*** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

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henribz
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*** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von henribz »

Hallo. Folgende fiktive Situation:

Person ABC(geb. 1989) wird zu folgenden strafen verurteilt:

1. 2005: betrug - verdahren wegen Wiedergutmachung eingestellt
2. 2007: betrug - Geldstrafe 50 TS je 20 Eur
3. 2008: Versuchter betrug - Unter einbeziehung von 2: Freiheitsstrafe 5 monate, ausgesetzt zur bewahrung auf 2 jahre
4. 2009: betrug in mehreren Fällen, während bewährung, unter Einbeziehung aller anderen Urteile: 3 Jahre Jugendstrafe
(2010- Urteil im Berufungsverfahren bestätigt) 2010 haftantritt

Der strafrest wurde nach 23 monaten Haft (april 2012) zur bewahrung ausgesetzt (bis 2015, Straferlass im Sommer 2015 erhalten)

Diese urteile stehen zur Debatte.

Im jahr 2016 (etwa Juni 2016) wurde ein entsprechendes Strafregister beim Bundesamt für Justiz beantragt. In diesem stand (zusammengefasst folgendes):
- Tilgungsfrist erreicht ($45 Abs. 2 BZRG
- über xxx werden keine Auskünfte mehr an andere Stellen erteilt
- nach ablauf einer 1-jährigen Überliegefrist wird Person xxx automatisch aus dem Register entfernt
- keine Offenbarung (§53 Abs. 1 BZRG)
- grundsätrzliches Verwertungsverbot (§51 Abs. 1, §63 Abs. 4 BZRG)

Nun zu meinen fragen:
1. wie würde das DERZEITIGE pol. Führungszeugnis aussehen? sind dort einträge vorhanden?
2. erhalten bei bewerbungen an öffentliche stellen (z.b. polizei, justiz, o.ä.) diese ein anderes führungszeugnis, in dem sämtliche verurteilungen enthalten sein?
3. ab wann ist das Führungszeuignis komplett eintragsfrei? ("keine eintragungen")
4. Kann Person XXX sämtliche Arbeitsstellen, insb. Justizdienst antreten, oder welche sind auisgeschlossen?
5. Person ABC hat sich im Justizdienst beworben und wurde zum Einstellungstest eingeladen. Wie sieht, sollte das normale Führungszeugnis bzw. Bundeszentralregistrauszug eintragungsfrei sein, es mit einer persönlichen Sicherheitsüberprüfung aus, welche (meines Wissens) bei einer solchen Arbeitsstelle wohl standard ist (?)
6. Eure Meinung: Nachdem ABC seit Bewährungsaussetzung ein unbescholtenes Leben führt- wie stehen die Chancen auf eine Einstellung? Gibt es diesbezüglich konkrete gesetzliche Vorgaben?

Ich danke euch für eure hilfe.

Beste Grüße

HL
ExDevil67
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von ExDevil67 »

henribz hat geschrieben: 1. wie würde das DERZEITIGE pol. Führungszeugnis aussehen? sind dort einträge vorhanden?
Die Antwort dürfte davon abhängen wer das Führungszeugnis beantragt. Da gibt's nämlich 2 Varianten. Eine private die jeder selber beantragen kann und eine Behördenvariante die auch afair tlw mehr Daten enthält.

Ggf mal beim eigenen Einwohnermeldeamt, oder wie auch immer das bei einem vor Ort heißt, nachfragen. Evtl haben die ja eine Möglichkeit auch eine behördliche Fassung zu bestellen. Da gibt es auf jeden Fall die Variante das das nicht direkt an die bestellende Behörde geht sondern man selber sich das vorher angucken kann um dann entscheiden zu können darf weitergegeben werden oder nicht.
Tom Ate
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von Tom Ate »

Zu Nr 2
Die Frage bei Bewerbungen bei Polizei ist, ob schon ermittelt wurde.
Diese Frage muss ehrlich beantwortet werden
J.A.
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von J.A. »

ExDevil67 hat geschrieben:
henribz hat geschrieben: 1. wie würde das DERZEITIGE pol. Führungszeugnis aussehen? sind dort einträge vorhanden?
Die Antwort dürfte davon abhängen wer das Führungszeugnis beantragt. Da gibt's nämlich 2 Varianten. Eine private die jeder selber beantragen kann und eine Behördenvariante die auch afair tlw mehr Daten enthält.
Grundsätzlich richtig. Die Unterschiede sind aber minimal. Hauptsächlich geht es dabei um Straftaten in Zusammenhang mit einer Gewerbeausübung. Bzw. beim sog. "erweiterten" Führungszeugnis um Sexualstraftaten ab einer gewissen Urteilshöhe.

