Straftat in einem fiktionalen Text
Moderator: FDR-Team
Straftat in einem fiktionalen Text
Hallo,
in einem Schreibkurs möchte ich eine Kurzgeschichte beisteuern, in der ein Ereignis stattfindet, dessen kurze juristische Einschätzung mich interessieren würde. Sollte also jemand Zeit haben, nachfolgende fiktionale Nichtigkeit zu analysieren und vielleicht einen Satz dazu zu schreiben, wäre ich sehr dankbar für die Hilfe.
Ort: Schleswig-Holstein, Zeit: Frühling 1987, ca. 23 Uhr, Opfer und Täter (?) sind 17 Jahre alt, die 5 Zeugen 16 oder 17.
Während einer Schülerparty beschimpft der stark angetrunkene Schüler A einen Mitschüler B und wirft später im fast dunklen Garten ein Glas nach ihm, das seinen Kopf knapp verfehlt. Danach geht A, offenbar um B körperlich anzugehen, im Garten auf B zu. Dieser schubst A mit ausgestrecktem Arm leicht weg. A stolpert fällt nach hinten, stürzt mit dem Kopf auf einen Stein, verstirbt in derselben Nacht an der durch den Sturz verursachten Kopfverletzung. Die Zeugen, Mitschüler, beschließen zunächst zu verschweigen, dass B Schüler A geschubst hat und auszusagen, dass A ohne Fremdeinwirkung über einen anderen Stein, den sie selbst nachträglich in den Garten legen, gestolpert wäre. Später räumen sie während ihrer Anhörung als Zeugen ein, gelogen zu haben und schildern den wahren Hergang.
Fragen:
Ist es realistisch, dass die Zeugen von der Polizei vorgeladen/verhört werden?
Welche Strafe könnten die Zeugen erhalten?
Welche Strafe könnte Schüler B erhalten?
Danke im Voraus, freundliche Grüße
Andreas
in einem Schreibkurs möchte ich eine Kurzgeschichte beisteuern, in der ein Ereignis stattfindet, dessen kurze juristische Einschätzung mich interessieren würde. Sollte also jemand Zeit haben, nachfolgende fiktionale Nichtigkeit zu analysieren und vielleicht einen Satz dazu zu schreiben, wäre ich sehr dankbar für die Hilfe.
Ort: Schleswig-Holstein, Zeit: Frühling 1987, ca. 23 Uhr, Opfer und Täter (?) sind 17 Jahre alt, die 5 Zeugen 16 oder 17.
Während einer Schülerparty beschimpft der stark angetrunkene Schüler A einen Mitschüler B und wirft später im fast dunklen Garten ein Glas nach ihm, das seinen Kopf knapp verfehlt. Danach geht A, offenbar um B körperlich anzugehen, im Garten auf B zu. Dieser schubst A mit ausgestrecktem Arm leicht weg. A stolpert fällt nach hinten, stürzt mit dem Kopf auf einen Stein, verstirbt in derselben Nacht an der durch den Sturz verursachten Kopfverletzung. Die Zeugen, Mitschüler, beschließen zunächst zu verschweigen, dass B Schüler A geschubst hat und auszusagen, dass A ohne Fremdeinwirkung über einen anderen Stein, den sie selbst nachträglich in den Garten legen, gestolpert wäre. Später räumen sie während ihrer Anhörung als Zeugen ein, gelogen zu haben und schildern den wahren Hergang.
Fragen:
Ist es realistisch, dass die Zeugen von der Polizei vorgeladen/verhört werden?
Welche Strafe könnten die Zeugen erhalten?
Welche Strafe könnte Schüler B erhalten?
Danke im Voraus, freundliche Grüße
Andreas
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.
Gesetze sind eine misslungene Kreuzung aus dem Alphabet und einem Labyrinth.
"Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt" Zitat Goethe
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Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Ich tendiere eher zu StGb §32
The nine most terrifying words in the English language are, 'I'm from the government and I'm here to help.'
Ronald Reagan
40th president of US (1911 - 2004)
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Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Vielen Dank für die schnellen Antworten.
