Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

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helmes63
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Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von helmes63 »

Sehr geehrte Forenexperten,

... wenn ein zwangsgeräumter in einer Notunterkunft verbringen muss ist das schon alleine recht depremierend.
Es gibt aber noch eine Besonderheit von der ich erfahren habe welche ich rechtlich nicht einschätzen kann ob
diese nicht sogar rechtswidrig ist.

> wenn der Ordnungsamtsleiter nämlich auf Grund seiner Befugnisse in der Hausordnung der Notunterkunft schreibt,
dass gemäß einer Regelung eine Einweisung widerrufen werden kann wenn der betreffende sich nicht ernsthaft um eine Sozialwohnung bemüht und damit um einen baldigen Auszug.

Eine derartige Klausel ist m. E. grenzwertig, weil der Leiter ja gar nicht beurteilen kann ob wirklich der Bewohner sich ernsthaft bemüht oder nicht.

a) Welche rechtliche Wirkung hat eine derartige Klausel ?
b) liegt hier nicht sogar eine rechtswidrige Willkür-Option vor welche gar keine Anwendung finden darf ?
c) Nach welchen Kriterien will den der Ordnungsamtsleiter beurteilen ob jemand sich nicht ernsthaft um eine Wohnung
bemüht. Die schwierige Wohnungslage müsste ihm ja eigentlich doch bekannt sein ?
Tastenspitz
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von Tastenspitz »

Eine solche Klausel kann man nmE. nur einschätzen, wenn der entsprechende Wortlaut bekannt ist.
Allgemein darf man aber vermuten, dass es vor dem Rauswurf mehrere Aufforderungen oder Abfragen nach den Bemühungen, einen neue Wohnung zu finden geben wird.
Die allgemeinen Gegebenheiten treffen jeden auf Wohnungssuche und dürften daher nicht für einzelne besonders schlimm sein. Wenn, dann ist dies höchstwahrscheinlich den persönlichen Umständen geschuldet.
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
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Evariste
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von Evariste »

helmes63 hat geschrieben: 12.01.23, 13:16 ... wenn der betreffende sich nicht ernsthaft um eine Sozialwohnung bemüht ...
Nach welchen Kriterien will den der Ordnungsamtsleiter beurteilen ob jemand sich nicht ernsthaft um eine Wohnung
bemüht. Die schwierige Wohnungslage müsste ihm ja eigentlich doch bekannt sein ?
Es wird ja nicht gefordert, dass man eine Wohung findet, sondern nur, dass man sich bemüht. Üblicherweise werden dazu Nachweise gefordert. Das können z. B. E-Mails sein, oder einfach eine Aufstellung, bei welchen Vermietern man sich wann beworben hat. Für eine Sozialwohnung wird man auf dem Wohnungsamt vorstellig. Dort kann man sich bescheinigen lassen, dass man da war und dass man auf der Warteliste steht.
FM
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von FM »

helmes63 hat geschrieben: 12.01.23, 13:16 Eine derartige Klausel ist m. E. grenzwertig, weil der Leiter ja gar nicht beurteilen kann ob wirklich der Bewohner sich ernsthaft bemüht oder nicht.
Warum kann er das nicht? Arbeitsagentur und Jobcenter prüfen ja auch, ob man sich ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemüht.

Die Frage wäre hier, wo er dann untergebracht wird. Ob nun Ordnungs- oder Sozialamt, die Kommune muss für eine Unterkunft sorgen, die der Menschenwürde gerecht wird, also gerade jetzt im Winter z.B. beheizbar ist (womit der Stadtpark schon mal wegfällt).
lottchen
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von lottchen »

In einer Notunterkunft darf man doch ohnehin nur vorübergehend wohnen. Bei der Stadt München steht z.B. in den Vorschriften, dass dort niemand mehr als 1 Jahr wohnen soll. Und wenn man sich gar nicht bemüht nach einer anderen Unterkunft wird man wohl schon viel eher augefordert werden zu gehen und Platzzu machen für neue Bedürftige, die erst einmal aufgefangen werden müssen.
Ich habe gerade mit einem Fall zu tun, wo eine Mutter mit Kind geräumt wurde. Diese wurde in einer Gewährleistungswohnung untergebracht und musste diese nach einer bestimmten Zeit auch wieder verlassen, weil sie es nicht geschafft hatte, innerhalb der gesetzten Frist (keine Ahnung wie lang die war) eine neue Wohnung zu finden. Die steht jetzt auch auf der Straße und übernachtet mal hier mal da.
Ich empfehle, Beiträge unserer Forentrolle BäckerHD, FelixSt und Dieter_Meisenkaiser konsequent zu ignorieren!
FM
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von FM »

