Umsetzen ohne Behinderung

Moderator: FDR-Team

Knuffibaer
Topicstarter
noch neu hier
Beiträge: 1
Registriert: 29.11.22, 15:53

Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Knuffibaer »

Hallo, ich hätte mal gerne eure Meinung zu folgendem Sachverhalt gehört:

In einer Straße war jahrzehntelang das Parken auf dem Gehweg durch Verkehrszeichen 315-80 angeordnet, also komplett mit allen vier Rädern quer zur Fahrbahn. Die Straßenverkehrsbehörde ändert nun die Beschilderung auf Verkehrszeichen 315-60, also längs statt quer. Begründet wird dies damit, dass bei der vorherigen Anordnung immer wieder Fahrzeuge so weit auf den Gehweg gefahren waren, dass eine ausreichende Restgehwegbreite für Fußgänger nicht mehr gegeben war und diese behindert wurden.

Nun werden die Mitarbeiter des Ordnungsamtes angewiesen, die Örtlichkeit regelmäßig zu kontrollieren. Anfangs wurden Knöllchen verteilt, da der Tatbestand jedoch nur ein Verwarngeld von 10,00 Euro, bzw. 15,00 Euro mit Behinderung vorsieht, ändert sich das Parkverhalten der dortigen Anwohner kaum. Es handelt sich um eine eher wohlhabende Wohngegend. Man achtet nun lediglich etwas mehr darauf, dass noch genug Platz für Fußgänger bleibt.

Der zuständige Stadtrat und der stellvertretende Außendienstleiter weisen die Mitarbeiter nun an, dort sämtliche Fahrzeuge, die nicht entsprechend der Aufstellart parken, umzusetzen, sofern eine Umsetzung nicht dadurch vermieden werden kann, dass sie ihr Fahrzeug selbst entfernen.

Laut Aussage der Vorgesetzten wird das Ermessen der Mitarbeiter in diesem Fall auf 0 reduziert, da man die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde durchsetzen wolle. Man droht dienstrechtliche Konsequenzen an, sollten nicht alle Fahrzeuge umgesetzt werden.

Das bedeutet, dass weder eine Einzelfallprüfung stattfindet, noch dass unterschieden wird, ob ein Fahrzeug tatsächlich behindert oder nicht. Nicht der Mitarbeiter vor Ort stellt fest, ob es notwendig ist, dass ein Fahrzeug umgesetzt werden muss, sondern der Vorgesetzte im Büro. Selbst ein Fahrzeug, was zwar nicht behindert, aber entgegen der Aufstellart parkt, soll umgesetzt werden, sogar wenn eine ausreichende Restgehwegbreite von über zwei Metern vorhanden ist und das Fahrzeug beispielsweise zwischen den dortigen Baumscheiben parkt. Begründet wird dies mit einer negativen Vorbildwirkung. Die Fahrzeuge sollen mit einem Tatbestand +Behinderung im mobilen Datenerfassungsgerät erfasst werden, auch wenn sie nicht behindern, damit das Gerät eine Umsetzung ermöglicht. Das bedeutet, dass auch das Verwarngeld entsprechend höher ausfällt.

Haltet ihr eine solche Anweisung und das Umsetzen ohne Behinderung für rechtmäßig? Wie ist die Rechtslage?
ExDevil67
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 8332
Registriert: 17.01.14, 09:25

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von ExDevil67 »

Wie sieht das platzmäßig aus? Denn im Regelfall sind Autos ja länger als breit und haben / hatten über die letzen Jahrzehnte die Angewohnheit länger zu werden. Sprich nur weil in grauer Vorzeit ausreichend Platz war um quer zur Fahrtrichtung zu parken ohne den Verkehr hinter einem oder die Fußgänger vor einem zu behindern, muss das ja heute nicht mehr so sein.

Und nebenbei, hartnäckig Verkehrsschilder zu ignorieren, auch wenn sich alles im Verwarnbereich abspielt, kann Zweifel an der Eignung ein Kraftfahrzeug zu führen begründen. Schöne Grüße von der MPU.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von FM »

Wenn die so geparkten Fahrzeuge 2 m Platz am Gehweg freilassen, ragt das Hinterteil wohl entsprechend weit in die Fahrbahn. Welche Breite verbleibt da denn? Mal als Beispiel: wenn da 4 m bleiben, kann man zwar falls sonst niemand unterwegs ist problemlos vorbeifahren, bei Gegenverkehr muss man aber wegen des parkenden Autos warten. Auch bei mehr als 4 m ist ähnliches denkbar, z.B. wenn sich zwei LKW begegnen, oder wenn man bei Gegenverkehr einen Radfahrer überholen muss.

