Leibesvisitation eines 14-jährigen

Recht der Gefahrenabwehr

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Deputy
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Deputy »

Oktavia hat geschrieben: 14.04.21, 07:08
Deputy hat geschrieben: 13.04.21, 20:16 Darf er es nicht besitzen liegt ein Verstoß gegen geschriebenes Recht vor und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Damit sind wir im Polizeigesetz was die Durchsuchung & Sicherstellung angeht; Durchsuchung & Sicherstellung deswegen, damit der rechtswidrige Zustand beendet wird.

Nachdem was geschrieben wurde dürfen Jugendliche es mit Nikotin als Inhaltsstoff nicht besitzen; wenn schon im Sachverhalt dargestellt wurde, dass er es nicht haben darf ...
Die Lesefähigkeiten und die Konzentrationsfähigkeiten nehmen stark ab in den letzten Jahrzehnten :engel:

Natürlich darf ein Jugendlicher dies Zeug besitzen. Bitte definiere hier doch mal "Besitz"
Jaja, ich mach schon selbst :roll:
Die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache nicht zu verwechseln mit Eigentum. Eigentümer ist, wem die Sache rechtlich gehört, Besitzer, wer sie tatsächlich innehat.
Ist mir alles bekannt. Wenn Du aber mal in die entsprechenden Gesetze reinschaust, dann steht da überall Besitz und nicht Eigentum; ich weiß gar nicht, ob Jugendliche überhaupt Eigentum an solchen Sachen erwerben können, besitzen können sie sie auf jeden Fall. Hier geht es auch nicht um eine Strafbarkeit, sondern um Gefahrenabwehr nach dem Jugendschutzgesetz. So langsam könntest selbst Du den Unterschied zwischen Polizeirecht und Strafprozessrecht mal verstanden haben.
Oktavia hat geschrieben: Der Besitz von Nikotinhaltigen Mitteln ist in D nicht strafbar. Daher kann er für Jugendliche nicht strafbar sein.
Die Argumentation ist falsch.
Es gibt Gegenstände in Deutschland, die von Erwachsenen frei besessen werden dürfen, deren Besitz durch Jugendliche jedoch eine Ordnungswidrigkeit darstellt; zumindest bei OWis weiß ich es definitiv.
Oktavia hat geschrieben: Eigentlich kann man auch niemandem erklären warum diese "Teebeutelchen" nicht verkauft werden dürfen, Kautabak, Schnupftabak, Nicotin Pflaster, Kaugummis und Zigaretten jedoch kein Problem sind.
Das zu klären ist Frage der Politik, nicht der Polizei.
Oktavia hat geschrieben:Erwachsene dürfen Kindern keine Nikotinhaltigen Mittelchen zum Konsum überlassen, Kinder dürfen sie aber trotzdem besitzen.
Es ist für Kindern nicht strafbar, Nikotin zu besitzen; nichtsdestotrotz stellt es eine Gefahr für sie dar - deswegen darf es auch nicht an Kinder verkauft werden und genau deswegen kann es nach Polizeirecht sichergestellt werden. Für eine polizeirechtliche Sicherstellung bedarf es keiner Strafbarkeit, das ist eine völlig andere Baustelle. Aus Gründen des Jugendschutzes ist es auch grundsätzlich sicherzustellen - wird auch regelmäßig gemacht.
Oktavia hat geschrieben: Dies Beispiel mit 14 Jährigen Jugendlichen ist für mich beispielhaft für Fehlverhalten durch Polizisten. Eine Leibesvisitation ist ein stärkerer Eingriff und sollte bei Kindern besonders abgewogen werden weil er zu Traumata führen kann wenn sie bei der Durchführung ohne Vertrauensperson gelassen werden. Polizeiliche Maßnahmen an Kindern sind besonders sensibel zu betrachten.
Natürlich ist das Alter zu betrachten. Aber es wird so langsam lächerlich, was alles als Gewalt definiert wird, die zu Traumata führen kann.
winterspaziergang hat geschrieben: 14.04.21, 08:16 Die Leibesvisitation war absolut unverhältnismäßig, wie Deputy ja bereits ausgeführt hat.
Ich hab genau das Gegenteil gesagt.
Tom747806 hat geschrieben: 14.04.21, 14:38 Wie schon erwähnt verstehe ich auf Grund der Gesamtsituation das Durchsuchen vor Ort, das Mitnehmen auf die Wache, das auf der Wache befragen und noch genauer kontrollieren mit von mir aus BIS zur Unterwäsche ausziehen versteh ich auch noch. Aber wenn es bis dahin keinerlei Anzeichen für weitere Funde gibt ist alles weitere schlicht zuviel. Und zur Gesamtsituation gehört da als kleiner Baustein auch "nicht polizeibekannt" und "kooperiert zu 100%" dazu....
Wenn durchsucht wird, dann richtig. Und man hört insbesondere nicht bei der Unterhose auf, wenn man dort min. 1/4 des Stoffs findet, nachdem man sucht. Und die Unterhose ist da ein sehr beliebtes Versteck - eben weil darauf spekuliert wird, dass die Polizei nicht so weit gehen wird. Und genau deswegen wird auch sie durchsucht.
Deputy
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Deputy »

