FM hat geschrieben: ↑22.09.23, 09:53
aber immerhin interessant, dass das 2011 erst durch das BVerfG geklärt wurde.
Warum soll das interessant sein und für was genau?
Das Zitat aus einem Gesetz von 1908 "Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge auf öffentlichen Straßen oder Plätzen" zeigt sogar: gut 50 Jahre vor dem Grundgesetz hat man schon an eine viel besser verständliche Formulierung gedacht.
Eigentlich nicht. Der damalige Verfassungstext war fast identisch. Das Pendant zum damaligen Vereinsgesetz ist das heutige Versammlungsgesetz.
Und weder das Vereinsgesetz (jedenfalls nicht in den genannten Vorschriften) noch das Versammlungsgesetz defininieren, was eine Versammlung unter freiem Himmel oder nicht bzw. in geschlossenen Räumen ist. Tatsächlich sagt der damalige § 8 nur, wann eine Versammlung in geschlossenen Räumen keine öffentliche Versammlung ist, und benennt hierfür zwei Beispiele.
Das ist gesetzessystematisch, gerade im grundrechtsrelevanten Bereich, hochproblematisch und wurde daher zu recht auch nicht übernommen. Denn das Vereinsgesetz definiert eben den Begriff der Versammlung unter freiem Himmel weder positiv noch negativ. Das Abstellen auf Versammlungen in geschlossenen Räumen in § 8 suggeriert vielmehr im räumlichen und nicht gesetzesteleologischen Sinn, dass nur eine solche keine sei, die unter freiem Himmel stattfindet. Das kann auch so gemeint gewesen sein, ergibt sich aus der Vorschrift aber keineswegs, weil sie eben nur Ausnahmen für diesen Fall vorgibt. Ob dieser Fall tatsächlich abschließend ist, lässt das Gesetz hingegen offen, so dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.
Zudem suggerieren Beispiele in Normen immer auch, dass diese ebenfalls abschließend sind. Man kann der Vorschrift also durchaus entnehmen, dass eine Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann nicht unter freiem Himmel stattfindet, wenn einer der beiden genannten Fälle vorliegt. Das aber hat der Gesetzgeber fraglos nicht gemeint, weil es natürlich noch viele weitere denkbare Möglichkeiten gibt, in denen eine Versammlung in geschlossenen Räumen den Anschein einer solchen unter freiem Himmel erzeugt, es aber dennoch nicht ist. Das kann man auch nicht der Formulierung "nicht schon deshalb" entnehmen, weil diese nur besagt, dass beide Beispiele allein hierfür nicht ausreichen, ohne jedenfalls rudimentär zu sagen, was noch weiter benötigt wird.
Die Vorschriften der §§ 7, 8 des Vereinsgesetzes von damals sind systematisch also schlecht formuliert und lassen erhebliche Unsicherheiten für die Versammlungsteilnehmer und somit zugleich entsprechende Auslegungsspielräume sowohl für die Gerichte, insbesondere aber die Polizei, die in diesen Fällen ja meist nach eigener Einschätzung vor Ort sofort und ohne richterliche Anordnung tätig werden muss.
Daher ist es auch nicht
Verwunderlich, dass man diese klarere Definition dann 1919 in der Reichsverfassung und 1949 im Grundgesetz aufgab.
sondern rechtssystematisch nur folgerichtig.
Im Übrigen ist jedenfalls mir nicht bekannt, dass in der Öffentlichkeit oder der Fachliteratur kritisiert würde, die Versammlung unter freiem Raum sei nicht ausreichend definitiert. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die jeweiligen Interessengruppen in konkreten Fällen unterschiedlich argumentieren. Das ist schlicht juristischer Alltag und wie hier sogar zutreffend gewesen.
Wenn die Damen und Herren sich wie die hier als Vergleich angeführten Veranstalter mit Ort und Zeitpunkt anmelden würden, hätte ich kein Problem damit. Bis dahin bleibt es ein Missbrauch dieser Freiheit, Nötigung, Sachbeschädigung und ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.
Ja, an der Stelle verstoßen sie bewusst gegen das Gesetz (denn tatsächlich machen sie es ja eindeutig unter freiem Himmel, der Tunnel war nur meine Überlegung ob es damit anmeldungsfrei wäre). Aber es soll ja ziviler Ungehorsam sein, also der Rechtsbruch ist beabsichtigt.
Das sind, schon der Natur nach, Spontanversammlungen, die nicht anzeigepflichtig sind (BVerfG, Beschluß vom 14-05-1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81). Der Sinn der Anzeigepflicht besteht ja gerade darin, dass die Behörde die entsprechenden Vorkehrungen treffen kann, was hier dem Zweck der Versammlung diametral entgegenstehen würde.
Das Vorstehende bedeutet dennoch nicht, dass diese Handlungen insgesamt oder in dieser Form immer rechtmäßig sind. Es besteht lediglich kein Konflikt mit Art. 8 GG (freier Himmel) und der Anzeigepflicht. Über vieles andere lässt sich trefflich diskutieren, weil natürlich auch Art. 8 GG nicht grenzenlos gilt im Rahmen der Verfassung gilt.