Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

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lottchen
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Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von lottchen »

Mietrecht / Versicherungsrecht / Zivilrecht? Von jedem was?

Der alte Mieter M wohnt mit Tochter T zusammen. T kommt eines Tages nach Hause und kommt nicht in die Wohnung weil der Schlüssel von innen steckt. Trotz Klingeln öffnet niemand. Nach einigen nicht erfolgreichen Kontaktversuchen holt T die Feuerwehr und lässt die Wohnungstür aufbrechen. M liegt bewußtlos in der Wohnung und wird ins Krankenhaus gebracht.

Tritt hier die Haftpflichtversicherung von M ein? Oder nur die von T? Die Haftpflicht zahlt ja üblicherweise nur den Zeitwert. Die Tür ist vielleicht 20 Jahre alt und völlig in Ordnung. Eine neue Tür mit Einbau und Entsorgung der alten Elemente kostet um die 2000€ brutto. Bei laut Liste (der Versicherungswirtschaft) einer Lebensdauer von 40Jahren von einer Wohnungstür würde dem Vermieter dann nur die Hälfte erstattet und auf der anderen Hälfte bleibt der Vermieter sitzen, da seine Wertsteigerung? Der einfachste Weg um in die Wohnung zu gelangen wäre gewesen, einen Schlüsseldienst zu holen, der den Zylinder geknackt hätte. Das wäre vermutlich genauso schnell und bedeutend billiger gewesen (150-300€ je nach Tageszeit) und es wäre nur ein neuer Zylinder nötig gewesen (ca. 50€). Kann der Vermieter daher trotzdem die vollen Kosten von T verlangen auch wenn die Versicherung nur einen Teil zahlt? Kann der Vermieter T abmahnen oder gar kündigen wegen ihrer Entscheidung zum Aufbrechen?
Evariste
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von Evariste »

lottchen hat geschrieben: 25.01.22, 10:37 Tritt hier die Haftpflichtversicherung von M ein? Oder nur die von T?
Vermutlich keine von beiden. Ein Anspruch auf Schadenersatz setzt fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten voraus. Das liegt hier nicht vor.

Eventuell ließe sich eine "Mitschuld" von M daraus konstruieren, dass der Schlüssel von innen gesteckt hat, obwohl der Schließzylinder keine sog. Gefahrenfunktion (diese soll genau so eine Situation verhindern) besitzt. Keine Ahnung, ob es dazu Urteile gibt.
Kann der Vermieter daher trotzdem die vollen Kosten von T verlangen auch wenn die Versicherung nur einen Teil zahlt? Kann der Vermieter T abmahnen oder gar kündigen wegen ihrer Entscheidung zum Aufbrechen?
Naja, verlangen kann man viel, bekommen wird man es nicht. Soweit die Forderungen des Vermieters den geschuldeten Schadenersatz übersteigen, kümmert sich die Haftpflichtversicherung um die Abwehr dieser Forderungen.
Kann der Vermieter T abmahnen oder gar kündigen wegen ihrer Entscheidung zum Aufbrechen?
So wie der Sachverhalt geschildert wurde, dürfte "Gefahr im Verzug" bestanden haben, d.h. man konnte nicht lange nach einem Schlüsseldienst herumtelefonieren, der dann vielleicht 30 Minuten später kommt. Also nein.
lottchen
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von lottchen »

Jetzt bin ich ein wenig überrascht dass die Haftpflichtversicherung dafür nicht zuständig sein soll. Wenn das so wäre- schuldet der Mieter als Auftraggeber des Aufbruchs dem Vermieter dann überhaupt irgendwas? Hat dann der Vermieter einfach Pech gehabt? Oder muss der Mieter den vollen Betrag selber zahlen (ich dachte immer wenn die Haftpflicht ablehnt ist auch der Mieter nicht ersatzpflichtig?)?
hambre
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von hambre »

In so einem Fall greifen die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Obwohl T die Feuerwehr angerufen hat gilt M dennoch als Auftraggeber.

Allerdings hat M weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt (T auch nicht), so dass keine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch besteht. Nach meiner Auffassung greift hier § 228 BGB, so dass der Vermieter auf seinem Schaden sitzen bleibt.
lottchen
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von lottchen »

§ 228 BGB
Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.

