Remonstration - aufschiebende Wirkung?

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Elisa1717
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Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Elisa1717 »

Hallo,

jetzt mal rein theoretisch:

Ich möchte remonstrieren. Der Verlauf ist ja folgendermaßen:
1. Ich lege Beschwerde bei der Bezirksregierung ein (da eine Beschwerde über eine Anordnung des Schulleiters vorliegt).
2. Die Bezirksregierung gibt bekannt, ob sie die Anordnung des Schulleiters bestätigt oder nicht.
3. Falls die Bezirksregierung die Anordnung des Schulleiters bestätigt, lege ich bei dem nächst höheren Vorgesetzten Beschwerde ein.
4. Dieser entscheidet dann, ob sie die Anordnung des Schulleiters bestätigt oder nicht.

Muss ich der Anordnung des Schulleiters Folge leisten, während ich auf die Antwort der Bezirksregierung warte (zwischen 1. und 2.)? Muss ich der Anordnung des Schulleiters Folge leisten, während ich auf die Antwort der nächsthöheren Instanz warte (zwischen 3. und 4.)?

Leider werde ich aus den entsprechenden Gesetzestexten nicht schlau:
„Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit.“
(Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__36.html)
Muss / Kann man das so lesen: „[erst wenn] die Anordnung [von dem nächst höheren Vorgesetzten] bestätigt [wird], müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen“? Sprich erst nach Schritt 4?
Folgendes Zitat sagt ja genau das aus:
„Dazu wird die Remonstration gegenüber dem Dienstvorgesetzten, also der Schulleitung, geltend gemacht. Hält die Schulleitung die Anordnung aufrecht, haben Beamte sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächsthöhere Vorgesetzte bzw. den nächsthöheren Vorgesetzten, also die Schulaufsicht, zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamt*innen sie ausführen. Die Remonstration hat also zunächst einmal aufschiebende Wirkung.“
(Quelle: https://www.gew-hamburg.de/themen/arbei ... aq-schulen)
Hier habe ich jedoch gelesen, dass es anscheinend einen Unterschied macht, ob man eine Beschwerde oder einen Widerspruch einlegt:
„Zu beachten ist, dass Beschwerden gegen irgendwelche Maßnahmen keine aufschiebende Wirkung haben, während das bei Widersprüchen der Fall ist! Beschwerden gegen Verwaltungsakte müssen als Widerspruch formuliert werden.“
(Quelle: https://www.tresselt.de/beschwerden/)
Wie ist die Lage denn nun? Und kann man immer einen Widerspruch einlegen oder müssen dafür besondere Umstände vorliegen? Falls ja, welche?

Dankeschön :)
Wie ist die Rechtslage?
FM
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von FM »

Könnte ein Unterschied sein, ob es um einen Finanzbeamten beim Erstellen eines Steuerbescheides oder um einen Feuerwehrbeamten beim Rettungseinsatz geht. Und auch bei Lehrern kann es verschiedene Situationen geben.
Elisa1717
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Elisa1717 »

Dankesehr. Es handelt sich um den Lehrerberuf.
Nordland
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Nordland »

Eigentlich regelt § 36 Abs. 3 BeamtStG die Frage der einstweiligen Wirkung:
https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__36.html hat geschrieben:(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Anordnung ist durch die anordnende oder den anordnenden Vorgesetzten schriftlich zu bestätigen, wenn die Beamtin oder der Beamte dies unverzüglich nach Ausführung der Anordnung verlangt.
Also im Prinzip wird die Lehrerin aus dem Schneider sein, wenn sie sich diese Anordnung schriftlich bestätigen lässt. Außer, wenn die Anordnung erkennbar eine Strafbarkeit oder eine Verletzung der Menschenwürde bedeutet. Daher gilt der Grundsatz: No context, no translation. MaW: Du solltest schon ansatzweise beschreiben, um was für eine Anordnung es geht.
Elisa1717
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Elisa1717 »

Nordland hat geschrieben: 24.01.21, 20:10
Also im Prinzip wird die Lehrerin aus dem Schneider sein, wenn sie sich diese Anordnung schriftlich bestätigen lässt. Außer, wenn die Anordnung erkennbar eine Strafbarkeit oder eine Verletzung der Menschenwürde bedeutet. Daher gilt der Grundsatz: No context, no translation. MaW: Du solltest schon ansatzweise beschreiben, um was für eine Anordnung es geht.
Danke Nordland!

