Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

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myLord
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von myLord »

hawethie hat geschrieben: 07.05.21, 11:47 was hat Zivilrecht mit Strafrecht zu tun?
Entgegengesetzte Frage: Wieso nicht? Zwei Seiten und ein Richter entscheidet.
hawethie hat geschrieben: 07.05.21, 11:47du meinst als, die StA begeht Aktenmanipulation... (Schreiben des RA nicht in Akte)
Hm? Ich dachte, wir lassen diesen Fall nun außen vor, oder was meinen Sie?
Nein ich meine damit, dass die STA ihre Anklage schreibt. Und diese Anklage beinhaltet doch relativ häufig eine Geschichte, die der STA sich aus den Fingern saugt. Ich habe mir in der Zeit vor Corona einige (an die 120) Strafrechtsprozesse (und OWi) (Ein Amtsgericht, unterschiedliche Richter und STA) angeschaut. Sowohl bei Fällen, in denen es zu einer Verurteilung kam, als auch bei Freisprüchen waren die Vorwürfe in der Anklage oft falsch.

Und was wird der Richter prüfen? Passt die Anklage irgendwie zur Akte? Jo, passt. Winke ich durch...
Und wer jetzt sagt: Ja, der Richter prüft alles ganz genau.... Nope... Habe meinen Glauben mittlerweile dran verloren... So oft wie man sieht, dass Richter einfach alles Durchwinken, was denen auf den Tisch kommt. Seien es HD, Telefonüberwachungen, etc. Alle berufen sich auf den Richtervorbehalt, doch der ist auch nichts wert, wenn der Richter einfach seine Unterschrift unter einen HD-Beschluss setzen muss und bei einer Ablehnung Text schreibt.
Jim Panse hat geschrieben: 07.05.21, 11:57 Glauben Sie ernsthaft, dass der Staatsanwalt dem Vergewaltiger, der erst nach 199 Minuten Aktenstudium und Ermittlungsarbeit identifiziert werden kann, nun mitteilt, dass er straffrei ausgehen wird, da die vorgesehene Bearbeitungszeit von 200 Minuten leider nicht mehr ausreicht, um die Anklageschrift zu schreiben?
Darf ich noch einmal daran erinnern um was es geht? Es geht um die Verteidigung mit: (Provokativ geschrieben) Lieber STA, schau mal nach links, schau mal nach rechts. Da sind noch Aktenberge. Bevor du jetzt die 130 Minuten Aktenstudium darauf verschwendest herauszufinden, ob der Betrug, KV, BtM oder was auch immer mit unklaren Beweisen am Ende vor Gericht in einer Verhandlung halten, bearbeite doch einfach mal andere Fälle, die statistisch zu einer Verurteilung führen, bzw. bei denen der Strafbefehl akzeptiert wird.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von myLord »

hawethie hat geschrieben: 07.05.21, 11:47 du meinst als, die StA begeht Aktenmanipulation...
Ich möchte hier noch einmal auf eine andere Geschichte eingehen. Hier geht es zwar primär um die Kommunikation zwischen POL und STA, zeigt aber deutlich wie gearbeitet wird.

Tatsache: Beim Beschuldigten werden zwei Briefumschläge mit insg. 6.000€ gefunden. Der Beschuldigte legt ein Kontoauszug vor, auf dem zu sehen ist, dass das Geld abgehoben wurde. Der Kontostand lässt vermuten, dass die 6k eher Peanuts sind. Steht auch so in der Ermittlungsakte.

An die STA und in dem Vermerk bzw. Abschlussvermerkt (Ermittlungsakte) steht: "Es wurden einige Briefumschläge mit einer größeren Geldsumme aufgefunden." - Der Rest wurde weggelassen um eine HD (BtM Geschichte) zu rechtfertigen.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von Fragender500 »

