mit A darüber zu reden, A wegen deren Sohn angezeigt hat.
Dieses hat er bei der Hausverwaltung gemacht, die nicht mal den Standpunkt von A hören wollte. A bekam sofort eine Abmahnung.
In dem Schreiben wurde dem Sohn drei Sachen vorgeworfen. Eine davon entsprach den Tatsachen. Zwei davon waren an den Haaren herbei gezogen.
Darf die HV überhaupt Abmahnen, ohne die andere Partei gehört zu haben?


Grüße
Tastenspitz
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von Tastenspitz »

ronnst hat geschrieben: 17.01.21, 10:49 Darf die HV überhaupt Abmahnen, ohne die andere Partei gehört zu haben?
Ja, sofern sie überhaupt die entsprechenden Befugnisse dazu hat. im Regelfall mahnt der Vermieter ab, weil dieser den Mietvertrag unterzeichnet hat und somit Vertragspartner ist.
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
ronnst
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von ronnst »

Aber in dem Fall kann doch A gegen diese Abmahnung vorgehen, um deren Unrichtigkeit zu belegen oder?
Oktavia
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von Oktavia »

Ist der Sohn denn überhaupt Vertragspartner d.h. steht er im Mietvertrag?
"Alte Leute sind gefährlich; sie haben keine Angst vor der Zukunft."
George Bernard Shaw

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Elektrikör
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von Elektrikör »

Hallo,
ronnst hat geschrieben: 17.01.21, 11:00 Aber in dem Fall kann doch A gegen diese Abmahnung vorgehen, um deren Unrichtigkeit zu belegen oder?
Warum sollte A das nicht können?

Irgendwie hab ich das Gefühl, daß hier noch mehr im Busch ist :wink:


MfG
Alles hier von mir geschriebene stellt meine persönlichGanzFürMichAlleineMeinung dar
Falls in einer Antwort Fragen stehen, ist es ungemein hilfreich, wenn der Fragesteller diese auch beantwortet
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von fodeure »

Elektrikör hat geschrieben: 17.01.21, 13:42Warum sollte A das nicht können?
Weil es dagegen keine Rechtsmittel gibt. Das ist aber auch völlig egal, da bei einer der Abmahnung folgenden Kündigung der Vermieter nachweisen muß, daß die in der Abmahnung genannten Gründe den Tatsachen entsprechen.
ktown
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von ktown »

Solch eine Abmahnung ist, wie fodeure schon sagte. Ein zahnloser Tiger. Man sollte den Sachverhalt für sich, um das eigene Gedächtnis für die Zukunft zu stützen, dokumentieren und abheften.
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

Gesetze sind eine misslungene Kreuzung aus dem Alphabet und einem Labyrinth.
"Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt" Zitat Goethe
FM
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von FM »

fodeure hat geschrieben: 17.01.21, 16:10
Elektrikör hat geschrieben: 17.01.21, 13:42Warum sollte A das nicht können?
Weil es dagegen keine Rechtsmittel gibt. Das ist aber auch völlig egal, da bei einer der Abmahnung folgenden Kündigung der Vermieter nachweisen muß, daß die in der Abmahnung genannten Gründe den Tatsachen entsprechen.
Ein Rechtsmittel im engeren Sinne nicht, aber hier werden im gewerblichen Zusammenhang Daten über das Kind gespeichert. Daraus könnten sich Rechte des Kindes, vertreten durch die Eltern, aus DSGVO/BDSG ergeben.

In Betracht kämen auch Beleidigungsdelikte (einschl. Üble Nachrede, Verleumdung) des Nachbarn Und falls jemand seitens der Vermietung dies als Behauptung übernommen hat gegen diesen) und entsprechende Möglichkeiten für Strafanträge und/oder zivilrechtliche Unterlassungsansprüche. Ob es zweckmäßig ist das zu tun sein dahin gestellt, aber zumindest möglich.

Ich sah da kürzlich eine aus Vermietersicht sinnvollere Vorgehensweise, in etwa so: "Ihre Nachbarn hatten sich über zu laute Musik beschwert. Falls das wirklich so gewesen sein sollte, bitten wir sie höflich, auf Zimmerlautstärke zu achten." Damit ist klar, der Vermieter behauptet nichts, was er nicht beweisen kann.
Chavah
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von Chavah »

Es geht doch nicht unbedingt darum, was sinnvoll ist oder nicht. Letztlich ist eine Abmahnung doch eine Aufforderung, sich in Zukunft vertragsgemäß zu verhalten. Daran sollte man sich halten und gut ist.