Ich denke mal, dass das hier so endet wie alle Diskussionen über Eingriffsrecht ...
Heiko66
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Heiko66 »

Eine Frau darf zwar bei der Durchsuchung dabei sein, aber nicht, wenn jemand vom anderen Geschlecht nackt gemacht wird. Ausnahme wäre eine gegenwärtige Gefahr für Leib& Leben, die sich hier nicht erkennen lässt.
Wie macht das die Polizei jetzt eigentlich wo es 3 Geschlechter gibt? Hat die Polizei da eine Einstellungsoffensive gestartet um auch diverse Personen durchsuchen zu können? Wird das Geschlecht vor der Durchsuchung erfragt (oder wäre das dann direkt eine Beleidung das Geschlecht vor der Durchsuchung zu erfragen)? Oder werden diverse Polizisten die es vermutlich nicht wie Sand am Meer gibt dann für die Durchsuchung per Hubschrauber eingeflogen?
Evariste
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Evariste »

Deputy hat geschrieben: 14.04.21, 20:31 Hier geht es auch nicht um eine Strafbarkeit, sondern um Gefahrenabwehr nach dem Jugendschutzgesetz.
Dass es nicht um Strafverfolgung geht, ist uns allen - glaube ich - klar. Aber auch die Gefahrenabwehr muss ja irgendeine gesetzliche Grundlage haben, und da kommt eben dann doch die fehlende Strafbarkeit (im Sinne von "es ist nicht verboten, dass...") in Spiel.

Sie schreiben "nach dem Jugendschutzgesetz", dort finde ich aber in § 10 nur:
- ein Abgabeverbot, das sich nur auf Gaststätten, Verkaufsstellen, Versandhandel, Automaten und "sonst in der Öffentlichkeit" bezieht (insbesondere nicht auf Privatpersonen)
- ein Konsumverbot, das sich ebenfalls auf Gaststätten, Verkaufsstellen, Automaten und "sonst in der Öffentlichkeit" bezieht (m. a. W., was der Jugendliche im Privaten tut, ist kein Thema für den Gesetzgeber)
Das ist alles hier nicht tatbeständlich.

Ich habe kein Problem damit, wenn die Polizei Jugendlichen, die in der Öffentlichkeit rauchen, ihre Zigaretten wegnimmt. Aber einen Zufallsfund von nikotinhaltigen Erzeugnissen als Anlass für eine Leibesvisitation zu nehmen, da sind m. E. die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten. Der "Gefahrenabwehr" könnte hier auch dadurch Genüge getan werden, dass man die Erziehungsberechtigten informiert.
Deputy
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Deputy »

Heiko66 hat geschrieben: 15.04.21, 08:12 Wie macht das die Polizei jetzt eigentlich wo es 3 Geschlechter gibt?
Im Zweifel fragen, welches Geschlecht die Person ihrer Ansicht nach hat und von welchem Geschlecht sie durchsucht werden will. Und sich das ganze schriftlich bestätigen lassen ("Ich will nicht von eine Mann, sondern von einer Frau durchsucht werden").

Kommen da keine Angaben nach dem was im Ausweis steht bzw. Augenschein. Und ja, das ganze ist nicht unproblematisch; aber auf Spielchen lässt sich die Polizei auch nicht ein.