Ich war letztes Jahr Zuschauer einer Verhandlung und da der Angeklagte arbeitslos war konnten sich die Staatsanwalt und Richter sich auf keine Geldstrafe einigen. Der Richter hat wirklich gebettelt das der Angeklagte ihn sagt wie er sich die Strafe vorstellt. Der Richter war total überfordert, das sind alles Typen. Ich konnte nicht mehr vor lachen.
Zuletzt geändert von Fragender500 am 07.05.21, 13:43, insgesamt 1-mal geändert.
J.A.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von J.A. »

darf ich mal fragen, wieso viele RA versuchen ein Strafverfahren im Ermittlungsverfahren zu beenden?
Um eine mögliche Verurteilung zu vermeiden ... in aller Regel.
So verlangen zwei bekannte RA ca. 500€.
Günstige Anwälte... Die Mittelgebühr nach RVG läge bei rd. 830,00 EUR.
Und wenn die STA im Ermittlungsverfahren das Verfahren eingestellt, ist die Kohle ja in jedem Fall (oder nicht?) weg.
Die für einen Anwalt = Ja
Wenn man weiß, dass am Ende eh nur ein Freispruch rauskommen kann.
Wenn man das weiß, weiß auch die StA -jedenfalls in der Regel- dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung bei unter 50% liegt. Und dann stellt sie von sich aus ein. Damit hat man auch die RA-Kosten an der Backe. Und verhindern kann man die Einstellung auch nicht als Beschuldigter, bzw. dessen RA (ausg. eine nach § 153a StPO)
Wieso schreibt kein RA so etwas wie (jetzt mal etwas übertrieben ausgedrückt):
Komm, klage den Beschuldigten doch an. Vor Gericht kann ich beweisen, dass der Mandant unschuldig ist.
Sowas muss er gar nicht schreiben. Er kann ja einfach abwarten, ob die StA anklagt. Wenn sich im Ermittlungsverfahren zur Sache eingelassen wird, wäre übrigens auch noch § 467 Abs. 3 Satz 2, Nr. 1 StPO beachtenswert in diesem Zusammenhang.
Zuletzt geändert von J.A. am 07.05.21, 14:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von J.A. »

Richter einfach alles Durchwinken, was denen auf den Tisch kommt. Seien es HD, Telefonüberwachungen, etc.
Das ist verglichen mit der Zulassung einer Anklage ein Äpfel-Birnen-Vergleich, da z.B. eine HD an ganz andere (niedrigere) Voraussetzungen gebunden ist, als die Zulassung einer Anklage. Und beim Strafbefehl wird -bekanntermaßen- nur überschlägig geprüft. Ich wüßte jetzt nicht, wer hier was anderes behauptet hat.
Lieber STA, schau mal nach links, schau mal nach rechts. Da sind noch Aktenberge. Bevor du jetzt die 130 Minuten Aktenstudium darauf verschwendest herauszufinden, ob der Betrug, KV, BtM oder was auch immer mit unklaren Beweisen am Ende vor Gericht in einer Verhandlung halten, bearbeite doch einfach mal andere Fälle, die statistisch zu einer Verurteilung führen, bzw. bei denen der Strafbefehl akzeptiert wird.
Abgesehen davon, dass das §§ 152, 170(1) StPO widerspräche, sollte man also nur noch Fälle anklagen, die 100%ig zu einer Verurteilung führen?
An die STA und in dem Vermerk bzw. Abschlussvermerkt (Ermittlungsakte) steht: "Es wurden einige Briefumschläge mit einer größeren Geldsumme aufgefunden." - Der Rest wurde weggelassen um eine HD (BtM Geschichte) zu rechtfertigen.
Warum sollte eine HD nicht gerechtfertigt sein, wenn man den Rest dazugeschrieben hätte? Für eine HD reicht ein Anfangsverdacht.
Zuletzt geändert von J.A. am 07.05.21, 13:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von J.A. »

Fragender500 hat geschrieben: 07.05.21, 13:42 ... da der Angeklagte arbeitslos war konnten sich die Staatsanwalt und Richter sich auf keine Geldstrafe einigen.

Der Richter war total überfordert, das sind alles Typen. Ich konnte nicht mehr vor lachen.
In meinem LG-Bezirk werden auch Arbeitslose regelmäßigst zu Geldstrafen verurteilt. In allen anderen auch. Außerdem gibt's da gar nichts zu "einigen" zwischen StA und Gericht. Urteile sind nicht zustimmungspflichtig seitens der StA.

