Mangel an Maßanzug (Werkvertrag) nach erster Nutzung sichtbar: Zahlung und kompletter Rücktritt?

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Schupo
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Mangel an Maßanzug (Werkvertrag) nach erster Nutzung sichtbar: Zahlung und kompletter Rücktritt?

Beitrag von Schupo »

Guten Tag, liebe Forenmitglieder! Ich habe mal wieder einen fiktiven Fall, den ein Laie als Verbraucher interessiert:

Endkunde A hat bei einem Unternehmer B einen maßgefertigten, dreiteiligen Herrenanzug bestellt (Maßkonfektion, individuelle Maßnahme bei B, industrielle Produktion bei Hersteller im Ausland durch B beauftragt). Es wurde kein Werkvertrag oder Bestellformular etc. von A unterzeichnet, aber es gibt Messenger-Kommunikation, die die mündliche Bestellung belegt. Der Anzug wird zwar mit deutlicher Verzögerung aber gerade so rechtzeitig zum eigentlichen Anlass (Hochzeit) geliefert. A nimmt den Anzug nach einer teilweisen Anpassung durch einen von B beauftragten Schneider (Jacke & Weste) an und trägt den Anzug zwei Tage später zum besagten Anlass. Nach etwa 3,5 Stunden Tragedauer am Stück ohne sonderliche Belastung (stehen, gehen, sitzen) bückt sich A zum Schuhewechseln und der der Stoff der Hose (nach Lieferung durch Hersteller nicht nochmals bearbeitet worden) reißt im Schritt neben der Naht längs und quer massiv ein. Die Hose ist zerstört und nicht reparierbar. Der Stoff im Schritt ist zudem vollkommen aufgerauht. Die Hose hatte eine sehr gute Passform, am Gesäß und den Oberschenkeln etwas enger, aber noch sehr bequem für A. Also keine massive Spannung, nur beim knien oder bücken etwas, was eine Hose aushalten sollte (Anm. des Laien).

A reklamiert in der Folgewoche bei B und fordert eine Nacherfüllung. A setzt dazu eine Frist von 4 Wochen.

Folgende Fragen:
1. Aufgrund der Produktionszeit zuvor (etwa vier Monate seit Bestellung) scheint es wahrscheinlich, dass eine Ersatzhose nicht innerhalb dieser Frist hergestellt und geliefert werden kann. Ist diese Frist dennoch "angemessen" für eine Nacherfüllung oder muss A sich an der Produktionszeit des gesamten Anzugs orientieren und eine längere Frist einräumen? Wie lange?
2. Wäre, trotz dass nur die Hose (sichtbar) den Mangel hat, nach erfolglosem Verstreichen der Nacherfüllungsfrist ein Rücktritt vom Vertrag komplett möglich (also gesamter Anzug zurückgeben)? Eine weitere Nutzung nur der Jacke und Weste ist für A eigentlich nicht hinnehmbar, nur der gesamte Anzug mit Hose als Zwei- oder Dreiteiler kann (und sollte) als Businessanzug weitergenutzt werden.
3. B hat mit A ein Zahlungsziel von vier Wochen nach Lieferung vereinbart. Wird das Zahlungsziel durch die Fristsetzung zur Nacherfüllung bis zur mangelfreien Lieferung gestundet? Oder muss A innerhalb der Frist zahlen und falls ja, darf er aufgrund der mangelhaften Hose einen Teil der Betrags zunächst bis zur Lieferung der mangelfreien Ware eingehalten? Wie hoch wäre dieser Teil?

Vielen Dank für Ihre/eure Einschätzung!

Grüße
Schupo
Zuletzt geändert von ktown am 26.07.21, 18:43, insgesamt 1-mal geändert.
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webelch
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Re: Mangel an Maßanzug (Werkvertrag) nach erster Nutzung sichtbar: Zahlung und kompletter Rücktritt?

Beitrag von webelch »

Und A ist sich sicher, dass es sich um einen Mangel der Ware handelt, der unter Gewährleistung fällt? Hat B sich bereits dazu geäußert?
Schupo
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Re: Mangel an Maßanzug (Werkvertrag) nach erster Nutzung sichtbar: Zahlung und kompletter Rücktritt?

Beitrag von Schupo »

Ja, A ist sich als Laie auch nach Aussage einer erfahrenen Schneiderin da sicher, da nach 3,5 Stunden Tragen einer Hose aus hochwertigem Stoff einer der Top-Webereien weltweit, ein solcher Schaden nicht auftreten darf. Die Schneiderin meinte gar, der Stoff sei sicher alt und faul gewesen. B hat sich zudem schriftlich dazu geäußert, er "komme natürlich für den Schaden auf", die Hose sei "absolut unbrauchbar".
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Froggel
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Re: Mangel an Maßanzug (Werkvertrag) nach erster Nutzung sichtbar: Zahlung und kompletter Rücktritt?

Beitrag von Froggel »

Zu 1: Da ich selbst gern Kleidung nähe, kann ich sagen, dass die Frist von vier Wochen überaus angemessen ist. Da der Schneiderbetrieb bereits die Maße hat, sollte das problemlos möglich sein. Schneidern ist kein Möbelbau, und selbst da sind vier Wochen angemessen :wink: Das hätte aber auch die erfahrene Schneiderin wissen können.
Zu 2:
§ 323 BGB
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
Wenn ein Anzug komplett gefordert war und er ohne Hose nicht brauchbar ist, sollte ein Rücktritt komplett möglich sein. Zuvor sollten dem Unternehmer allerdings zwei Nachbesserungsversuche eingeräumt werden.
Zu 3: Das Zahlungsziel wird nicht durch die Nacherfüllung bis zur mangelfreien Lieferung gestundet. Sollte aufgrund der fehlgeschlagenen Nachbesserung ein Rücktritt vom Vertrag angestrebt werden, sind die gewährten Leistungen zurückzugewähren, d.h. wenn vorher die gesamte Summe gezahlt wurde, hat der Unternehmer am Ende die gesamte Summe auch zurückzuzahlen – abzüglich einer möglichen Nutzungsentschädigung, da der Anzug bereits getragen wurde. Aber darüber würde ich mir erst Gedanken machen, wenn die Nachbesserung wirklich fehlschlägt.
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