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Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Damit bewegen wir uns im Jugendstrafrecht (nach dem JGG).
Hier könnte Strafvereitelung nach § 258 StGB vorliegen.Andreas_J hat geschrieben: ↑13.05.23, 09:23 .... Die Zeugen, Mitschüler, beschließen zunächst zu verschweigen, dass B Schüler A geschubst hat und auszusagen, dass A ohne Fremdeinwirkung über einen anderen Stein, den sie selbst nachträglich in den Garten legen, gestolpert wäre. Später räumen sie während ihrer Anhörung als Zeugen ein, gelogen zu haben und schildern den wahren Hergang.
...
Eine Vorladung ist realistisch (hier sind aber auch die Personensorgeberechtigten/Eltern zu informieren).
Zur Strafe/Erziehungsmaßregeln: Hier verfügt das Jugendstrafrecht über eine vielfältige Auswahl von Reaktionen.
Bei B könnte eine Notwehrsituation vorliegen.
MfG
Dipl. Sozialarbeiter
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Vielen Dank für Ihre Antwort. Und gleich noch eine letzte Frage, falls dies gestattet ist: Angenommen, die Schülerparty ist auch eine Geburtstagsparty für B, der um Mitternacht volljährig wird und der Vorfall würde sich um 00 Uhr 30 ereignen und B wäre nach allgemeiner Beurteilung (Lehrer, Mitschüler) eine intelligente und für sein Alter reife Person. Würde sich B noch Jugendstrafrecht bewegen?Dipl.-Sozialarbeiter hat geschrieben: ↑13.05.23, 11:49Damit bewegen wir uns im Jugendstrafrecht (nach dem JGG).
MfG
Andreas Jensen
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Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Ja. Denn Jugendrecht ist auch auf Heranwachsende anwendbar (§105 JGG).Andreas_J hat geschrieben: ↑13.05.23, 12:52Angenommen, die Schülerparty ist auch eine Geburtstagsparty für B, der um Mitternacht volljährig wird und der Vorfall würde sich um 00 Uhr 30 ereignen und B wäre nach allgemeiner Beurteilung (Lehrer, Mitschüler) eine intelligente und für sein Alter reife Person. Würde sich B noch Jugendstrafrecht bewegen?
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Re: Straftat in einem fiktionalen Text
... und das Jugendamt ist mit im Boot (vgl. § 38 JGG und § 52 SGB VIII).
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Wenn B volljährig ist - und das ist er mit 18 - dann kann bis 21 das Jugendstrafrecht herangezogen werden, abhängig von verschiedenen Faktoren. Wenn B eine entsprechende Reife aufweist, kann auch Erwachsenenstrafrecht in Betracht kommen.Gammaflyer hat geschrieben: ↑13.05.23, 13:17Ja. Denn Jugendrecht ist auch auf Heranwachsende anwendbar (§105 JGG).Andreas_J hat geschrieben: ↑13.05.23, 12:52Angenommen, die Schülerparty ist auch eine Geburtstagsparty für B, der um Mitternacht volljährig wird und der Vorfall würde sich um 00 Uhr 30 ereignen und B wäre nach allgemeiner Beurteilung (Lehrer, Mitschüler) eine intelligente und für sein Alter reife Person. Würde sich B noch Jugendstrafrecht bewegen?
Die richtige Antwort ist also nicht "Ja", sondern "Möglicherweise".
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Vielen Dank für Ihre Antwort. Was StGB (und JGG) vorsehen, finde ich plausibel. Als Geschichtenschreiber bin ich natürlich an einem realistisch wirkenden, dramatischen Effekt interessiert, der darin bestehen könnte, dass B eine Haftstrafe antreten mussDeputy hat geschrieben: ↑14.05.23, 10:13Wenn B volljährig ist - und das ist er mit 18 - dann kann bis 21 das Jugendstrafrecht herangezogen werden, abhängig von verschiedenen Faktoren. Wenn B eine entsprechende Reife aufweist, kann auch Erwachsenenstrafrecht in Betracht kommen.Gammaflyer hat geschrieben: ↑13.05.23, 13:17Ja. Denn Jugendrecht ist auch auf Heranwachsende anwendbar (§105 JGG).Andreas_J hat geschrieben: ↑13.05.23, 12:52Angenommen, die Schülerparty ist auch eine Geburtstagsparty für B, der um Mitternacht volljährig wird und der Vorfall würde sich um 00 Uhr 30 ereignen und B wäre nach allgemeiner Beurteilung (Lehrer, Mitschüler) eine intelligente und für sein Alter reife Person. Würde sich B noch Jugendstrafrecht bewegen?