Und wie man daraus, dass "ein" Richter (mglw.) "überfordert" war schließen mag, dass "das alles Typen" sind, erschließt sich mir auch nicht so recht.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von myLord »

J.A. hat geschrieben: 07.05.21, 13:43 Wenn man das weiß, weiß auch die StA -jedenfalls in der Regel- das die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung bei unter 50% liegt. Und dann stellt sie von sich aus ein. Damit hat man auch die RA-Kosten an der Backe. Und verhindern kann man die Einstellung auch nicht als Beschuldigter, bzw. dessen RA (ausg. eine nach § 153a StPO)
Das würde aber voraussetzen, dass die StA alles weiß.

Konstruieren wir doch einfach mal einen Fall:

Ermittlungsverfahren
A sagt am 01.02.2020 (also einen Monat nach der Tat), B hätte A am 01.01.2020 vergewaltigt.
Zeuge 1 sagt: Ja, ich habe gesehen, wie A und B auf ein Zimmer gegangen sind.
Zeuge 2 sagt: Ich habe aus dem Zimmer Schreie gehört, dachte mir aber nichts bei.
Zeuge 3 sagt: Ich habe gehört, wie B mit der Vergewaltigung von A angegeben hat.
Weitere Beweise sind zerrissene Wäsche und Fotos von Hämatomen.

B sagt zur Tat nichts.

Die StA wird hier ganz sicher sagen: Geil, saubere Geschichte. B wird angeklagt.

Verhandlung
B bringt vor, dass er am fraglichen Zeitpunkt in einer Disco am anderen Ende der Welt war. Auf der Website der Disco sind die Fotos zu sehen, auf denen B drauf ist. Fotograf und evtl. Gutachter bestätigen, dass die Fotos nicht manipuliert sind und tatsächlich an dem Ort und zu der Zeit entstanden sind.


Was kann es anderes ergeben, als einen Freispruch?
Es geht ja nicht ums Verhindern einer Einstellung, sondern z.B. um das Vorenthalten von entlastenden Beweisen bis zur Anklage. Bzw. damit im Ermittlungsverfahren zu "spielen":

StA - Klage mich an und dir fliegt das Verfahren um die Ohren!
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von J.A. »

Das würde aber voraussetzen, dass die StA alles weiß.
Das würde voraussetzen, dass nach Aktenlage eine Verurteilungswahrscheinlichkeit von min. 51% besteht, der sog. "hinreichende Tatverdacht", der Voraussetzung für eine Anklageerhebung ist.
Die StA wird hier ganz sicher sagen: Geil, saubere Geschichte. B wird angeklagt.
Gut möglich - je nachdem wie substantiiert die Aussage von A ist, sowie der konkretere Inhalt der Zeugenaussagen und deren Glaubwürdigkeit, vor allem die von Z2 und Z3. Und ob das alles auch untereinander noch stimmig ist, bzw. jedenfalls nicht komplett unstimmig.
Verhandlung
B bringt vor, dass er am fraglichen Zeitpunkt in einer Disco am anderen Ende der Welt war. Auf der Website der Disco sind die Fotos zu sehen, auf denen B drauf ist. Fotograf und evtl. Gutachter bestätigen, dass die Fotos nicht manipuliert sind und tatsächlich an dem Ort und zu der Zeit entstanden sind.


Was kann es anderes ergeben, als einen Freispruch?
Ich wüßte jetzt nicht, wie man das mit der Fotomanipulation hieb- und stichfest beweisen könnte, aber egal, es ist ja klar um was es eigentlich gehen soll: Der B kann -wie auch immer- zweifelsfrei beweisen, dass er nicht der Täter gewesen sein kann.

Dann ist es halt so. Dann haben sowohl die A, als auch alle Zeugen eine falsche Verdächtigung und ggf. eine uneidliche Falschaussage (die "Nicht-Opfer-Zeugen" ggf. einen Meineid) hingelegt und der Angeklagte wird freigesprochen. Was soll daran jetzt -an sich- irgendwie merkwürdig sein? Jeden Tag werden Angeklagte freigesprochen. Oder soll dieser konstruierte Fall ein Beispiel für diejenigen Fälle sein, die man bei "unklaren Beweislagen" besser von vornherein nicht anklagen sollte? Dann frage ich mich, was man überhaupt noch anklagen sollte?! Nur Fälle mit geständigen Beschuldigten oder wenn der Beschuldigte unter Anwesenheit von 100 Zeugen auf frischer Tat erwischt wurde? Außerdem ist auch kein Grund ersichtlich, warum der Beschuldigte sich nicht schon im Ermittlungsverfahren entlasten sollte. Weil er an nichts anderes denkt, als an die Anwaltskosten, die er nicht erstattet bekommt?! Glaub mir, der Vergewaltigung beschuldigte haben andere Sorgen.