Es geht mir nicht um das "aus dem Schneider sein". Sondern vielmehr darum, ob du die Anordnung dann nicht ausführen musst, solange bis die Bezirksregierung (nächst höhere Vorgesetzte der Schulleitung) die Anordnung der Schulleitung bestätigt.
Also um (2):

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.

Also mal am Beispiel der Remonstrations-Eskalationsleiter:
1. Lehrer teilt Schulleitung mit, dass er Anordnung nicht ausführt, da er sie für rechtswidrig hält (mit Begründung)
2. Schulleitung bleibt bei Anordnung
3. Lehrer schreibt Bezirksregierung (nächsthörerer Vorgesetzter der Schulleitung) das gleiche wie in 1.
4. Lehrer führt nun die Anordnung der Schulleitung nicht durch, solange die Bezirksregierung die Anordnung der Schulleitung nicht bestätigt.
-> ist das dann rechtens?
5. Bezirksregierung bestätigt die Anordnung der Schulleitung als korrekt.
6. Jetzt muss der Lehrer die Anordnung wieder ausführen. Ist aber insofern rechtlich abgesichert, dass er von der eigenen Verantwortung befreit ist (mit Ausnahmen, "Würde, Straf- oder ordnungswidrig").

Mir ist der Zeitpunkt zwischen 4. und 5. wichtig. Führt der Lehrer die Anordnung der Schulleitung nicht durch, ist er dann insoweit rechtlich auf der richtigen Seite, dass die Schulleitung ihm dafür keine rechtlich wirksame Abmahnung geben kann?
FM
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von FM »

Elisa1717 hat geschrieben: 26.01.21, 23:22 1. Lehrer teilt Schulleitung mit, dass er Anordnung nicht ausführt, da er sie für rechtswidrig hält (mit Begründung)
Welche Anordnung genau?

Nein, das ist nicht egal.
Nordland
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Nordland »

Elisa1717 hat geschrieben: 26.01.21, 23:22 Es geht mir nicht um das "aus dem Schneider sein". Sondern vielmehr darum, ob du die Anordnung dann nicht ausführen musst, solange bis die Bezirksregierung (nächst höhere Vorgesetzte der Schulleitung) die Anordnung der Schulleitung bestätigt.
Also um (2):
Deine Frage bezieht sich auf die - im Verwaltungsrecht nicht unbekannte - Frage der aufschiebenden Wirkung. Hierzu sagt der von mir zitierte Absatz 3 etwas. Du wiederholst aber nur Absatz 2, der eben nur die Grundregel darstellt und nichts zur einstweiligen Vollziehung sagt.

Das mit der Remonstration geht auf Gewissenskonflikte von Untergebenen zurück, die zum Teil in Zeiten entstanden sind, in denen schlimmstes Unrecht von staatlichen Stellen bzw. Vorgesetzen angeordnet wurde. Der Gesetzgeber muss - gerade, weil es auch andere Zeiten gibt, in denen der Rechtsstaat vorherrscht - eine Balance finden: Einerseits darf die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes (hier: des Schulbetriebs) nicht durch irgendwelche Befindlichkeiten beeinträchtigt werden, andererseits kann es dennoch vorkommen, dass Vorgesetzte ihre Macht missbrauchen und Untergebene zu rechtswidrigem Verhalten anleiten.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass eine Lehrerin, die ja über Hochschulabschluss, pädagogische Kenntnisse und Lebenserfahrung verfügen muss, in der Regel gewisses Fingerspitzengefühl besitzt und einschätzen kann, ob sie mit der Ausführung der Anordnung die Menschenwürde der Schüler verletzt oder etwas strafbares macht. Auch wird man meist einschätzen können, ob daraus jetzt irreversibler Schaden entsteht, wenn sie die Anweisung ausführt oder nicht.

Genau das sind aber die Aspekte, die zu erwägen sind, wenn es um die Frage geht, ob man die Anweisung nun einstweilig umsetzt oder nicht. Ohne den Charakter der Anweisung zu kennen, kann man daher leider nur schwer etwas sagen.
Elisa1717 hat geschrieben: 26.01.21, 23:22Mir ist der Zeitpunkt zwischen 4. und 5. wichtig. Führt der Lehrer die Anordnung der Schulleitung nicht durch, ist er dann insoweit rechtlich auf der richtigen Seite, dass die Schulleitung ihm dafür keine rechtlich wirksame Abmahnung geben kann?
Du sprichst von einer Abmahnung. Andererseits hast du selbst auf das Beamtenstatusgesetz verwiesen. Eine Beamtin wird keine Abmahnung erhalten. Handelt es sich also um eine tarifbeschäftigte Lehrerin?
Elisa1717
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Elisa1717 »

Danke nochmals. In der Tat, bin ich verbeamtet. Aber dort gibt es doch sicherlich etwas, was einer Abmahnung entspricht?