Die richtige Antwort ist also nicht "Ja", sondern "Möglicherweise".

Re: Straftat in einem fiktionalen Text
A hat also B bereits rechtswidrig angegriffen, zum einen dessen Ehre durch Beschimpfungen, zum anderen dessen körperliche Unversehrtheit durch den Wurf mit dem Glas, und setzt diese rechtswidrigen Angriffe auch fort, in dem er sich nähert, um gegen B körperliche Gewalt auszuüben. Mithin liegt eine Notwehrlage - gegenwärtiger rechtswidriger Angriff - vor.Andreas_J hat geschrieben: ↑13.05.23, 09:23 Ort: Schleswig-Holstein, Zeit: Frühling 1987, ca. 23 Uhr, Opfer und Täter (?) sind 17 Jahre alt, die 5 Zeugen 16 oder 17.
Während einer Schülerparty beschimpft der stark angetrunkene Schüler A einen Mitschüler B und wirft später im fast dunklen Garten ein Glas nach ihm, das seinen Kopf knapp verfehlt. Danach geht A, offenbar um B körperlich anzugehen, im Garten auf B zu. Dieser schubst A mit ausgestrecktem Arm leicht weg.
Ein leicher Schubser ist auch das mildeste Mittel, mit dem ein Erfolg - die Abwehr des Angriffs - sicher erzielt werden kann; genau genommen ist ein Erfolg sogar alles andere als sicher, so dass im Zweifel auch weniger mildere Mittel angewendet hätten werden dürfen. Die Notwehrhandlung war insofern auch erforderlich, so dass das Handeln des B durch Notwehr gerechtfertigt war.
In Betracht käme noch eine Einschränkung des Notwehrrechts aufgrund der starken Trunkenheit des Angreifers. Fraglich erscheint aber bereits, ob A tatsächlich so stark betrunken war, dass er schuldunfähig im Sinne von § 20 StGB war; das dürfte eher nicht der Fall sein, denn er wird nicht als "volltrunken", sondern nur als "stark angetrunken" geschildert. Gegen nur eingeschränkt schuldfähige Personen i.S.d. § 21 StGB ist Notwehr aber unbeschränkt zulässig. - Wollte man annehmen, dass A volltrunken und dies für B problemlos erkennbar war, wäre B (abweichend von dem Grundsatz, dass das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht) darauf verwiesen gewesen, nach Möglichkeit auszuweichen oder sich auf weniger gefährliche Abwehrmittel zu beschränken, wenn ihm dies ohne erhebliche eigene Gefahr möglich war. Ob eine solche Möglichkeit bestand, ist unklar; auch hat B bereits ein mildes Mittel gewählt.
Es spricht also im Ergebnis alles für eine berechtigte Notwehr durch B.
Diese Folgen sind bedauerlich, für die Strafbarkeit des B aber nicht von Bedeutung.
Freilich.Andreas_J hat geschrieben: ↑13.05.23, 09:23Die Zeugen, Mitschüler, beschließen zunächst zu verschweigen, dass B Schüler A geschubst hat und auszusagen, dass A ohne Fremdeinwirkung über einen anderen Stein, den sie selbst nachträglich in den Garten legen, gestolpert wäre. Später räumen sie während ihrer Anhörung als Zeugen ein, gelogen zu haben und schildern den wahren Hergang.
Fragen:
Ist es realistisch, dass die Zeugen von der Polizei vorgeladen/verhört werden?
Eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Strafvereitelung würde zunächst voraussetzen, dass es überhaupte eine Straftat - des B - gab. Diese sehe ich nicht. Ansonsten wäre bei Jugendlichen - zumal sie ihre Aussage ja später berichtigt habe - im Zweifel mit einer Verwarnung oder ggf. einer Arbeitsauflage zu rechnen.
