Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Moderator: FDR-Team

Antworten
Nordland
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3568
Registriert: 20.08.05, 13:30

Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Beitrag von Nordland »

Moin,

der MdB A hält im Bundestag eine Rede, in der er das Unternehmen B erwähnt. Er sagt sinngemäß, dass in dem Unternehmen eine bestimmte politische Stimmung herrsche. Nehmen wir mal an, dass der MdB dies nicht beweisen kann, da er sich auf Quellen beruft, die anonym bleiben wollen, und dass XY auch nicht das Gegenteil beweisen kann.

Das Unternehmen verlangt nun Unterlassung von dem MdB, weil es sich durch die Rede in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sieht. Es verweist auf Art. 19 Abs. 3 GG.

Ungeachtet der Frage, inwieweit der Unterlassungsanspruch selbst bei einem Nicht-MdB berechtigt wäre und inwieweit sich das Unternehmen in diesem Fall tatsächlich auf ein Grundrecht berufen kann: Kann generell entgegen der Redefreiheit des MdB verlangt werden, es zu unterlassen, in einer Bundestagsrede bestimmte Dinge zu behaupten?
From the river to the sea - „Palästina“ gab es nie.
Dipl.-Sozialarbeiter
FDR-Moderator
Beiträge: 19590
Registriert: 09.12.06, 17:23

Re: Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Beitrag von Dipl.-Sozialarbeiter »

Siehe

Art. 46 GG
(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24151
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Beitrag von FM »

Die Behauptung "dass in dem Unternehmen eine bestimmte politische Stimmung herrsche" kann kaum unter Verleumdung fallen. Da ist schon fraglich, wer überhaupt der Adressat sein sollte. Die juristische Person hat ja keine politische Stimmung. Gemeint sind vielleicht die Vorstandsmitglieder, vielleicht die Beschäftigten, vielleicht die Kunden (denkbar z.B. bei einer Gaststätte). Aber auch dann bedeutet "Stimmung" lediglich eine Tendenz, keine Aussage über jeden. Wenn man sagt "in Bayern herrscht eine bürgerlich-konservative Stimmung" bestreitet man ja nicht, dass es dort auch andere Menschen gibt.

Und dann muss die Äußerung auch noch verächtlichmachend, herabwürdigend oder kreditgefährdend sein.

"Dort sind alle Betrüger" könnte eine Verleumdung sein, aber "dort sind viele eher links" wohl kaum.
Deputy
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3501
Registriert: 18.07.11, 23:30

Re: Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Beitrag von Deputy »

FM hat geschrieben: 29.09.23, 21:49 Die Behauptung "dass in dem Unternehmen eine bestimmte politische Stimmung herrsche" kann kaum unter Verleumdung fallen.
Du hast es im folgenden ja schon selbst relativiert; so pauschal würde ich es nicht ausschließen.

Die Aussage "In dem Unternehmen sind fast alle Nazis" kann sehr wohl eine Verleumdung sein. Insofern: es kommt drauf an.
Tastenspitz
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24503
Registriert: 05.07.07, 08:27
Wohnort: Daheim

Re: Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Beitrag von Tastenspitz »

Deputy hat geschrieben: 02.10.23, 09:10 es kommt drauf an.
Das passt hier wohl am Besten. Konkret sollte man auch wissen, welches Grundrecht nun genau gemeint ist.
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24151
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Unternehmen vs. Redefreiheit eines Bundestagsabgeordneten

Beitrag von FM »

Deputy hat geschrieben: 02.10.23, 09:10 Die Aussage "In dem Unternehmen sind fast alle Nazis" kann sehr wohl eine Verleumdung sein. Insofern: es kommt drauf an.
Das ist dann aber auch wieder ein ganz anderer Sachverhalt. "sind fast alle" ist anders als "herrscht eine Stimmung", und "Nazis" ist anders als z.B. "rechts", "links" oder "grün".

Schon das "herrscht" ist schwer zu fassen. Mal angenommen, aufgrund diverser Vorfälle in letzter Zeit und angenommen die Nachrichten dazu wären richtig, würde jemand sagen: "In der Polizei der Stadt F. herrscht eine rechtsextreme Stimmung." (F sei z.B. eine Großstadt im Rhein-Main-Gebiet, nur mal als fiktives Beispiel).

Was meint der mit "herrscht"?

- eigentlich herrschen tut ja der Polizeipräsident. Den meint er aber wohl gar nicht.
- meint er "mehr als 50 % der Beamten dort" - wahrscheinlich auch nicht, weil er das gar nicht wissen kann
- meint er "viele"? Das kann gut sein. Aber wenn dort z.B. 3.000 Beamte tätig sind - wären viele dann 20, 50, 100, 800?

Deshalb ist "herrscht ... Stimmung" schon etwas ganz anderes als "sind fast alle ..."
Antworten