Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

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schnueffel
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Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von schnueffel »

Hallo zusammen,

seit 01.01.18 gilt § 640 Abs. 2 für eine Verbraucherabnahme, wozu wir jedoch eine Verständnisfrage haben.
Muss dem Verbraucher immer eine Frist zur Abnahme mit Belehrung über die Folgen in Textform gesetzt werden, auch wenn scheinbar alles mangelfrei ist?

Beispiel:
Der Verbraucher lässt vom Maler und dessen Gesellen seine Wohnung mit Nikotinfarbe streichen. Da der Verbraucher mehrfach mündlich sagt, alles super, wurde keine schriftliche Abnahme gemacht. Maler stellt Rechnung, der Verbraucher überweist die Rechnung.
Ein Jahr später drücken die alten Nikotinflecken wieder durch, obwohl nicht mehr geraucht wird. Verbraucher kontaktiert Maler, dieser weist den Mangel aber von sich.
Der Verbraucher beruft sich nun auf die fehlende Abnahme und fordert sein Geld zurück, da ohne Abnahme keine Fälligkeit der Schlussrechnung vorliegt und ohne Abnahme die Beweislast für Mängel beim Unternehmer liegt.

Wie ist die Rechtslage?
Ich sehe es (eigentlich) so, dass durch die Bezahlung und einjährige Ingebrauchnahme eine schlüssige und konkludente Abnahme vorliegen müßte.
Nach § 640 Abs. 2 BGB aber dürfte der Maler Pech gehabt haben, ohne schriftliche förmliche Abnahme.

Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen und Meinungen.
hambre
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von hambre »

Durch die Zahlung der Rechnung ist eine schlüssige Abnahme nach § 640 Abs. 1 BGB erfolgt.
ktown
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von ktown »

Der Auftragnehmer kann bei Fertigstellung Abnahme verlangen und die Schlussrechnung stellen. Stellt er nur die Schlussrechnung, gilt das als Abnahmeverlangen.
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

Gesetze sind eine misslungene Kreuzung aus dem Alphabet und einem Labyrinth.
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Evariste
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von Evariste »

Woraus folgt das, dass die stillschweigende Bezahlung der Rechnung bereits eine Abnahme darstellt? Warum braucht man dann noch die Abnahme, wenn die Bezahlung der Rechnung bereits ausreicht?

Wozu braucht man dann insbesondere noch den § 640 Abs. 2 BGB:
Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der Besteller ein Verbraucher, so treten die Rechtsfolgen des Satzes 1 nur dann ein, wenn der Unternehmer den Besteller zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat; der Hinweis muss in Textform erfolgen.
:?:
ktown
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von ktown »

Schauen Sie mal auf die Rückseite so mancher Rechnungen. :wink:

Ansonsten hier was zum Lesen
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schnueffel
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von schnueffel »

Erst mal vielen Dank für Eure Überlegungen!

Wir haben auch über die nicht nachvollziehbare Formulierung von § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB diskutiert - daher auch meine Verständnisfrage hier. Wir haben auch noch kein BGH-Urteil eben zu § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB gefunden.

Ich seh es auch so, dass z. B. Bezahlen der Schlussrechnung eine schlüssige konkludente Abnahme sein sollte.
Ansonsten könnte ja jeder Verbraucher nach Bezahlen der Schlussrechnung z. B. auch 3 Jahre später allein wegen einer fehlenden "förmlichen" Abnahme plötzlich das Geld zurückfordern.

Da ist es für den Unternehmer sicherer, immer erst möglichst hohe Abschlagsrechnungen nach § 632a BGB zu stellen. Falls der Verbraucher bei der Schlussrechnung dann § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB einwenden sollte, ist die Rechtsunsicherheit nicht ganz so groß.
Froggel
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von Froggel »

Letztendlich ist es aber egal, ob die Arbeit abgenommen wurde oder nicht – wenn sich nach einem Jahr die Nikotinflecken wieder durchdrücken, dürfte das als Sachmangel gelten. Damit ist zwar nicht die Bezahlung hinfällig, aber der Maler muss nachbessern.
Ich bin kein Jurist.
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schnueffel
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von schnueffel »

...im Beispielfall beruft sich der Verbraucher dann aber auf die fehlende Abnahme nach § 640 Abs. 2 und fordert sein Geld zurück.
Darum haben wir eben unsere Frage zu § 640 Abs. 2 BGB eingestellt. Wir haben eben wie auch Evarista den § 640 Abs. 2 BGB gelesen bw. diskutiert und noch keinerlei Gerichtsentscheidung hierüber gefunden.

Könnte ja sein, dass der Maler dann hingeht und sieht, dass sich gar keine alten Nikotinfarben durchgedrückt haben - sondern es sich um neue Nikotinflecken handelt. Der Sohn des Verbrauchers hat heimlich im Zimmer geraucht.
ktown
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von ktown »

schnueffel hat geschrieben: 17.03.23, 00:15 Könnte ja sein, dass der Maler dann hingeht und sieht, dass sich gar keine alten Nikotinfarben durchgedrückt haben - sondern es sich um neue Nikotinflecken handelt. Der Sohn des Verbrauchers hat heimlich im Zimmer geraucht.
Das hat aber nichts mit dem §640 zu tun.
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Froggel
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von Froggel »

schnueffel hat geschrieben: 17.03.23, 00:15..im Beispielfall beruft sich der Verbraucher dann aber auf die fehlende Abnahme nach § 640 Abs. 2 und fordert sein Geld zurück.
Natürlich kann es problematisch sein, wenn eine Abnahme zwar vereinbart, im Nachhinein aber darauf verzichtet wurde – gerade wenn die Endrechnung schon vor Beendigung der Werksleistung erfolgt ist. Allerdings geht der Trend der Urteile in die Richtung, dass eine Bezahlung der Endrechnung, insbesondere wenn dem Verbraucher vor Bezahlung der Rechnung die Gelegenheit gegeben wurde, die Werkleistung ausgiebig zu prüfen, einer Abnahme gleichkommt.

Bitte lesen.
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Re: Schlüssige Abnahme bei Verbrauchern möglich?

Beitrag von Pünktchen »

schnueffel hat geschrieben: 17.03.23, 00:15 ...im Beispielfall beruft sich der Verbraucher dann aber auf die fehlende Abnahme nach § 640 Abs. 2 und fordert sein Geld zurück.
Und auf welcher Rechtsgrundlage sollte der Verbraucher sein Geld zurückfordern können (selbst, wenn es keine Abnahme gegeben haben sollte)?
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