In bestimmten Fällen ist es möglich, dass ein Gericht in einem Strafprozess nicht nur ein Strafe gegen den Angeklagten verhängt, sondern auch dem Geschädigten ein Schmerzensgeld zuspricht, z.B. bei Körperverletzung. (=Adhäsionsverfahren)
Fragen:
1) Was sind die Voraussetzungen dafür, dass ein Gerich überhaupt einem Geschädigten ein Scherzensgeld zuspricht?
Muss der Geschädigte hier selbst (ggfs. durch einen Anwalt) im Prozess einen entsprechenden Antrag stellt.
2) Ich habe gelesen, dass Richter sich ungern auf so ein Adhäsionsverfahren einlassen und stattdessen den Geschädigten auf
den Weg der Zivilklage verweisen.
Gibt es dafür sachliche Gründe? (Ich glaube kaum dass es ein "keine Lust" der Richter im Strafprozess ist)
Fragen zum Adhäsionsverfahren
Moderator: FDR-Team
-
- FDR-Moderator
- Beiträge: 14582
- Registriert: 06.10.04, 16:43
Re: Fragen zum Adhäsionsverfahren
Zu 1): Schmerzensgeld ist üblicherweise kein Gegenstand eines Strafverfahrens, da die übliche Geldstrafe dem Staat zufällt und nicht einem etwaigen Geschädigten.
Unabhängig vom Adhäsionsverfahren kann eine Schmerzensgeldzahlung aber z.B. auch Zahlungsauflage bei Verfahrenseinstellung oder eine Bewährungsauflage sein.
Das Adhäsionsverfahren im eigentliche Sinne verlangt einen expliziten Antrag (vgl. §403 StPO).
Zu 2): Adhäsionsverfahren bieten sich vor allem in eindeutigen Fällen an, also wenn z.B. ein definierter Betrag gestohlen, unterschlagen oder betrogen wurde. Je diffiziler bzw. strittiger der genaue Anspruch, desto weniger täglich Brot eines Strafrichters (und ggf. auch eines begleitenden Geschädigten-Anwaltes) ist das Ganze und ggf. verkomplizierend für das eigentliche Strafverfahren ist es. Insofern halte ich eine gewisse "Unbeliebtheit" für nachvollziehbar.
Unabhängig vom Adhäsionsverfahren kann eine Schmerzensgeldzahlung aber z.B. auch Zahlungsauflage bei Verfahrenseinstellung oder eine Bewährungsauflage sein.
Das Adhäsionsverfahren im eigentliche Sinne verlangt einen expliziten Antrag (vgl. §403 StPO).
Zu 2): Adhäsionsverfahren bieten sich vor allem in eindeutigen Fällen an, also wenn z.B. ein definierter Betrag gestohlen, unterschlagen oder betrogen wurde. Je diffiziler bzw. strittiger der genaue Anspruch, desto weniger täglich Brot eines Strafrichters (und ggf. auch eines begleitenden Geschädigten-Anwaltes) ist das Ganze und ggf. verkomplizierend für das eigentliche Strafverfahren ist es. Insofern halte ich eine gewisse "Unbeliebtheit" für nachvollziehbar.
Re: Fragen zum Adhäsionsverfahren
Richtig.
So ist es. Es muss letztlich ein Antrag gestellt werden, der den Anforderungen an eine Klageschrift vor einem Zivilgericht entspricht.
Ein Adhäsionsverfahren verzögert den Strafprozess, soweit die Höhe des Anspruchs festgestellt werden muss; das ist mit der hohen Belastung gerade der Strafrichter schlecht vereinbar. Hinzu kommt - und das dürfte in der Praxis noch entscheidender sein -, dass die ganze Vorgehensweise, insbesondere auch die Tenorierung des Adhäsionsanspruchs einschließlich des Ausspruchs zur vorlöufigen Vollstreckbarkeit, für Strafrichter ungewohnt ist und eine intensive Einarbeitung erfordern würde, was wieder mit der zeitlichen Belastung kollidiert.Altbauer hat geschrieben: ↑20.11.23, 14:20 2) Ich habe gelesen, dass Richter sich ungern auf so ein Adhäsionsverfahren einlassen und stattdessen den Geschädigten auf
den Weg der Zivilklage verweisen.
Gibt es dafür sachliche Gründe? (Ich glaube kaum dass es ein "keine Lust" der Richter im Strafprozess ist)
In der Praxis sind Adhäsionsverfahren daher selten und regelmäßig auf Schmerzensgeldansprüche beschränkt, weil das Gericht seit einer Gesetzesänderung 2004 solche Anträge nicht mehr aufgrund ihrer Ungeeignetheit zur Erledigung im Strafverfahren ablehnen kann.
-
- Letzte Themen