moro hat geschrieben:Auch andere Parteien haben nur in manchen Bundesländern oder nur in einem Bundesland Kandidaten aufgestellt (z.B. die Magdeburger Gartenpartei oder die Mieterpartei). Gegen welchen Artikel des Grundgesetzes sollte es verstoßen, dass diese Parteien nicht in allen Bundesländern antreten?
Ja, aber weder die Magdeburger Gartenpartei noch die Mieterpartei hat wie die CSU in Bayern in Allianz mit einer weiteren, "großen" Partei für den BT kandidiert und keine dieser beiden Parteien hat ein gesamtdeutsches Parteiprogramm und keine will nach der BT-Wahl über ganz(!) Deutschland (zumindest: mit-)regieren.
Das Wahlrecht gehört bekanntlich zu den staatstragenden Eckpfeilern der so genannten "freiheitlich demokratischen Grundordnung"; das verletzte Recht ist hier also (ggf.) das Wahl-Grundrecht sämtlicher berechtigter Wähler.
In meiner Berufsausbildung habe ich mir die verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze mit folgender Eselsbrücke gemerkt:
Wahlen müssen auf dem Grundgesetz beruhen - kurz ausgedrückt: Sie müssen "
AUF GG" beruhend sein, wobei jeder Buchstabe den Anfangsbuchstaben eines Wahlgrundsatzes bildet: A= allgemein; U= unmittelbar; F=frei; G= gleich; G= geheim.
Da sich die BT-Wahl auf ganz Deutschland bezogen hat, stellt sich also die Frage, ob die CDU in Bayern bzw. die CSU außerhalb Bayerns von den (= allen berechtigten) Wählern "allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim" gewählt werden konnte. Das ziehe ich persönlich arg in Zweifel: Wie soll es z.B. den vorstehenden demokratischen Wahlgrundsätzen entsprechen können, dass ich z.B. in Hessen nur dann meiner religiösen Überzeugung entsprechend (parteipolitisch) "christlich" wählen kann, wenn ich die CDU wähle, obwohl ich deren Asylpolitik aus politischer Überzeugung strikt ablehne und die viel restriktivere Asylpolitik der CSU wählen und unterstützen will, ohne dann letztlich als "Notlösung" die AfD wählen zu müssen? (
Aus meiner Sicht wäre das BT-Wahlergebnis maßgeblich zulasten der FDP sogar noch etwa um 5 % günstiger für die AfD ausgefallen, wenn nicht die FDP teilweise die "politische Leere", die durch das Fehlen der CSU außerhalb Bayerns vorhanden war, geringfügig ausgefüllt hätte, d.h., wenn sie nicht quasi als "Alternative für die CSU - AfCSU" strategisch raffiniert in "Soft-Form" einzelne AfD-Forderungen in ihr Wahlkampf-Programm aufgenommen hätte und wenn sie damit bei der BT-Wahl nicht als "Trittbrettfahrer" ganz gezielt (und erfolgreich!) den bürgerlich orientierten AfD-Rand "abgefischt" hätte, also diejenigen Wähler "eingefangen" hätte, denen die FDP-"Mini-Kritik" an Merkels Asyl- und Zuwanderungspolitik schon dafür ausgereicht hat, wenigstens nicht die "anrüchige" AfD wählen zu müssen. Umso dramatischer ist m.E. das CSU-Ergebnis in Bayern zu bewerten: Dort hat die CSU ja nicht nur gegen die AfD, sondern auch noch zusätzlich gegen die FDP massiv und weit höher an Stimmen verloren als zusammen mit der CDU auf der gesamten Bundesebene!)
Ich frage deshalb umgekehrt: Mit welchem Gesetz wurde wirksam in dieses Wahlgrundrecht (beschränkend) eingegriffen?
Grundlage für die Nichtwählbarkeit der CDU in und der CSU außerhalb Bayerns ist ja gar kein Gesetz, sondern nur eine entsprechende (vertragliche) Vereinbarung dieser beiden Parteien untereinander. Wenn durch diesen Parteien-Vertrag das Wahlgrundrecht eingeschränkt wird, dann handelt es sich dabei m.E. um einen (unzulässigen) "Vertrag zulasten Dritter". Wegen der Schadens-Betroffenheit des Wahlgrundrechts müsste demnach also - zumindest nach meiner Rechtsauffassung - der Wahlanfechtung stattgegeben werden und genauso müsste auch eine Bundesverfassungsbeschwerde begründet sein.
FM hat geschrieben:Um zur Wahl antreten zu können, muss man Mitglieder als Kandidaten aufstellen.
Genau aus diesem Grund wurde in Karlsruhe bereits im Juni 2016 eine weitere Verfassungsbeschwerde mit dem Ziel erhoben, die CSU und die CDU noch vor der BT-Wahl 2017 zur Ausdehnung auf das gesamte(!) Wahlgebiet zu verpflichten. Begründet wurde die Zulässigkeit der BVerf-Beschwerde (ohne vorherige Rechtswegbeschreitung) maßgeblich mit dem dringenden übergeordneten öffentlichen Interesse, namentlich mit den zu erwartenden massiven Schadensauswirkungen -
Spaltung der Gesellschaft; radikaler politischer Rechtsruck... - bei der BT-Wahl 2017 für ganz Deutschland (, die jetzt erwartungsgemäß
und m.E. auch für das Bundesverfassungsgericht vorhersehbar ja auch tatsächlich eingetreten sind!). Trotzdem auch hier das Ergebnis, das mich als rechtsstaatlich und demokratisch eingestellten Bürger sehr nachdenklich gemacht hat: Unanfechtbare Nichtannahme zur Entscheidung und ebenfalls ohne Begründung des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 1610/16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 18.08.2016 in der Besetzung Hermanns, Müller und Langenfeld). Kann man da - @ freemont - noch sagen, dass es sich das Bundesverfassungsgericht damit nur "recht einfach gemacht" hat?
FM hat geschrieben:Die CSU, die Bayernpartei und der Südschleswigsche Wählerverband haben aber im Saarland keine Mitglieder.
Für die Bayernpartei und den Südschleswigschen Wählerverband gilt - im Gegensatz zur CSU - das oben zu "moro" Gesagte.