Davon abgesehen: Wenn der Beschuldigte bereits im Ermittlungsverfahren so einfach und zweifelsfrei beweisen kann, nicht der Täter der (ggf. gar nicht stattgefundenen) Tat gewesen sein zu können, bräuchte er auch gar keinen Anwalt. Davon wiederum abgesehen wäre dies einer der Fälle, wo die Anwaltskosten zivilrechtlich gegen A und ggf. auch gg. die lügenden Zeugen geltend gemacht werden könnten.
StA - Klage mich an und dir fliegt das Verfahren um die Ohren!
Wenn man davon angetrieben ist, der StA (vermeintlich) Schaden zu wollen/können, wäre dies ein Fall, der sich dazu eignen würde. Sicherlich. Wie oft mag der vorkommen, im real-life? Und selbst in den 0,XX%-Fällen, wo es vorkommt: Wie oft wird ein Beschuldigter in einem Verfahren, wo mit nicht geringer Wahrscheinlich U-Haft ansteht, lieber boshaft schweigen und die U-Haft hinnehmen, um der StA -vermeintlich- eins auswischen zu können?! Solche Geschichten taugen vielleicht für einen Krimi ... oder für die Psychiatrie. Mit der Lebenswirklichkeit hat das wie gesagt in 0,XX% aller Fälle zu tun.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von myLord »

J.A. hat geschrieben: 07.05.21, 14:31 Oder soll dieser konstruierte Fall ein Beispiel für diejenigen Fälle sein, die man bei "unklaren Beweislagen" besser von vornherein nicht anklagen sollte? Dann frage ich mich, was man überhaupt noch anklagen sollte?!
...
Was in diesem Zusammenhang das Thema Anwaltskosten angeht: Wenn der Beschuldigte bereits im Ermittlungsverfahren so einfach und zweifelsfrei beweisen kann, nicht der Täter der (ggf. gar nicht stattgefundenen) Tat gewesen sein zu können, bräuchte er auch keinen Anwalt.
Okay, mein Fehler.
Gehen wir mal einen Schritt zurück.

1) Was bekommt denn der Beschuldigte? "Sehr geehrter B, im Ermittlungsverfahren wg. Vergewaltigung ist beabsichtigt, Sie als Beschuldigten zu hören." Termin Bla bla....

Oder wie bei mir: Telefonanruf, POL ist dran: Sie sind Beschuldigter, möchten Sie etwas sagen? Termin ja / nein... Bitte entscheiden Sie JETZT!
Und das nächste, was ich gehört habe, war ein Strafbefehl.

Dem Beschuldigten stehen also absolut keine Fakten zur Verfügung. Er hat keine Ahnung, wer ihn beschuldigt, wie wo was gesagt hat. Und bei einer Akteneinsicht durch den Beschuldigten bekommt er IMHO auch nicht die komplette Ermittlungsakte, sondern eine Zusammenstellung.

2) Sage wir mal, dass B dennoch Akteneinsicht hatte und den Inhalt der Beschuldigung kennt. Nehmen wir jetzt mal an, dass B jetzt auf diese Aufforderung eine schriftliche Stellungnahme abgibt, die wie folgt aussieht:

"Hey StA, Bro! Ich habe niemanden vergewaltigt! A lügt! Und kA was die Zeugen da so gehört haben wollen. Bro, ich gebe dir einen Rat, stell das Verfahren ein. Ich kann beweisen, dass ich unschuldig bin, ich schwör! Aber ich habe einige Gründe, diese Beweise jetzt zurück zu halten. Wenn du mich aber anklagst, veröffentliche ich alles. Und dann hast du deine Zeit umsonst verbraten. Und hast noch einen verlorenen Fall. So, jetzt komm, stell das Verfahren ein und hole dir die nächste Beleidigungs-Akte auf den Tisch! Hast mehr von! LG"
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von myLord »

