Notarztpflichten

Patientenrechte, Arzthaftungsrecht, ärztliches Vergütungsrecht, Betäubungsmittelrecht, Apothekenrecht, Medikamentenversandrecht, Internet-Apotheke

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BeateN
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Notarztpflichten

Beitrag von BeateN »

A ist schwerer Alkoholiker und startet einen kalten Entzug. As Ehefrau fällt auf, dass er verwirrt wirkt und apathisch ist. Sie wendet sich an ratsuchend telefonisch an Verwandte, die aufgrund der Symptomatik an ein alkoholbedingtes Wernicke-Korsakov-Syndrom denken. Sie empfehlen dringend einen Notarzt zu verständigen. Dieser kommt auch, sieht aber keinen Anlass B mitzunehmen.
Eine Woche geht ins Land, die Verwirrtheit steigert sich, B steht nicht mehr auf. Bs Ehefrau wendet sich an einen Arzt, der leider gleichzeitig Saufkumpan von B ist. Auch dieser diagnostiziert nichts. Eine weitere Woche vergeht, Bs Zustand ist nach wie vor verwirrt, er kann keine vernünftigen Antworten mehr geben. Bs Ehefrau ruft erneut den Notarzt. Nach dessen anfänglicher Weigerung, B mitzunehmen, konnte Bs Ehefrau den Notarzt schließlich doch überreden und B kommt ins Krankenhaus.
Dort wurde er sofort auf die Intensivstation verlegt, da er kurz vor komplettem Organversagen stand, Diagnose Wernicke-Korsakov-Syndrom. Nach einigen Tagen Dialyse und starker Medikamente stabilisierte sich körperlicher Bs Zustand. Die geistige Verwirrung wurde als irreparabel diagnostiziert.

Meiner Meinung nach haben sich der erste Notarzt und der Arzt der gleichzeitig Saufkumpan war, der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht. Strittig wäre, ob Bs geistiger Zustand sich bei sofortiger medizinischer Intervention hätte bessern können. Jedoch sagen alle medizinischen Ratgeber, wenn dann wäre sofortige Behandlung erforderlich gewesen.

Wie werden die Erfolgsaussichten für eine Klage bewertet?
ExDevil67
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von ExDevil67 »

BeateN hat geschrieben: 22.06.21, 15:02 Wie werden die Erfolgsaussichten für eine Klage bewertet?
Moment, ich suche meine Glaskugel. Ach Mist, die ist ja zur Wartung.

Spaß beiseite, die Erfolgaussichten wird man hier aus der Ferne seriös unmöglich abschätzen können. Dazu müsste man die kompletten(!) medizinischen Unterlagen kennen und wissen was genau mit welchem Arzt wann besprochen wurde.
Und da man auf der anderen Seite auf eine Versicheurng treffen wird für die sowas täglich Brot ist, kann man hier nur einem Anwalt raten der sich im Schwerpunkt mit Medizinrecht beschäftigt und entsprechende Kontakte zu Gutachtern hat. Und auf einen längeren Prozess (mehrere Jahre) mit diversen Gutachten und Gegengutachten sollte man sich einstellen.
BeateN
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von BeateN »

ExDevil67 hat geschrieben: 22.06.21, 15:08
BeateN hat geschrieben: 22.06.21, 15:02 Wie werden die Erfolgsaussichten für eine Klage bewertet?
Moment, ich suche meine Glaskugel. Ach Mist, die ist ja zur Wartung.

Spaß beiseite, die Erfolgaussichten wird man hier aus der Ferne seriös unmöglich abschätzen können. Dazu müsste man die kompletten(!) medizinischen Unterlagen kennen und wissen was genau mit welchem Arzt wann besprochen wurde.
Und da man auf der anderen Seite auf eine Versicheurng treffen wird für die sowas täglich Brot ist, kann man hier nur einem Anwalt raten der sich im Schwerpunkt mit Medizinrecht beschäftigt und entsprechende Kontakte zu Gutachtern hat. Und auf einen längeren Prozess (mehrere Jahre) mit diversen Gutachten und Gegengutachten sollte man sich einstellen.
Ja, so ungefähr hätte ich das auch eingeschätzt.
FM
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von FM »

Nicht jede falsche Diagnose eines Arztes führt gleich zu Haftungsfolgen, sonst wären die Haftpflichtversicherungen so extrem teuer, dass niemand mehr eine Arztpraxis betreiben könnte.
Stefanie145
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von Stefanie145 »

Hallo,

noch einen grundsätzlichen Hinweis noch.

Bei dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler kann man sich auch einfach mal bei der Krankenkasse des Patienten beraten lassen.
Unter Umständen würde die Krankenkasse durch den MDK auch ein Gutachten erstellen lassen.
MGH
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von MGH »

meine Meinung:
Wenn nach dem ersten Notarztbesuch noch eine Woche gewartet wird, bis ein "normaler" Arzt aufgesucht wird, hab ich deutliche Zweifel, ob dem Notarzt irgendwelche Vorwürfe zu machen sind. Er ist ein Notarzt für lebensbedrohliche Notfälle und nicht der Wochenend- Nachts- und Feiertagsvertreter des Hausarztes.
Wenn man krank ist, es aber kein lebensbedrohlicher Notfall ist, geht man halt üblicherweise am nächsten Werktag zum Haus- oder Facharzt.
Wenn man dann aber ne Woche warten kann, dann den Saufkumpanen konsultiert, statt einen Facharzt, könnte man sich auch fragen, ob alle Entscheidungen der Ehefrau richtig waren... statt jetzt die Entscheidungen des Notarztes anzuzweifeln...
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von Tastenspitz »