Der wirkliche Unterschied besteht zwischen Führungszeugnis und der sog. "unbeschränkten BZR-Auskunft" (das ist noch mal was anderes als ein behördliches Führungszeugnis)
m jahr 2016 (etwa Juni 2016) wurde ein entsprechendes Strafregister beim Bundesamt für Justiz beantragt. In diesem stand (zusammengefasst folgendes):

[...]
...was eigentlich nicht sein kann, wenn man die mitgeteilten Fakten zugrundelegt. Denn dann wäre § 46, Abs. 1, Nr. 1e iVm. Abs. 3, 1. Alt. BZRG einschlägig, was eine Tilgungsfrist von 8 Jahren bedeuten würde. Somit Auskunftssperre erst 2017 und entgültige Entfernung (des Eintrags - nicht der Person) 2018. Zu einem Fristablauf in 2016 käme man nur unter den Voraussetzungen des § 46, Abs. 1, Nr. 1f BZRG. Dazu brächte es aber eine Beseitigung des Strafmakels nach JGG (das ist nicht identisch mit dem Straferlass der Reststrafe, sondern was anderes). Automatisch erfolgt eine Beseitigung des Strafmakels nur bei einer Reststrafenaussetzung, wenn die ursprüngliche (Jugend-)strafe nicht höher als 2 Jahre war [vgl. § 100 JGG]. Hier müßte also eine gesonderte Strafmakelbeseitigung stattgefunden haben [vgl. § 97, Abs. 1 JGG]. Das ist jedoch im absoluten Regelfall erst 2 Jahre nach Erlass der Reststrafe möglich [vgl. § 97, Abs. 2 JGG], also hier frühestens im Sommer 2017. Einen wie o.g. BZR-Auszug aus 2016 kann es daher eigentlich nicht geben, mit einer einzigen Ausnahme: § 97 Abs. 2 Satz 1 JGG. Wenn sich der Verurteilte "besonders würdig" gezeigt hat, kann die Beseitigung des Strafmakels auch schon vor Ablauf von 2 Jahren nach Reststraferlass durch jugendrichterliche Entscheidung erfolgen. Im Sachverhalt ist von Beseitigung des Strafmakels allerdings keine Rede.

Zu den einzelnen Fragen:

1. Nein, in ein Führungszeugnis war die Einheitsjugenstrafe seit 2015 nicht mehr aufzunehmen [§ 34, Abs. 1, Nr. 1d iVm. Abs. 3, Satz 1 BZRG]

2. Die in § 41 BZRG genannten Stellen erhalten eine unbeschränkte BZR-Auskunft. Siehe Einleitung oben. Selbst bei ungünstigster Auslegung besteht aber seit 2017 eine Auskunftssperre hinsichtlich der Verurteilung.

3. siehe 1. (wobei Führungszeugnis nicht = BZR-Vollauskunft ist). Das BZR selbst ist -bei ungünstigster Auslegung- 2018 sauber. Urteilsdatum aus 2009 + 8 Jahre Frist + 1 Jahr Überliegefrist.

4. De jure dürfte keine (mehr) ausgeschlossen sein, de facto sicherlich schon, wenn die Verurteilung(en) bekannt wird/werden. Das ist ja nicht nur durch ein Führungszeugnis oder eine BZR-Vollauskunft möglich. Zumal das "grundsätzliche Verwertungsverbot" aus § 51 BZRG nicht besteht, wenn es um Einstellung in den öffentlichen Dienst geht, vgl. § 52, Abs. 1, Nr. 4 BZRG.

5. Eine Überprüfung nach SÜG könnte hier in der Tat der Genickbrecher sein.

6. Wenn die Verurteilung(en) irgendwie herauskommen, sei es durch eine Überprüfung nach SÜG oder sonstwie, dürfte eine eine Einstellung in den Justizdienst keinerlei Chance haben. Im Übrigen gibt es auch "Selbstauskünfte" in denen schon nach "jemals anhängigen Ermittlungsverfahren" gefragt wird. Ob diese Frage wahrheitsgemäß beantwortet werden muss, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Eine Falschbeantwortung (die später herauskommt) kann im Einzelfall zur Entfernung aus dem Dienst führen, wenn sie hätte wahrheitsgemäß hätte beantwortet werden müssen ( ob das der Fall ist, müssen und mussten in der Vergangenheit schon oftmals Gerichte entscheiden).
Aus "Stilblüten der Justiz":
"Die Reifeverzögerung des heranwachsenden Angeklagten ist dermaßen ausgeprägt, dass er in seiner Entwicklung einem Jugendrichter gleichzustellen ist"
henribz
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von henribz »

2007 erste Verurteilung + 8 Jahre + 1 Jahr überliegefrist = 2016.
Ist ja auch nicht so wichtig, Fakt ist, es ist alles sauber.

Wird so eine sicherheitsüberprüfung bereits im Vorfeld standardmäßig bei einem zur Einstellung vorgesehenen durchgeführt oder nur in begründetem Verdacht, oder grundsätzlich oder Stichprobenartig oder wie läuft sowas ab?