J.A. hat geschrieben: 07.05.21, 14:31 Wenn man davon angetrieben ist, der StA (vermeintlich) Schaden zu wollen/können, wäre dies ein Fall, der sich dazu eignen würde. Sicherlich. Wie oft mag der vorkommen, im real-life?
Es geht ja nicht darum, der StA schaden zu wollen. Es geht darum sich mit der Methode zu verteidigen. Analog zum "Mimimi... Wenn Sie das nicht machen, dann gehe ich zu meinem Anwalt." im Zivilrecht.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von hambre »

2) Sage wir mal, dass B dennoch Akteneinsicht hatte und den Inhalt der Beschuldigung kennt. Nehmen wir jetzt mal an, dass B jetzt auf diese Aufforderung eine schriftliche Stellungnahme abgibt, die wie folgt aussieht:

"Hey StA, Bro! Ich habe niemanden vergewaltigt! A lügt! Und kA was die Zeugen da so gehört haben wollen. Bro, ich gebe dir einen Rat, stell das Verfahren ein. Ich kann beweisen, dass ich unschuldig bin, ich schwör! Aber ich habe einige Gründe, diese Beweise jetzt zurück zu halten. Wenn du mich aber anklagst, veröffentliche ich alles. Und dann hast du deine Zeit umsonst verbraten. Und hast noch einen verlorenen Fall. So, jetzt komm, stell das Verfahren ein und hole dir die nächste Beleidigungs-Akte auf den Tisch! Hast mehr von! LG"
Wenn B dann die Beweise im Verfahren auf den Tisch legt, wird das mit ziemlicher Sicherheit zu einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO führen. Mit nur ein klein wenig Pech wird der Richter auf diese Zurückhaltung von Beweisen nach § 467 Abs. 4 StPO davon absehen, die Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Dann hätte B mit Rosinen gehandelt.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von Fragender500 »

J.A. hat geschrieben: 07.05.21, 13:57
Fragender500 hat geschrieben: 07.05.21, 13:42 ... da der Angeklagte arbeitslos war konnten sich die Staatsanwalt und Richter sich auf keine Geldstrafe einigen.

Der Richter war total überfordert, das sind alles Typen. Ich konnte nicht mehr vor lachen.
In meinem LG-Bezirk werden auch Arbeitslose regelmäßigst zu Geldstrafen verurteilt. In allen anderen auch. Außerdem gibt's da gar nichts zu "einigen" zwischen StA und Gericht. Urteile sind nicht zustimmungspflichtig seitens der StA.

Und wie man daraus, dass "ein" Richter (mglw.) "überfordert" war schließen mag, dass "das alles Typen" sind, erschließt sich mir auch nicht so recht.
Das war aber so. Der Richter wußte nicht was er den geben könnte, da er eh kein Geld hatte.

Ich denke mal der Richter war in einer Zwickmühle, da er den Angeklagten auch in keine Ersatzfreiheitsstrafe sehen wollte.

Egal was Sie denken, Gerichte spielen oft auch mit dem Recht, basta und aus.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von J.A. »