In meiner Wohngegend macht das Straßenbauamt übrigens gerade das genau umgekehrte: ein bisheriger Parkstreifen für Längsparken wird durch Parkbuchten für Querparken ersetzt, womit vermutlich eine Verkehrsberuhigung bezweckt wird - also auch eine Behinderung, aber eben amtlich.
Niemand2000
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Niemand2000 »

Knuffibaer hat geschrieben: 29.11.22, 16:23Begründet wird dies damit, dass bei der vorherigen Anordnung immer wieder Fahrzeuge so weit auf den Gehweg gefahren waren, dass eine ausreichende Restgehwegbreite für Fußgänger nicht mehr gegeben war und diese behindert wurden.
Wie viel cm blieben denn als Restgehwegbreite? Mehr oder weniger als 76 cm?
hawethie
FDR-Moderator
Beiträge: 6437
Registriert: 14.09.04, 12:27

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von hawethie »

Was ein Stadtrat sagt, ist eigentlich vollkommen egal - er darf der Behörde keine Anweisungen erteilen, die gegen geltendes recht verstoßen.
Grds. darf das auch nicht ein Vorgesetzter (Grundsatz: kein Handeln gegen das Gesetz).
allerdings darf auch ohne Behinderung umgesetzt werden, wenn das Falschparken einzelner andere dazu ermuntert, ebenfalls falsch zu parken (negative Vorbildfunktion).
Davon wird allgemein nach 2-3 std. Falschparken ausgegangen. (Rechtsprechung geht da allgemein mit)
Ob man dies auch schon annehmen kann, wenn ein bisheriges "Knöllchen" nichts bringt... ich würd's mal drauf ankommen lassen und gegen den Leistungsbescheid wg. der Kosten angehen.
Zielführender (aber länger dauernd) wäre, nach mehrereeren Knöllchen und evtl. Kostenbescheiden ein Verfahren zur Entziehung der FE einzuleiten - DAS tut weh.
Was du nicht willst, das man dir will, das will auch nicht -
was willst denn du.
Aus Erfahrung: Krebsvorsorge schadet nicht.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von FM »

Niemand2000 hat geschrieben: 30.11.22, 09:52 Wie viel cm blieben denn als Restgehwegbreite? Mehr oder weniger als 76 cm?
Wo ist dies als Mindestgrenze festgelegt? Für so manchen Rollstuhl oder für Zwillingskinderwagen wären eher 90 cm nötig. Es reicht ja nicht, wenn zwei schlanke Fußgänger aneinander vorbeikommen.
Tastenspitz
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24721
Registriert: 05.07.07, 08:27
Wohnort: Daheim

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Tastenspitz »

Niemand2000 hat geschrieben: 30.11.22, 09:52 Mehr oder weniger als 76 cm?
Richtwert (nicht aus einer Vorschrift o.Ä.) ist 60 cm pro Person, also 1,2 m um aneinander vorbei zu kommen.
Breiter geht immer. Es gibt mW. auch Vorgaben, wenn zB. dort Läden oder Haltestellen sind, die Bereiche dann breiter zu gestalten.
BTT:
Knuffibaer hat geschrieben: 29.11.22, 16:23 Haltet ihr eine solche Anweisung und das Umsetzen ohne Behinderung für rechtmäßig?
Das Umsetzen bzw. Abschleppen ist auch ohne konkrete Behinderung üblich. Bspw. man stellt sich auf einen Behindertenparkplatz. Auch da wird umgesetzt selbst wenn die Plätze daneben frei sind. Und wenn die Betreffenden "Altparker" trotz Hinweis und Verwarnung immer noch nicht kapieren, was da los ist, kann durchaus die Eignung Thema werden.
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
Evariste
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 5871
Registriert: 31.12.15, 17:20

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Evariste »

Knuffibaer hat geschrieben: 29.11.22, 16:23 Laut Aussage der Vorgesetzten wird das Ermessen der Mitarbeiter in diesem Fall auf 0 reduziert, da man die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde durchsetzen wolle. Man droht dienstrechtliche Konsequenzen an, sollten nicht alle Fahrzeuge umgesetzt werden.
Diese Aussage erscheint mir ziemlich blödsinnig. Ein Ermessenspielraum liegt vor, wenn eine Behörde unter mehreren möglichen Entscheidungen wählen kann. Von einer "Ermessensreduzierung auf 0" spricht man, wenn besondere Umstände vorliegen, die nur eine bestimmte Entscheidung als rechtmäßig zulassen. Denkbar ist auch eine Selbstbindung der Verwaltung mit der Folge, dass sie dann grundsätzlich verpflichtet ist, auch in zukünftigen, gleichgelagerten Fällen das Ermessen in gleicher Weise auszuüben. Interne dienstliche Weisungen, dienstrechtliche Konsequenzen etc. haben aber nichts mit einer Ermessensreduzierung zu tun.

Unabhängig davon gibt es aber m. W. keine Vorschrift und auch keinen Grundsatz, wonach das Umsetzen nur bei einer Behinderung möglich ist.