Die Frage nach vorstrafen o.ä. in dem entsprechenden Fragebogen dürfte ich wohl zweifelsfrei mit nein beantworten dürfen. Daraus dürfte mir wohl kein Strick gedreht werden können. Bleibt die süg...
webelch
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von webelch »

edit: fehlposting
Zuletzt geändert von webelch am 01.03.18, 07:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von webelch »

henribz hat geschrieben:Die Frage nach vorstrafen o.ä. in dem entsprechenden Fragebogen dürfte ich wohl zweifelsfrei mit nein beantworten dürfen.
Das dürfte darauf ankommen, was in der Frage mit "o.ä." gemeint ist. Ein Beispiel wurde ja schon gegeben. Natürlich wissen mögliche sicherheitssensitive AG des ÖD über die Löschfristen und fragen deshalb auch nach Dingen, die in den Auskünften so nicht mehr für "Hans und Franz" als Arbeitgeber sichtbar sind. Eine mögliche Sicherheitsüberprüfung wird, so meine Erfahrung, meist schon in der Stellenausschreibung erwähnt.
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von ExDevil67 »

henribz hat geschrieben:Die Frage nach vorstrafen o.ä. in dem entsprechenden Fragebogen dürfte ich wohl zweifelsfrei mit nein beantworten dürfen. Daraus dürfte mir wohl kein Strick gedreht werden können.
Da wäre ich vorsichtig.
Die Polizei zum Beispiel verfügt über eigene Datenbanken, würde mich wundern wenn die ihre Bewerber nicht auch anhand der eigenen Systeme überprüfen. Nur das in den dortigen Systemen andere Löschfristen, gefühlt nie, gelten. Und bis man das ggf durchgeklagt hat, dürften schnell einige Jahre rum sein.
Deputy
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von Deputy »

henribz hat geschrieben:Die Frage nach vorstrafen o.ä. in dem entsprechenden Fragebogen dürfte ich wohl zweifelsfrei mit nein beantworten dürfen. Daraus dürfte mir wohl kein Strick gedreht werden können.
Bei Erwachsenen werden entsprechende Einträge bei der Polizei grundsätzlich 10 Jahre gespeichert; je nach Art der Bewerbung werden diese Systeme auch abgefragt.
J.A.
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Re: *** Vorstrafe gelöscht? Staatsdienst möglich? ***

Beitrag von J.A. »

henribz hat geschrieben:2007 erste Verurteilung + 8 Jahre + 1 Jahr überliegefrist = 2016.
Ja, stimmt. Bei einer Einheitsjugendstrafe gilt das selbe wie bei einer nachträglichen Gesamtstrafe im Erwachsenenrecht. Das Urteilsdatum der ältesten einbezogenen Strafe setzt den Fristbeginn, nicht das Datum der Gesamtstrafenbildung. Hatte ich gestern nicht auf dem Schirm, dass das auch bei einer Jugendstrafe so ist.
Wird so eine sicherheitsüberprüfung bereits im Vorfeld standardmäßig bei einem zur Einstellung vorgesehenen durchgeführt
Kommt auf die Stelle an. Bei einer Küchenhilfe in der Landgerichtskantine eher nicht. Beim Leiter des Sicherheitsdienstes einer JVA mit 100%iger Sicherheit. ... um mal 2 Extrembeispiele zu nennen.

Die Frage nach vorstrafen o.ä. in dem entsprechenden Fragebogen dürfte ich wohl zweifelsfrei mit nein beantworten dürfen.
Nee, zweifelsfrei ist das nicht zweifelsfrei so. Auch hier kommt es auf die konkrete Stelle an. Gibt einige obergerichtliche Rechtsprechung dazu. Einfach mal googlen.
Die Polizei zum Beispiel verfügt über eigene Datenbanken, würde mich wundern wenn die ihre Bewerber nicht auch anhand der eigenen Systeme überprüfen. Nur das in den dortigen Systemen andere Löschfristen, gefühlt nie, gelten. Und bis man das ggf durchgeklagt hat, dürften schnell einige Jahre rum sein.
Richtig. Bei der Polizei gibt es nur Aussonderungsprüffristen, keine festen Löschfristen. Bei Erwachsenen (ab 18, nicht ab 21 wie nach jugendrechtlicher Lesart) beträgt die 10 Jahre. Das heisst, nach 10 Jahren wird erstmalig geprüft, ob gelöscht werden kann. Und dort setzt der neueste Eintrag den Fristbeginn.

Daneben gibt es auch noch die (zentralen) Haftdateien der Bundesländer, wo jegliche strafrechtliche Freiheitsentziehung gespeichert wird. Die Löschfristen dort sind mir nicht bekannt.

Zwar werden dieses Dateien -offiziell- nicht für Bewerbungsverfahren genutzt, aber inoffiziell sehr wohl. Und aufgrund der Ausnahme vom Verwertungsverbot ist es auch mehr oder weniger egal, wie die Behörde Kenntnis von einer Verurteilung erlangt. Auch der "Buschfunk" reicht aus. Selbst im engeren Bekanntenkreis erlebt.
Aus "Stilblüten der Justiz":
"Die Reifeverzögerung des heranwachsenden Angeklagten ist dermaßen ausgeprägt, dass er in seiner Entwicklung einem Jugendrichter gleichzustellen ist"
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