B hat sich aller Voraussicht nach nicht strafbar verhalten.
Das wird man bei dieser Konstellation ziemlich sicher ausschließen können.
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
@th-h
Vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort.
Vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort.
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
@Andreas_J
Das hier ist ein offenes Forum; hier kann jeder schreiben, und hier schreiben auch - ohne jetzt auf etwas konkretes einzugehen - Personen, die sich einfach im Internet mal kurz was angelesen haben. Für einen Laien ist es da regelmäßig schwierig herauszufinden, was richtig und was falsch ist.
Vor etlicher Zeit wurde in diesem Forum geschrieben, dass sich die Polizei bei präventiven Maßnahmen natürlich auch an die Vorschriften der StPO zu halten habe - schließlich ginge es darum Straftaten zu verhindern, und die Polizeiarbeit bzgl. Straftaten sei in der StPO geregelt. Das klingt irgendwie logisch - ist aber komplett falsch.
Ebenso wurde hier schon geschrieben, dass die StPO (=Strafprozeßordnung) nur das Gerichtsverfahren betrifft, sämtliche polizeiliche Maßnahmen zur Strafverfolgung aber im Polizeirecht geregelt sind: sagt ja schon der Name. Das ist ebenso komplett falsch.
Wenn man da verlässliche Auskünfte haben will, dann muss man sich an jemand wenden, der das tatsächlich sicher weiß, zB einen Anwalt. Der will aber wahrscheinlich Geld dafür sehen. Qualität kostet eben...
Das hier ist ein offenes Forum; hier kann jeder schreiben, und hier schreiben auch - ohne jetzt auf etwas konkretes einzugehen - Personen, die sich einfach im Internet mal kurz was angelesen haben. Für einen Laien ist es da regelmäßig schwierig herauszufinden, was richtig und was falsch ist.
Vor etlicher Zeit wurde in diesem Forum geschrieben, dass sich die Polizei bei präventiven Maßnahmen natürlich auch an die Vorschriften der StPO zu halten habe - schließlich ginge es darum Straftaten zu verhindern, und die Polizeiarbeit bzgl. Straftaten sei in der StPO geregelt. Das klingt irgendwie logisch - ist aber komplett falsch.
Ebenso wurde hier schon geschrieben, dass die StPO (=Strafprozeßordnung) nur das Gerichtsverfahren betrifft, sämtliche polizeiliche Maßnahmen zur Strafverfolgung aber im Polizeirecht geregelt sind: sagt ja schon der Name. Das ist ebenso komplett falsch.
Wenn man da verlässliche Auskünfte haben will, dann muss man sich an jemand wenden, der das tatsächlich sicher weiß, zB einen Anwalt. Der will aber wahrscheinlich Geld dafür sehen. Qualität kostet eben...
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- Registriert: 06.10.04, 16:43
Re: Straftat in einem fiktionalen Text
Nein, ich hatte da niemand im Kopf - es ist nur ein allgemeiner Hinweis.
Professionale Recherche läuft eben nicht in einem offenen Internetforum; insbesondere nicht bei so einem Thema, wo sich völlig unproblematisch Experten finden lassen. Ich habe schon mehr als ein Buch gelesen, in welchem sich der Autor mit gewissen Sachen den Touch geben wollte, als ob er sich besonders gut auskennt, und dabei nur Internetmythen wiederholt hat, die bei jedem, der sich ein wenig damit auskennt, nur ein müdes Abwinken auslösen.
Professionale Recherche läuft eben nicht in einem offenen Internetforum; insbesondere nicht bei so einem Thema, wo sich völlig unproblematisch Experten finden lassen. Ich habe schon mehr als ein Buch gelesen, in welchem sich der Autor mit gewissen Sachen den Touch geben wollte, als ob er sich besonders gut auskennt, und dabei nur Internetmythen wiederholt hat, die bei jedem, der sich ein wenig damit auskennt, nur ein müdes Abwinken auslösen.
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