Was bekommt denn der Beschuldigte? "Sehr geehrter B, im Ermittlungsverfahren wg. Vergewaltigung ist beabsichtigt, Sie als Beschuldigten zu hören." Termin Bla bla....
Naja, was sollte er denn sonst bekommen nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens? Die Alternative wäre die Abholung zu Hause = Festnahme.
Näheres zum Tatvorwurf erfährt er dann beim Termin oder per Akteneinsicht (für die man auch seit einigen Jahren schon keinen Anwalt mehr braucht, oder alternativ, wenn's stressfrei sein soll, einen RA mit bloßer Akteneinsichtsanforderung beauftragt. Gibt's für um die 70,00 EUR)
Oder wie bei mir: Telefonanruf, POL ist dran: Sie sind Beschuldigter, möchten Sie etwas sagen? Termin ja / nein... Bitte entscheiden Sie JETZT!
Auch hier muss man der Bitte keine Folge leisten. Man kann jederzeit Angaben zur Akte reichen. Selbst wenn man sich zunächst direkt für "nein" entschieden hat.
Und das nächste, was ich gehört habe, war ein Strafbefehl.
Das ist dann ja so gesehen gut, da die dann etwaigen Anwaltskosten von der Staatskasse übernommen werden, wenn in der Hauptverhandlung die nach dem Einspruch (den man als Unschuldiger natürlich einlegen sollte) gegen den SB ein Freispruch rauskommt.
"Hey StA, Bro! Ich habe niemanden vergewaltigt! A lügt! Und kA was die Zeugen da so gehört haben wollen. Bro, ich gebe dir einen Rat, stell das Verfahren ein. Ich kann beweisen, dass ich unschuldig bin, ich schwör! Aber ich habe einige Gründe, diese Beweise jetzt zurück zu halten. Wenn du mich aber anklagst, veröffentliche ich alles. Und dann hast du deine Zeit umsonst verbraten. Und hast noch einen verlorenen Fall. So, jetzt komm, stell das Verfahren ein und hole dir die nächste Beleidigungs-Akte auf den Tisch! Hast mehr von! LG"
Und von dieser schlichten Behauptung sollte sich der "StA-Bro" beeindrucken lassen? Oder was ist gemeint? O.K., dann behauptet ab sofort jeder Beschuldigte, dass er umunstößliche Unschuldsbeweise hat, was dann zur Folge hat, dass der "StA-Bro" aus Angst vor "noch einem verlorenen Fall" den Sch.... einzieht. Klasse Taktik. Gibt's keine Verurteilungen mehr, außer in 1000% wasserdichten Fällen.
Es geht darum sich mit der Methode zu verteidigen. Analog zum "Mimimi... Wenn Sie das nicht machen, dann gehe ich zu meinem Anwalt." im Zivilrecht.
Die Methode gibt's so im Strafrecht halt nicht. Und auch im Zivilrecht allenfalls bei hasenfüßigen Zeitgenossen, die sich, im Wissen im Recht zu sein, durch sowas ins Bockshorn jagen lassen.
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

Beitrag von J.A. »

Das war aber so. Der Richter wußte nicht was er den geben könnte, da er eh kein Geld hatte.
Dafür gibt die Umwandlung in gemeinnützige Arbeit. Oder Ratenzahlung (gar kein Geld hat niemand und wenn dann weil er keine Sozialleistungen beantragt - abgesehen davon, dass "derjenige" ja auch von irgendwas lebt). Mittellosigkeit des Angeklagten steht der Verurteilung eines Angeklagten zu einer Geldstrafe nicht entgegen. Und bei "dem" Richter ging's dann wohl eher nicht darum, dass er grds. nicht wußte, was er machen soll oder kann, sondern darum was im konkreten Fall die "passendste" Strafe wäre. Da kann man den Angeklagten in geeigneten Fällen auch durchaus in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Mit Überforderung hat das so rein gar nichts zu tun, sondern damit, dass der Richter Augenmaß beweist.

Was hat der "überforderte Richter" denn dann am Ende gemacht? Den Angeklagten trotz Schuldüberzeugung freigesprochen, weil er nicht wußte was er sonst hätte machen sollen?
Ich denke mal der Richter war in einer Zwickmühle, da er den Angeklagten auch in keine Ersatzfreiheitsstrafe sehen wollte.
Wie gesagt: Raten ... gemeinnützige Arbeit ...
basta und aus.
Na dann ... Häuptling "Verwirrt-mich-nicht-mit-Tatsachen-ich-habe-meine-feste-Überzeugung" hat gesprochen. Howgh :!: :mrgreen:
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Re: Wieso sollte man auf eine Einstellung im Ermittlungsverfahren hinarbeiten? STA drohen?

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hambre hat geschrieben:Wenn B dann die Beweise im Verfahren auf den Tisch legt, wird das mit ziemlicher Sicherheit zu einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO führen
Hmmm, hab ich was verpasst oder übersehen? Wo ist denn das für eine solche Einstellung notwendige schon gelaufene oder noch anstehende Bezugsverfahren?
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder

2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
Bei erwiesener Unschuld wäre -nach Zulassung der Anklage- übrigens freizusprechen und für eine wie auch immer geartete Einstellung rechtlich kein Raum.
Solange die Anklage noch nicht zugelassen ist, könnte die StA sie noch zurücknehmen und einstellen. § 156 StPO
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