Die öffentliche Hand ist verpflichtet, eine menschenwürdige Unterkunft jederzeit zur Verfügung zu stellen (Art. 1 Abs. 1 GG). Natürlich nicht unbedingt kostenlos und natürlich nicht in einem ganz bestimmten Gebäude, aber jedenfalls nicht der Verweis auf die Bahnhofshalle oder den Stadtpark.

Zuständig ist im Regelfall die Gemeinde, je nach Land vielleicht auch die Verwaltungsgemeinschaft, Samtgemeinde oder was es da alles gibt, oder der Landkreis.

Rechtlich problematisch sind da eher Sonderfälle, z.B. wenn jemand seinen Hund mitnehmen will - für den gilt nicht Art. 1 Abs. 1 GG oder das Ordnungs- oder Sozialhilferecht, sondern das Tierschutzgesetz. Und da dürfte auch die Unterbringung im Tierheim oder die Abgabe an einen anderen Halter ausreichen.
helmes63
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von helmes63 »

Die hier angeführte Logik kann ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen. Die Frage ob jemand sich ernsthaft um eine Sozialwohnung bemüht ist ja faktisch nur relativ schwer erfassbar für das zuständige Ordnungsamt. In diesem Zusammenhang müsste doch eigentlich berücksichtigt werden, dass der Wohnungsmarkt in der Regel nicht viel hergibt.

b) Eine offizielle Widerrufung der Einweisungsanordnung erzeugt ja eine Obdachlosigkeit gegen den Willen des Heimbewohners. Da der Staat ja eine Fürsorge-Pflicht hat um eine Obdachlosigkeit zu vermeiden könnte man hier auf einen echten Gegensatz stoßen der möglicherweise in einen handfesten Rechtsstreit mündet.

Die Nachweisführung sehe ich erst einmal beim Ordnungsamt. Wenn der Heimbewohner Wohnungsbewerbungen nachweist wird es inhaltlich mehr als schwierig. Was ist den konkret überhaupt zu verstehen unter der Kategorie "ernsthafte Bemühungen".

Diese Faktenlage kann man nicht einfach aushebeln bzw. ausblenden. Da kann das Ordnungsamt auftreten wie es will.
Evariste
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von Evariste »

helmes63 hat geschrieben: 18.01.23, 14:07 Die hier angeführte Logik kann ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen. Die Frage ob jemand sich ernsthaft um eine Sozialwohnung bemüht ist ja faktisch nur relativ schwer erfassbar für das zuständige Ordnungsamt.
Sehe ich nicht so. Es gibt Stellen, an die man sich wegen einer Sozialwohnung wenden kann. Man kann auch selbst potentielle Vermieter anschreiben. Das alles sind dann Belege, dass man sich ernsthaft bemüht.
In diesem Zusammenhang müsste doch eigentlich berücksichtigt werden, dass der Wohnungsmarkt in der Regel nicht viel hergibt.
Wie schon geschrieben, kommt es bei "Bemühungen" nicht auf den Erfolg an. Interessant wäre diese Frage allenfalls, wenn es in einer kleinen Gemeinde überhaupt keine Wohnungsangebote gibt, auf die man sich bewerben könnte.
Da der Staat ja eine Fürsorge-Pflicht hat um eine Obdachlosigkeit zu vermeiden könnte man hier auf einen echten Gegensatz stoßen der möglicherweise in einen handfesten Rechtsstreit mündet.
Ein Rechtsstreit ist natürlich immer denkbar. Die Fürsorge-Pflicht geht aber nicht so weit, dass man von einem Betroffenen keine Eigenbemühungen erwarten darf.
Wenn der Heimbewohner Wohnungsbewerbungen nachweist wird es inhaltlich mehr als schwierig.
Wieso schwierig? Dann ist ja alles gut. Außer in dem ganz speziellen Fall, dass der Heimbewohner Zusagen bekommt, dann aber - warum auch immer - keine Lust hat, umzuziehen...
Tastenspitz
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von Tastenspitz »