Ein ähnliches Problem besteht ja aktuell schon darin, dass Homosexuelle von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden; da kommt wieder vom Geschlecht her ein potentieller Sexualpartner ins Spiel, was man mit dem gleichen Geschlecht ja vermeiden will. Treibt man das weiter müsste ein homosexueller Verdächtiger von einer lesbischen Polizistin durchsucht werden ... und diese Infos gehen die Polizei bzw. den Dienstherrn grundsätzlich nichts an.
Evariste hat geschrieben: 15.04.21, 09:57
Deputy hat geschrieben: 14.04.21, 20:31 Hier geht es auch nicht um eine Strafbarkeit, sondern um Gefahrenabwehr nach dem Jugendschutzgesetz.
Dass es nicht um Strafverfolgung geht, ist uns allen - glaube ich - klar. Aber auch die Gefahrenabwehr muss ja irgendeine gesetzliche Grundlage haben, und da kommt eben dann doch die fehlende Strafbarkeit (im Sinne von "es ist nicht verboten, dass...") in Spiel.

Sie schreiben "nach dem Jugendschutzgesetz", dort finde ich aber in § 10 nur:
- ein Abgabeverbot, das sich nur auf Gaststätten, Verkaufsstellen, Versandhandel, Automaten und "sonst in der Öffentlichkeit" bezieht (insbesondere nicht auf Privatpersonen)
- ein Konsumverbot, das sich ebenfalls auf Gaststätten, Verkaufsstellen, Automaten und "sonst in der Öffentlichkeit" bezieht (m. a. W., was der Jugendliche im Privaten tut, ist kein Thema für den Gesetzgeber)
Das ist alles hier nicht tatbeständlich.
Doch, genau darum geht es. Diese Vorschriften laufen alle darauf raus, dass verhindert werden soll, dass Jugendliche Nikotin konsumieren. Genau darin wird die Gefahr gesehen (die auch zweifellos vorliegt) und die Polizei wehrt diese Gefahr ab, indem sie das Nikotin sicherstellt.

Für polizeirechtliche Maßnahmen ist eine Strafbarkeit völlig egal bzw. greift das ganze Polizeigesetz nur, wenn eben keine Strafbarkeit vorliegt. Liegt eine Strafbarkeit vor, dann erfolgt die Maßnahme nach der StPO.
Evariste hat geschrieben: Ich habe kein Problem damit, wenn die Polizei Jugendlichen, die in der Öffentlichkeit rauchen, ihre Zigaretten wegnimmt. Aber einen Zufallsfund von nikotinhaltigen Erzeugnissen als Anlass für eine Leibesvisitation zu nehmen, da sind m. E. die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten. Der "Gefahrenabwehr" könnte hier auch dadurch Genüge getan werden, dass man die Erziehungsberechtigten informiert.
Hängt von den Gesamtumständen ab. Erst die Flucht, dann der Fund, da ist die Vermutung nicht ganz fernliegend, dass da noch mehr im Spiel ist. Zumal gerade in solchen Situationen regelmäßig mehr gefunden wird.

Im Polizeirecht sind es regelmäßig kann-Vorschriften, dh die Beamten haben ein gewisses Ermessen. Und natürlich spielt es auch eine Rolle, ob man davon ausgeht, dass ein Jugendlicher das Nikotin (Zigaretten) nur für seine Eltern holt oder zum selber rauchen besitzt.
FM
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von FM »

Deputy hat geschrieben: 15.04.21, 19:08
Heiko66 hat geschrieben: 15.04.21, 08:12 Wie macht das die Polizei jetzt eigentlich wo es 3 Geschlechter gibt?
Im Zweifel fragen, welches Geschlecht die Person ihrer Ansicht nach hat und von welchem Geschlecht sie durchsucht werden will. Und sich das ganze schriftlich bestätigen lassen ("Ich will nicht von eine Mann, sondern von einer Frau durchsucht werden").
Das wird allerdings schwierig, wenn "das polizeiliche Gegenüber" dann sagt, es wäre diversen Geschlechts und möchte nur von - hmmm, nicht Beamter, nicht Beamtin - also von einer Person ebenfalls diversen Geschlechts durchsucht werden.