Hat M die Gefahr nicht verschuldet indem er den Schlüssel hat stecken lassen und somit den normalen Zugang verhinderte?
FM
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von FM »

M war doch gar nicht der Handelnde, er war ja bewußtlos.

Gehandelt hat die Feuerwehr.
Die muss natürlich keinen Schadensersatz leisten. Sie hat die Gefahr nicht verschuldet und offenbar völlig richtig gehandelt (wobei das von der Art der Tür abhängen mag, aber mal angenommen ein Öffnen ohne größeren Schaden war nicht unverzüglich möglich).

Das dürfte unter Geschäftsführung ohne Auftrag fallen.
lottchen
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von lottchen »

Mal gesetzt den Fall, dass M nicht in einer hilflosen Situation gewesen wäre (z.B. in der Badewanne gelegen hätte, Kopfhörer auf und nichts von den Versuchen von T mitbekommen hätte, in die Wohnung zu kommen). Wäre es dann auch Geschäftsführung ohne Auftrag und der Vermieter hätte Pech gehabt?
FM
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von FM »

Dazu:
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 680 Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr

Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
Aus der Beschreibung ist nichts zu erkennen, was für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gesprochen hätte. Man darf auch vermuten, dass Feuerwehren das ganz gut beurteilen können und nicht einfach so auf Zuruf eine Tür aufbrechen.
und der Vermieter hätte Pech gehabt?
Wieso der Vermieter? Der war nicht der Geschäftsherr, sondern M. In dessen Namen wurde gehandelt.
fodeure
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von fodeure »

FM hat geschrieben: 25.01.22, 18:35Wieso der Vermieter? Der war nicht der Geschäftsherr, sondern M. In dessen Namen wurde gehandelt.
Das ist zwar richtig, aber um schadensersatzpflichtig zu sein, muß man schuldhaft gehandelt haben. Das hat M aber nicht.
FM
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von FM »

Wie gesagt, M hat überhaupt nicht gehandelt, konnte er ja nicht.

Aber das Handeln der Feuerwehr geschah in seinem Interesse. Sollte der Vermieter/Hausbesitzer also an die Kommune als Rechtsträger der Feuerwehr herantreten und Geld verlangen, wird diese sagen: das haben wir nicht in eigener Sache gemacht, sondern stellvertretend für Herrn M, man möge sich in dieser Angelegenheit bitte an diesen wenden.

Das ist ja das Wesen der GoA: der Geschäftsherr muss es nicht ausdrücklich beauftragt haben, aber der Handelnde durfte vermuten, es ist das, was der Geschäftsherr wahrscheinlich gewollt hat. Und die meisten Menschen möchten eben schon, dass Polizei, Rettung oder Feuerwehr nachsehen, wenn der Verdacht auf Lebensgefahr besteht.
hambre
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von hambre »

FM hat geschrieben:Wie gesagt, M hat überhaupt nicht gehandelt, konnte er ja nicht.

Aber das Handeln der Feuerwehr geschah in seinem Interesse. Sollte der Vermieter/Hausbesitzer also an die Kommune als Rechtsträger der Feuerwehr herantreten und Geld verlangen, wird diese sagen: das haben wir nicht in eigener Sache gemacht, sondern stellvertretend für Herrn M, man möge sich in dieser Angelegenheit bitte an diesen wenden.

Das ist ja das Wesen der GoA: der Geschäftsherr muss es nicht ausdrücklich beauftragt haben, aber der Handelnde durfte vermuten, es ist das, was der Geschäftsherr wahrscheinlich gewollt hat. Und die meisten Menschen möchten eben schon, dass Polizei, Rettung oder Feuerwehr nachsehen, wenn der Verdacht auf Lebensgefahr besteht.
Das ist alles richtig, ändert aber nichts daran, dass der Vermieter auf dem Schaden sitzen bleibt.
Evariste
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von Evariste »

M. E. hat die Betrachtung "Geschäftsführung ohne Auftrag" hier keine Relevanz.

Die Geschäftsführung ohne Auftrag wäre z. B. relevant, wenn die Feuerwehr für ihre Arbeit Gebühren von T kassieren würde, dann könnte sich die Tochter das Geld von M wiederholen. Oder wenn die Tochter einen Schlüsseldienst beauftragt hätte und der von der Tochter Geld sehen will.