Das hier
Die Fahrzeuge sollen mit einem Tatbestand +Behinderung im mobilen Datenerfassungsgerät erfasst werden, auch wenn sie nicht behindern, damit das Gerät eine Umsetzung ermöglicht. Das bedeutet, dass auch das Verwarngeld entsprechend höher ausfällt.
... ist natürlich nicht rechtmäßig.
Tastenspitz
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24721
Registriert: 05.07.07, 08:27
Wohnort: Daheim

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Tastenspitz »

Die Behinderung könnte der Gestalt sein, dass andere Verkehrsteilnehmer gehindert werden, korrekt da zu parken.
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
ktown
FDR-Moderator
Beiträge: 30098
Registriert: 31.01.05, 08:14
Wohnort: Auf diesem Planeten

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von ktown »

Ich stell mir gerade die nicht ganz ernstzunehmende Frage, ob es als Nötigung angesehen wird wenn vor unter hinter dem Falschparker jeweils ein Fahrzeug korrekt abgestellt wird und somit ein Öffnen der Fahrer- wie auch Beifahrertür, des Falschparkers, nicht mehr möglich ist. :wink: :lachen:
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

Gesetze sind eine misslungene Kreuzung aus dem Alphabet und einem Labyrinth.
"Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt" Zitat Goethe
Evariste
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 5871
Registriert: 31.12.15, 17:20

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Evariste »

Tastenspitz hat geschrieben: 30.11.22, 13:11 Die Behinderung könnte der Gestalt sein, dass andere Verkehrsteilnehmer gehindert werden, korrekt da zu parken.
Das stimmt, ja. :daumenhoch

Der Sachverhalt geht nicht ins Detail, aber ich vermute, es sind nicht nur einzelne Autofahrer, die quer parken, sondern dort parken alle quer, sozusagen aus Gewohnheit (und wahrscheinlich auch, weil nicht genug Parkplätze da sind). Dann steht jeder einzelne Autofahrer, der dort eine Lücke findet, vor der Entscheidung, entweder ebenfalls falsch zu parken, oder sich woanders einen Parkplatz zu suchen.

Von daher ist gut nachzuvollziehen, wenn man nach einer Übergangszeit merkt, dass sich allein mit Knöllchen nichts ändert, dass man dann alle abschleppt. Bei einem Behindertenparkplatz wartet man auch nicht erst ab, bis ein Behinderter vor dem Parkplatz steht und da einparken will.
Niemand2000
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Niemand2000 »

für Zwillingskinderwagen wären eher 90 cm nötig
Im I-Net las ich etwas von 74 bis 76 cm für einen solchen Kinderwagen
Tastenspitz
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24721
Registriert: 05.07.07, 08:27
Wohnort: Daheim

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von Tastenspitz »

Das gilt dann vermutlich auf den Einbahngehwegen
:daumenhoch
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Umsetzen ohne Behinderung

Beitrag von FM »

Niemand2000 hat geschrieben: 30.11.22, 14:22
für Zwillingskinderwagen wären eher 90 cm nötig
Im I-Net las ich etwas von 74 bis 76 cm für einen solchen Kinderwagen
Da gibt es auch breitere. Und bei Rollstühlen: die müssen an die Größe der Person angepasst sein. Es gibt jedenfalls Rollstühle, die mindestens 80 cm breit sind.

Mit den von Tastenspitz genannten 2x60=120cm würde es ja passen, aber leider sind die wohl nirgends verbindlich festgelegt. Und Autofahrer neigen dazu, wenn Parken auf dem Gehweg erlaubt ist, nur soweit zu denken, ob sie selbst als Fußgänger noch vorbei kämen. Es wäre zweckmäßig, wenn die Behörde wenigstens durch eine weiße Linie den Bereich markieren würde, der zumindest frei bleiben muss, also z.B. 1,20 m oder wenigsten 1 m. Das kann ja nicht so viel kosten.

Wenn dann aber 1 m frei ist und eigentlich ausreichen würde, aber durch so einen elektrischen Roller auf dem Gehweg blockiert wird, stelle ich den inzwischen nebenan auf die Fahrbahn, wenn ich mit meiner rollstuhlfahrenden Freundin unterwegs bin. Ebenso mit Mülltonnen, die auf dem Gehweg stehen und die Durchfahrt für den Rollstuhl verhindern. Die Fahrbahn ist ja meist breiter, Autos können leichter dort ausweichen als ein Rollstuhl auf dem Gehweg. Bei auf dem Gehweg parkenden Autos geht das leider nicht, aber da hat jetzt ja das Verwaltungsgericht Ansbach erlaubt Fotos anzufertigen und an die Verkehrspolizei zu senden
https://www.vgh.bayern.de/media/vgansba ... 022-07.pdf
(hilft zwar nicht akut, aber vielleicht langfristig). Dazu gab mir die örtliche Verkehrspolizeiinspektion inzwischen den Tipp: auch noch auf die Uhr schauen ob der PKW länger als 3 Minuten da stand und das dann ausdrücklich bezeugen, dann tun die sich leichter mit der Ahndung. Gut, die paar Minuten Zeit haben wir meistens. Und wenn nach einer oder zwei Minuten der Autofahrer wegfährt., gibt es auch keine Anzeige sondern nur die persönliche Bitte, darauf zu achten. Das reicht sehr oft auch schon. Aber viele stehen eben stunden- oder tagelang so da und sind nicht erreichbar.
Antworten Thema auf Facebook veröffentlichen Thema auf Facebook veröffentlichen