In Deutschland gibt es das rechtlich ja erst seit Dezember 2018. Soweit ich sehe, haben viele Spezialgesetze das noch nicht berücksichtigt. Der von mir verlinkte Art. 21 Abs. 3 BayPAG aber schon: "von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten". Dann muss der oder die Beamte/in eben schauen, ob irgendwo in erreichbarer Nähe jemand im Polizeivollzugsbeamtenverhältnis mit diversem Geschlecht zu finden ist. Oder eben ein Arzt oder eine Ärztin. Da aber nur "die Polizei" durchsuchen darf, müsste der Arzt oder die Ärztin dann auch Polizeivollzugsbeamter/in sein. Z.B. die bayerische Polizei hat zwar 35 Ärzte, aber von denen werden auch höchstens 10 gleichzeitig im Dienst sein, also ca. einer je Präsidium. Der kann dann schon mal 100 km entfernt sein - muss man notfalls die Hubschrauberstaffel um Hilfe bitten?
hawethie
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von hawethie »

du hast aber gelesen, dass die Polizei sich nicht auf "Spielchen" einlässt?
Bei den Geschlechtsangaben, die so möglich sind (ein Netzwerk erlaubt in den USA 60 verschiedene) müssen notfalls die primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmale ausreichen

Ansonsten gilt auch hier im Thread: keine Nebenschauplätze eröffnen. Also mit dieser Diskussion ist hier Schluss.
Was du nicht willst, das man dir will, das will auch nicht -
was willst denn du.
Aus Erfahrung: Krebsvorsorge schadet nicht.
Heiko66
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Heiko66 »

Ein ähnliches Problem besteht ja aktuell schon darin, dass Homosexuelle von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden; da kommt wieder vom Geschlecht her ein potentieller Sexualpartner ins Spiel, was man mit dem gleichen Geschlecht ja vermeiden will. Treibt man das weiter müsste ein homosexueller Verdächtiger von einer lesbischen Polizistin durchsucht werden ... und diese Infos gehen die Polizei bzw. den Dienstherrn grundsätzlich nichts an.
Darüber zu argumentieren macht ja wenig Sinn, wenn jemand bisexuell (oder neurdings trisexuell) sein sollte. Es ergibt nur Sinn entweder beim gleichen Geschlecht zu bleiben oder aber das Thema Geschlecht ganz aufzuheben.
Bei den Geschlechtsangaben, die so möglich sind (ein Netzwerk erlaubt in den USA 60 verschiedene) müssen notfalls die primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmale ausreichen
Die Frage bezog sich ja ja nicht darauf was für Geschlechter so irgendwo erlaubt sind, sondern darauf, dass es jetzt in Deutschland nun einmal offiziell 3 Geschlechter gibt.
du hast aber gelesen, dass die Polizei sich nicht auf "Spielchen" einlässt?
Es ging mir bei der Nachfrage auch gar nicht um Spielchen sondern nur darum, ob die Polizei auch 3 Geschlechter zur Leibesvisitation vorhält, wo es jetzt doch 3 Geschlechter gibt.
Ansonsten gilt auch hier im Thread: keine Nebenschauplätze eröffnen. Also mit dieser Diskussion ist hier Schluss.
So richtig ist das doch kein Nebenkriegsschauplatz. Mit Ursprungsfrage dieses Threads war doch, in wieweit bei einer Leibesvisitation eine Person anderen Geschlechtes diese Durchführen oder zumindest anwensend sein darf. Da ist die Frage was gilt, da es nun doch 3 Geschlechter gibt wie das nun neuerdings genau zu handehaben (insbesondere vor der Schwierigkeit der praktischen Umsetzung) ist doch kein echter Nebenschauplatz sondern durchaus interessant. Mir ging es hierbei auch nicht um Spielchen, sondern tatsächlich darum zu wissen was nun neuerdings gilt. Dass das 3te Geschlecht hinsichtlich Leibesvisitation neue Fragen aufwirft ist mir erst auf Grund dieser Nachfrage in den Sinn gekommen.
Evariste
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Evariste »

Deputy hat geschrieben: 15.04.21, 19:08 Diese Vorschriften laufen alle darauf raus, dass verhindert werden soll, dass Jugendliche Nikotin konsumieren. Genau darin wird die Gefahr gesehen (die auch zweifellos vorliegt) und die Polizei wehrt diese Gefahr ab, indem sie das Nikotin sicherstellt.
Oha.