Die Menschenwürde sowie Ordnungswidrigkeit und Strafbarkeit kommen ja nur ins Spiel, wenn die Bezirksregierung (nächst höherem Vorgesetzten der Schulleitung) die Anordnung bestätigt. Dieses ist ja zwischen Punkt 4 und 5 noch nicht der Fall.

Das Unrecht entstünde nicht gegenüber Dritten, sondern gegenüber der zur Ausführung angehaltenen Lehrkraft selbst. Dieses Unrecht kann aber irreversiblen Schaden (Daten einmal im Netz…) herbeiführen (wo steht da im Gesetz, dass dieses eine Bedingung für den Aufschub ist?). Der Schulbetrieb würde aber recht normal weiterlaufen. An anderen vergleichbaren Schulen am Ort wird ebenfalls nichtentsprechend der Anordnung gearbeitet. Dort ist der Schulbetrieb auch einigermaßen normal möglich.

Bezüglich Satz 3 und 4 aus (2), auf die in (3) hingewiesen wird:
Gefahr wäre es ja, wenn dann z.B. kein Unterricht stattfinden könnte. Aber es kann Unterricht stattfinden, nur in anderer Qualität. Ansonsten wäre dieser Hinweis auf Gefahr in Verzug ja irrelevant, da dieses ja immer gegeben wäre. Es passiert halt immer irgendetwas, wenn man eine Anordnung nicht befolgt. Aber Gefahr (nach Wikipedia) bedeutet: "Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn durch die Sachlage des einzelnen Falles eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird."
Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__36.html

Für öffentliche Sicherheit und Ordnung tritt ja in meinem Beispiel kein Schaden ein.
hawethie
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von hawethie »

Aber dort gibt es doch sicherlich etwas, was einer Abmahnung entspricht?
Aktenkundige Belehrung
Was du nicht willst, das man dir will, das will auch nicht -
was willst denn du.
Aus Erfahrung: Krebsvorsorge schadet nicht.
Chavah
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Re: Remonstration - aufschiebende Wirkung?

Beitrag von Chavah »

Die Personalvertretung sollte über das Problem umfassend aufklären können. Das mag von Land zu Land für Landesbeamte noch unterschiedlich geregelt sein; und Lehrer sind ja Landesbeamte.

Wir haben hier doch das Spannungsfeld zwischen dem Gehorsam, zu dem der Beamte verpflichtet ist und dem Recht bzw. der Pflicht, zu remonstrieren, wenn eine Anweisung rechtswidrig ist. So, nicht jede kritische Anweisung ist offensichtlich rechtswidrig oder rechtmäßig. Da hat zumindest bei uns hier im Land der Remonstrierende nur so lange ein Verweigerungsrecht, bis der Dienstvorgesetzte des direkten Vorgesetzten entschieden hat. Länger nicht, wobei wohl auch Streit darüber besteht, ob die streitige Anordnung wirklich offensichtlich, also gravierend rechtswidrig sein muss, ob ihr also die Rechtswidrigkeit quasi ins Gesicht geschrieben ist.

Das Argument, dass in anderen Schulen andere Regelungen bestehen, dürfte nicht erheblich sein. Es geht nicht darum, wie andere Schulen am Laufen gehalten werden. Es geht ausschließlich darum, ob die spezielle Anordnung so gravierend rechtswidrig ist, dass ausnahmsweise die Gehorsamspflicht des Beamten ausgehebelt wird. Und zwar bis zur Entscheidung in der "2. Instanz." Dann geht es ohnehin nicht mehr.

Man muss also schon eine hammerharte Argumentation haben, um da der Anweisung nicht Folge zu leisten ohne eigenen Schaden. Im Zweifel ist ja ein unbestimmter Rechtsbegriff auszufüllen. Und das muss man können. Und der Hinweis auf die Menschenwürde, Erziehungsrecht oder Gleichbehandlungsrecht, das dürfte mit Sicherheit nicht ausreichen. Das Beamtentum ist nun mal u.a. charakterisiert durch die Gehorsamspflicht, nicht durch grenzenlose Selbstverwirklichung. Damit kann man keinen Staat am Laufen halten.

Chavah
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