Es war mglw. eine Fehldiagnose aber kein unterlassene Hilfeleistung. Die Ärzte wurden gerufen und sind gekommen.
Wer für generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen ist, hebe bitte den rechten Fuß.
Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
Chavah
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von Chavah »

Der Notarzt ist kein Ersatz für den Hausarzt. Er ist ausschließlich für den akuten Notfall da. Und wenn jemand wochenlang hilflos im Bett liegt, dann ist es nicht sein Fall. Er ist auch nicht dafür da, eine sichere Diagnose zu stellen. In dem hier geschilderten Fall hätte man sich m.E. mit dem Hausarzt in Verbindung setzen müssen, der wäre entweder gekommen, um die Einweisung zu veranlassen, oder aber er hätte die Einweisung vielleicht auch durch Ferndiagnose veranlasst. Also, jemand hätte den Zettel bei ihm abholen müssen. Nur, die Verwandten müssen sich natürlich auch fragen lassen, warum sie diesen Zustand über so viele Wochen hingenommen haben.

Chavah
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von ExDevil67 »

MGH hat geschrieben: 23.06.21, 14:38 meine Meinung:
Wenn nach dem ersten Notarztbesuch noch eine Woche gewartet wird, bis ein "normaler" Arzt aufgesucht wird, hab ich deutliche Zweifel, ob dem Notarzt irgendwelche Vorwürfe zu machen sind. Er ist ein Notarzt für lebensbedrohliche Notfälle und nicht der Wochenend- Nachts- und Feiertagsvertreter des Hausarztes.
Doch der Notarzt ist die Nacht-/Wochend-/Feiertagsvertretung des Hausarztes. Zumindest dann wenn man den Notdienst der Kassenärzte auch als Notarzt bezeichnet und darunter nicht nur den Notarzt des Rettungsdienstes versteht.
blackylein
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von blackylein »

ExDevil67 hat geschrieben: 23.06.21, 15:21
Doch der Notarzt ist die Nacht-/Wochend-/Feiertagsvertretung des Hausarztes. Zumindest dann wenn man den Notdienst der Kassenärzte auch als Notarzt bezeichnet und darunter nicht nur den Notarzt des Rettungsdienstes versteht.
Notärzte sind das, was in den Rettungsdienstgesetzen der einzelnen Bundesländer definiert ist.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen stellen Nachts und am Wochenende Bereitschaftsdienste. Und selbst diese werden bei schleichenden Verschlechterungen meist auf den Hausarzt am nächsten Tag verweisen.
Chavah
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von Chavah »

blackylein, volle Zustimmung. Letztlich ist der Notarzt eben für den akuten Notfall da und nicht für ein Dahinsiechen. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Hier liegt wohl einfach eine fehlerhafte Einschätzung des Systems vor.

Chavah
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von ExDevil67 »

blackylein, formal alles richtig. Ändert aber nichts daran das außerhalb des Blaulichtmilieus auch der Not-/Bereitschaftsdienst der KV (wie auch immer der lokal dann heißt) als Notarzt bezeichnet wird.
Chavah
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von Chavah »

Exteufelchen, darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, was der Notarzt machen muss.

Chavah
FM
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Re: Notarztpflichten

Beitrag von FM »

Auch der Bereitschaftsdienst der KÄV ist nicht der umfassende Hausarztersatz.

Wie man nun den Begriff Notarzt versteht - man wird ja wissen, wer da kam. Hier ist es in einschlägigen Kreisen üblich, den einen als Blaulichtdoktor zu bezeichnen, den anderen als Taxidoktor, je nach dem Fahrzeug mit dem sie kommen. In Österreich kann auch der Hausarzt mit dem Blaulicht kommen, wenn er Bereitschaft hat. Aber in Deutschland denkt man da schon eher an einen, der im Auftrag von DRK, JUH, MHD, ASB, Feuerwehr oder ähnlich unterwegs ist (oder mit dem Hubschrauber) und über die 112 gerufen wird.
winterspaziergang

Re: Notarztpflichten

Beitrag von winterspaziergang »

BeateN hat geschrieben: 22.06.21, 15:02 ...
Meiner Meinung nach haben sich der erste Notarzt und der Arzt der gleichzeitig Saufkumpan war, der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht.
Rechtlich dürfte das zu verneinen sein, wie schon genannt, sind beide ja gekommen und haben den Betreffenden untersucht
Strittig wäre, ob Bs geistiger Zustand sich bei sofortiger medizinischer Intervention hätte bessern können.
Jedoch sagen alle medizinischen Ratgeber, wenn dann wäre sofortige Behandlung erforderlich gewesen.
die Frage ist, wann "sofort" wäre. Immerhin hatte der gute A bereits deutliche Symptome,. ehe die Frau eine Verwandte anrief und dann auf deren Rat den Notarzt. Und schlägt man nach, findet man:
Die Behandlung umfasst die intravenöse Gabe von Thiamin und Flüssigkeit. Die Behandlung kann eine Wernicke-Enzephalopathie beheben, auch wenn die Heilung meist unvollständig ist. Das Korsakow-Syndrom klingt nicht ab.
Wie werden die Erfolgsaussichten für eine Klage bewertet?
wegen was? wegen unterlassener Hilfeleistung dürfte man keine Aussicht auf Erfolg haben, weil es keine war.
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