1) Der Gesetzgeber verfolgt ein bestimmtes Ziel.
2) Um dieses Ziel zu erreichen, beschließt der Gesetzgeber bestimmte Vorschriften. Dabei wägt er ab, wo er eingreift und wo nicht. Z. B. gibt es keine Vorschrift, die einem Wohnungsinhaber auferlegt, das Rauchen in seiner eigenen Wohnung zu unterbinden. Es gibt auch keine Vorschrift, die einer Privatperson verbietet, einem Minderjährigen Zigaretten zu geben. Über beides könnte man diskutieren, aber der Gesetzgeber hat halt entschieden, das nicht aufzunehmen.
3) Nun kommt die Polizei, verweist auf (1) und nimmt das als Rechtfertigung, auch in solche Verhaltensweisen einzugreifen, die vom Gesetzgeber nicht verboten wurden.

Z. B.:
Der 17-jährige Auszubildende A besucht ab und zu seine Kollegen in deren Wohnung, dabei wird auch geraucht (keine Joints, nur Zigaretten). Die Zigaretten dafür bekommt er von seinem Vater - er kann ja selbst keine kaufen. Alles nicht so toll (ich bin überzeugter Nichtraucher), aber nicht verboten. Wenn A nun unterwegs in eine Polizeikontrolle gerät und Zigaretten bei sich hat, dann darf die Polizei diese konfiszieren?

Diese Auslegung der "Gefahrenabwehr" läuft darauf hinaus, dass es die Polizei besser weiß als der Gesetzgeber - das finde ich bedenklich.
Tom747806
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Tom747806 »

Guten Morgen zusammen,

wenn ich die Infos/Meinungen hier zusammenfasse würde ich für mich festlegen, dass auf Grund der Gesamtsituation die Leibesvisitation rein rechtlich ok war, ob sie aber verhältnismässig war darüber lässt sich sicher diskutieren.

Jedenfalls nochmal vielen Dank für die rege Beteiligung :daumenhoch
barbara müller
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von barbara müller »

Ich habe zwar "nur" die Seiten 1 und 3 gelesen muss aber sagen, dass manche Meinungen zu einer nackten Durchsuchung eines 14jährigen, noch dazu im Beisein einer weiblichen Polizistin, ohne einen Erziehungsberechtigten, dies als legitim hinzustellen, nur von einem Polizisten kommen kann der seine Dienstobliegenheiten nicht so ganz genau nimmt.
Sollte es ein anderer Personenkreis sein, fände ich das noch schlimmer!
b.m.
Deputy
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Deputy »

Man sollte zwischen persönlicher Meinung und Rechtslage unterscheiden.

Dass grundsätzlich keine Polizistin zugegen sein darf ist fraglos richtig. Und natürlich muss insbesondere bei einem Jugendlichen eine entsprechende Erklärung der Maßnahme dabei sein.

Aber in welcher Beziehung nimmt ein Polizist sein Dienstobliegenheiten nicht genau, wenn er einen 14jährigen entsprechend durchsucht? Du kannst das sicher näher begründen, natürlich mit dem entsprechenden Paragraphen / Gesetz.

Ich halte mal dagegen: wo steht, dass es für die Durchsuchung nach dem Polizeigesetz ein Mindestalter gibt? Wo ist bei einem 14jährigen eine Durchsuchung nach der StPO verboten?
Evariste
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Evariste »

Deputy hat geschrieben: 26.04.21, 19:25 Ich halte mal dagegen: wo steht, dass es für die Durchsuchung nach dem Polizeigesetz ein Mindestalter gibt? Wo ist bei einem 14jährigen eine Durchsuchung nach der StPO verboten?
Es behauptet niemand, dass es ein grundsätzliches Verbot gibt. Die Frage ist aber, ob eine Durchsuchung im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist, insbesondere in dieser Form. Unter Jugend"schutz" verstehe ich was anderes.