Mit Datenschutz hat das alles nichts zu tun, auch nicht mit der Verpflichtung, alle Betroffenen zu hören.

Chavah
FM
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von FM »

Chavah hat geschrieben: 17.01.21, 19:38 Mit Datenschutz hat das alles nichts zu tun, auch nicht mit der Verpflichtung, alle Betroffenen zu hören.
Begründung:
In dem Schreiben wurde dem Sohn drei Sachen vorgeworfen. Eine davon entsprach den Tatsachen. Zwei davon waren an den Haaren herbei gezogen.
Da hat also irgendjemand dem Vermieter mitgeteilt "der Sohn hat im Flur auf den Boden gespuckt". Das ist eine Übermittlung personenbezogener Daten. Der Vermieter verarbeitet und speichert diese dann (wenn er selbst die Abmahnung und die Daten dazu sofort löscht, hätte Abmahnen wenig Sinn, er wüsste dann im Wiederholungsfall nicht mehr dass und warum er abmahnte).
cmd.dea
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von cmd.dea »

FM hat geschrieben: 17.01.21, 20:07Da hat also irgendjemand dem Vermieter mitgeteilt "der Sohn hat im Flur auf den Boden gespuckt". Das ist eine Übermittlung personenbezogener Daten. Der Vermieter verarbeitet und speichert diese dann (wenn er selbst die Abmahnung und die Daten dazu sofort löscht, hätte Abmahnen wenig Sinn, er wüsste dann im Wiederholungsfall nicht mehr dass und warum er abmahnte).
Absolut richtig.

Dazu ist er zwar entweder gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO direkt oder, wenn man den Tatbestand nicht auf Mitbewohner ausweitet, gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO befugt.

Denn natürlich kann der Vermieter Daten verarbeiten, die mögliche Grundlage einer Aufforderung zur Unterlassung bei Beeinträchtigungen des Eigentums, zur Wahrung des Hausfriedens, Abmahnung oder gar Kündigung in einem Mietverhältnis sein können. Die DSGVO hat entgegen vieler Gerüchte den Datenschutz nicht verschärft (mit Ausnahme der jetzt widerruflichen Einwilligung), auch wenn es da sogar absurde Ideen gab, müsse jetzt Klingelschilder entfernen.

Es gibt aber umfassendere Informations- und Löschungspflichten und daher haben die Betroffenen das Recht auf Löschung, wenn diese nicht oder nicht mehr hierfür erforderlich (bzw. nach Prüfung nicht geeignet) sind.
FM
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von FM »

Ich denke hier v.a. an das Recht aus Art. 16 DSGVO, Berichtigung unrichtiger Daten.

Da kann man allerdings auch darüber diskutieren:

a) "Sohn X hat ... gemacht" ist nach Ansicht der Eltern unrichtig.

b) "Nachbar A behauptet, Sohn X hätte ... gemacht" wäre wohl richtig.

Wenn der Vermieter aber eine Abmahnung schreibt, hat er wohl die Variante a) sich zu eigen gemacht.
cmd.dea
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Re: Urteilen wenn nur eine Seite gehört wurde?

Beitrag von cmd.dea »

FM hat geschrieben: 18.01.21, 23:09 Ich denke hier v.a. an das Recht aus Art. 16 DSGVO, Berichtigung unrichtiger Daten.
Wenn die Daten tatsächlich unrichtig sind, ja (wobei der Vermieter wohl beweisen muss, dass sie zutreffend sind, vgl. Ehmann/Selmayr/Kamann/Braun, 2. Aufl. 2018 Rn. , DS-GVO Art. 16 Rn. 22).

Dann hätte er aber sogar einen Löschungsanspruch nach Art. 17 DSGVO, weil die weitere Datenverarbeitung, also auch fortdauernde Speicherung dieser Information als solches, nicht mehr erforderlich iSd Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist (nach Art. 16 DSGVO müsste theorisch aufgenommen werden, dass er es nicht getan hat, aber wozu sollte das gut bzw. erforderlich sein).
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