Im vorliegenden Fall schuldet die Tochter aber niemandem Geld. Und der Mieter erst recht nicht. Es ist also völlig egal, wer hier "Geschäftsherr" ist.

Der Knackpunkt ist, dass nach deutschem Recht jeder Anspruch auf Schadenersatz ein Verschulden voraussetzt. (*) Hier gibt es aber niemand, der etwas falsch gemacht hat.

Allenfalls könnte man eine Haftung des Mieters damit begründen, dass er sich fahrlässigerweise quasi "eingesperrt" hat. Dafür wäre aber zu klären, ob es sorgfaltswidrig vom Mieter war, den Schlüssel von innen stecken zu lassen. Auf die Schnelle kann ich dazu nichts finden, es scheint im Gegenteil durchaus weitverbreitet zu sein, den Schlüssel auf der Innenseite stecken zu haben. (Wir machen das übrigens auch so, haben aber einen Schließzylinder mit Prioritätsfunktion, bei dem ein Aussperren ausgeschlossen ist.)

(*) Anders z. b. im angelsächsischen Recht, wo das Verursacherprinzip gilt. Da das Verschuldensprinzip in einigen Fällen zu problematischen Härten führt, hat man es z. T. durch eine Gefährdungshaftung ersetzt, z. B. im Straßenverkehr - ein Fußgänger, der durch ein Auto schwer verletzt wird, muss nicht nachweisen, dass der Fahrer einen Fehler gemacht hat, um seinen Schaden ersetzt zu bekommen. Im vorliegenden Fall gilt aber das Verschuldensprinzip, d. h. wer Geld von der Feuerwehr, der Tochter oder dem Mieter will, muss diesen ein Verschulden nachweisen.
(Und übrigens führt die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht dazu, dass der Mieter für ein etwaiges Verschulden der Tochter oder der Feuerwehr haftet...)
Zuletzt geändert von Evariste am 25.01.22, 22:12, insgesamt 1-mal geändert.
FM
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von FM »

Der Mieter haftet deshalb, weil in seinem Interesse die Tür aufgebrochen wurde (GoA). Ein Verschulden ist dazu nicht nötig.
Evariste
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von Evariste »

FM hat geschrieben: 25.01.22, 22:06 Der Mieter haftet deshalb, weil in seinem Interesse die Tür aufgebrochen wurde (GoA). Ein Verschulden ist dazu nicht nötig.
Nein. Nach welcher Vorschrift sollte er denn haften?

Es gibt nur den § 683 BGB:
Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. ...
Dieser Paragraf spricht dem Geschäftsführer einen Anspruch gegen dem Geschäftsherrn zu, aber nicht einem Dritten einen Anspruch gegen den Geschäftsherren.

Grundlage einer etwaigen Schadenersatzpflicht ist § 823 Abs.1 BGB, es gibt m. W. auch keine Sondervorschriften, die Vermieter begünstigen:
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Das Vorgehen der Feuerwehr und und auch der Tochter war aber nicht widerrechtlich. Und der Mieter hat die Tür weder beschädigt noch das in Auftrag gegeben. Und selbst wenn er noch mit letzter Kraft die Tochter angerufen hätte und den Auftrag zum Aufbrechen der Tür erteilt hätte, wäre das auch kein Verschulden.

Wenn andererseits die Feuerwehr schuldhaft handelt (z. B. sie übersieht, dass die Balkontür weit offen steht), muss der Mieter dafür nicht haften.

Dass der Vermieter letzten Endes auf den Kosten sitzen bleibt, außer es trifft jemand anderen ein Verschulden, kann man übrigens zigfach im Internet nachlesen.
FM
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Re: Wer zahlt aufgebrochene Wohnungseingangstür?

Beitrag von FM »

Da braucht man nicht den deliktischen Schadensersatz, es reicht schon das Mietvertragsrecht. Übliche Abnutzung ist es sicherlich nicht, wenn die Türe mit der Axt aufgebrochen wird.
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