Das hier habe ich noch gefunden, PDV 382 in der (anscheinend immer noch aktuellen) Fassung von 1995:
8.3 Körperliche Durchsuchung
8.3.1 Bei körperlichen Durchsuchungen darf der Minderjährige vor anderen nicht bloßgestellt werden.
8.3.2 Bei körperlichen Durchsuchungen Minderjähriger ist § 81 d StPO in entsprechender Anwendung zu beachten; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
(https://www.dvjj.de/wp-content/uploads/ ... DV-382.pdf)

Nun gucken wir mal in § 81 d StPO hinein:
(1) Kann die körperliche Untersuchung das Schamgefühl verletzen, so wird sie von einer Person gleichen Geschlechts oder von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Auf Verlangen der betroffenen Person soll eine Person des Vertrauens zugelassen werden. Die betroffene Person ist auf die Regelungen der Sätze 2 und 3 hinzuweisen.
(2) Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn die betroffene Person in die Untersuchung einwilligt.
Wer findet den Fehler?
Deputy
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Re: Leibesvisitation eines 14-jährigen

Beitrag von Deputy »

Es ist eine soll-Vorschrift. Knackpunkt ist bei so einem Sachverhalt wie hier die Zeit, die eine Hinzuziehung regelmäßig zu kompliziert macht. Bei einer Freiheitsentziehung, die über einen gewissen Zeitraum geht - und nichts anderes liegt hier vor - ist eine Durchsuchung eh vorgeschrieben. Und die wird so schnell wie möglich durchgeführt

Es auch eine Frage der Fürsorgepflicht: auch Jugendliche haben in solchen Lagen mal Rasierklingen oder Drogen in der Unterwäsche versteckt. Wenn ein Jugendlicher schon 1 h in Gewahrsam ist und sich dann mit einer versteckten Rasierklinge die Pulsadern aufschlitzt oder das noch versteckte Cannabis runterschluckt, damit es nicht gefunden wird und im Krankenhaus landet, dann ist hier auch wieder alles am Schreien "Wie kann der so etwas nach 1 h bei der Polizei noch haben - die Polizisten sind doch total unfähig. Die haben ihre Dienstobliegenheiten verletzt, da sie ihm das nicht abgenommen haben".

Dazu kommt noch die Eigensicherung; Jugendliche kommen grundsätzlich nicht in eine Zelle, sondern mal lässt sie - grundsätzlich ungefesselt - unter Aufsicht in einem Büro sitzen. Und genau deswegen muss dann auch sichergestellt werden, dass sie nicht noch irgendwo ein Messer oä haben. Das läuft wieder auf dasselbe wie oben raus: wenn ein Jugendlicher 1 h auf einem Revier sitzt, dann einen Beamten mit einem Messer angreift - das mangels richtiger Durchsuchung nicht gefunden wurde - und erschossen wird schreit hier auch wieder alles "Wie kann der so etwas nach 1 h bei der Polizei noch haben - die Polizisten sind doch total unfähig. Die haben ihre Dienstobliegenheiten verletzt, da sie ihm das nicht abgenommen haben".

Und kommt jetzt nicht mit Schuß ins Bein oder Messer aus der Hand schießen.

Wie oft das passiert? Mir dem Messerangriff eher selten, verschlucken von Btm ist nicht so selten. Und da kann auch durchaus Angst dabei sein, was passiert, wenn die Eltern das mit dem Btm mitbekommen und es deswegen verschlickt wird.

Es ist auch nicht immer so einfach, an die Eltern ranzukommen. Der Name und auch die Adresse ist bei Jugendlichen meist kein Problem. Aber dann gehts schon los: eine Telefonnummer? Die ist nicht mehr im Kopf, sondern im Handy, das wird aber mit Absicht nicht entsperrt. Rechtlich so weit ok - also fährt man an der Adresse vorbei. Dafür muss man aber erstmal eine Streife haben (und damit sind schon 2 Streifen mit der Sache gebunden). Und dann steht die Streife an der Adresse und es macht keiner auf. Und jetzt?

Ich kann Dir den Fehler nennen: es ist der Unterschied, wie es im absoluten Optimalfall läuft - und wie es eben in der Realität regelmäßig läuft. Und da läuft es regelmäßig - oder eher üblicherweise - nicht optimal. Und auch der Unterschied zwischen "So stell ich es mir vor, kenn es aber nur aus dem Fernsehen" und "Hab ich schon x-Mal erlebt".

Und genau deswegen steht dort soll und nicht muss.
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