OMG. :shock: Das ist ja helmes alias Lord Helmchen. Seh jetzt erst.
Afk Chips und Cola holen..... :D
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FM
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von FM »

helmes63 hat geschrieben: 18.01.23, 14:07 Die Nachweisführung sehe ich erst einmal beim Ordnungsamt. Wenn der Heimbewohner Wohnungsbewerbungen nachweist wird es inhaltlich mehr als schwierig. Was ist den konkret überhaupt zu verstehen unter der Kategorie "ernsthafte Bemühungen".
Wenn er die Bewerbungen vorgelegt hat, kann man im nächsten Schritt die Vermieter fragen, warum er abgelehnt wurde (wie es eben das Arbeitsamt bei der Jobsuche auch macht). "Andere waren zahlungsfähiger" -> kein Verschulden. "Der kam betrunken in schmutziger Kleidung mit drei Hunden" -> da wäre der Verdacht gegeben.
helmes63
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von helmes63 »

Ich bitte nochmals auf den Punkt zu kommen : diese Regelung greift angeblich bei unzureichenden Bemühungen eine Wohnung zu suchen und wer definiert das ? - etwa der Ordnungsamtleiter aus der eigenen Anschauung heraus ohne Berücksichtigung der regionalen Sozialwohnungsmarktlage. Das ist doch absolut absurd.

Bei den festzustellenden Antworten vermisse ich eine echte Stellungnahme auf den Kern meines Beitrages.
Ich kann nicht erkennen wo da eine klare nachvollziehbare Aussage hinterstecken sollte

Außerdem wo soll den der Heimbwohner anschließend hin - etwa in der Nachbargemeinschaft, bei der verwaltungstechnisch nicht darf wegen der Wohnsitzauflage nach der nur in der Kommune die Notunterkunft anzutreten ist wo man als Zwangsgeräumter zuletzt gewohnt hat. Ich denke wer dieses Thema ernsthaft erörtern will muss schon bereit sein sich auch im den unliebsamen Details zu beschäftigten. Davon sehe ich bisher relativ wenig. Das gesagte ist viel Theorie und wenig tauglich für die konkrete Aussage des dargestellten Problems.

Allerdings kann man natürlich auch eine Beruhigungspille hinterher schicken und sagen, dieses Szenario greift erst dann wenn ziemlich viel vorher schief gegangen ist ...
hawethie
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von hawethie »

und wer definiert das?
etwa der Ordnungsamtleiter
genau der. Nennt sich "Beurteilung" und diese erfolgt nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Diese wäre in einem Klageverfahren gerichtlich überprüfbar (im Gegensatz zum Ermessen).
Bei den festzustellenden Antworten vermisse ich eine echte Stellungnahme auf den Kern meines Beitrages.
Dann würd ich mir mal Gedanken über die Art der Fragestellung machen.
Ich denke wer dieses Thema ernsthaft erörtern will muss schon bereit sein sich auch im den unliebsamen Details zu beschäftigten
ich kenn da jemanden, der muss sich doch mal an die eigene Nase fassen.
Davon sehe ich bisher relativ wenig.
ich kenn da......
Nur so viel: die schwierige Wohnungslage darf nicht dazu führen, dass man sich überhaupt nicht um eine neue Wohnung bemüht. Motto "Bringt ja nichts, also tu ich nichts"
Was du nicht willst, das man dir will, das will auch nicht -
was willst denn du.
Aus Erfahrung: Krebsvorsorge schadet nicht.
Evariste
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Re: Einweisungswiderrufung in einer Notunterkunft als Druckmittel des Ordnungsamts

Beitrag von Evariste »

hawethie hat geschrieben: 07.03.23, 07:35 Nur so viel: die schwierige Wohnungslage darf nicht dazu führen, dass man sich überhaupt nicht um eine neue Wohnung bemüht. Motto "Bringt ja nichts, also tu ich nichts"
Das ist auch in anderen Rechtsbereichen so.

Beispiel Ausländerrecht: Hier kommt es vor, dass eine bestimmte Forderung (z. B. sich bei der Botschaft einen neuen Pass zu besorgen, oder vom Ausland aus Deutsch zu lernen) existiert, die aber im Einzelfall gar nicht realistisch ist (z. B. Botschaft verlangt für eine Passausstellung Dokumente, die nicht existieren, oder es gibt in dem betreffenden Land keine Möglichkeit Deutsch zu lernen). Dann wird verlangt, dass man sich dennoch bemüht und diese Bemühungen nachweist.
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