Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

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BaillieGifford
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Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von BaillieGifford »

Guten Abend,

ich habe eine Frage hinsichtlich der Rechtslage in der folgenden (fiktiven, d.h. obwohl im Folgenden “ich” verwendet wird, ist es mir nicht wirklich passiert) Situation: ich bin bezahlter Praktikant bei einer Unternehmensberatung und ein Kollege (ranghöher) fragt mich, ob es möglich wäre, eine bestimmte Software zu entwickeln um einen arbeitsintensiven Prozess zu vereinfachen. Ich bejahe und mache mich an die Arbeit: am selben Tag noch steht eine erste Beta Version die von nun an mehrfach im Betrieb genutzt wird.
Ich selbst merke nun, dass die Idee Potential hat und auch anderen Unternehmensberatern die Arbeit erleichtern kann. In meiner Freizeit erstelle ich eine erste Alpha Version der Software die dieselbe Kernfunktionalität hat, allerdings deutlich ausgeklügelter und komplexer ist und deutlich besser funktioniert.
Nachdem mein Praktikum endet möchte ich diese vermarkten und als Dienstleister auftreten. Die Idee hinter der Software ist rechtlich nicht schützbar und es gibt Dienstleister, die ähnliche Produkte (ebenfalls Software-basiert) anbieten.
In meinem Arbeitsvertrag ist lediglich ein Unterpunkt “Digitalisierung des Beratungsprozesses” unter den Aufgaben aufgeführt.

Wie sieht in denn oben beschrieben (fiktiven) Fall die Rechtslage aus: hat der AG des Praktikanten ein Anrecht auf die im Praktikum entwickelte Beta Software? Oder auch auf die Alpha-Software? Wie sehen die Fristen aus bis Ansprüche verfallen?

Sollte das Unternehmen des Praktikanten nun sehr erfolgreich werden und der ehemalige AG nun Ansprüche stellen, könnte dies relevant sein.

Bin auf die interessanten Antworten gespannt.
fodeure
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von fodeure »

BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 00:09hat der AG des Praktikanten ein Anrecht auf die im Praktikum entwickelte Beta Software? Oder auch auf die Alpha-Software?
Die Frage ist verkehrt herum gestellt. Die Frage müßte lauten "Hat der Praktikant ein Anrecht auf die Software" und die Antwort ist Nein. Das alleinige Nutzungsrecht liegt beim AG, da die Software im Rahmen des Praktikums entwickelt wurde.
BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 00:09Wie sehen die Fristen aus bis Ansprüche verfallen?
Es gibt keine Fristen, die Ansprüche für den AG verfallen nicht.
BaillieGifford
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von BaillieGifford »

@fodeure
Im Rahmen des Praktikums wurde allerdings nur die Beta-Version programmiert. Die Programmierung der Alpha-Version erfolgte in der Freizeit und nach Ende des Praktikums. Sollte dann der Anspruch des AG nicht nur für die Beta-Version gelten?

Nehmen wir mal an, die Alpha-Version ist von der Architektur der Software, den Bezeichnungen im Programmcode und der Struktur von Grund auf anders als die Beta Version, sodass es sich im Grunde genommen um keine Weiterentwicklung, sondern eine neue Software mit demselben Zweck, derselben Idee, handelt. Wie sähe dann die Rechtslage aus, hätte der Arbeitgeber Anspruch auf die neue Software?
Tastenspitz
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von Tastenspitz »

Das lässt sich anhand von 3 Sätzen nicht entscheiden. Es geht hierbei um die Details der Entwicklung der Version. Allein schon die Tatsache, dass es hier als Beta und Alpha bezeichnet wird, macht aber deutlich, dass es sich um eine Weiterentwicklung handeln wird. Dann hat der AG nmE. zwar keinen Anspruch auf diese Alpha Version. Der Praktikant kann sie aber auch ohne Zustimmung des Beta Inhabers(= Arbeitgeber) aber auch nicht vermarkten.
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BaillieGifford
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von BaillieGifford »

Danke für die Antworten erstmal. Ich spinne das Ganze mal weiter: lassen wir mal Beta und Alpha weg und nennen die Programme Programm 1 (im Praktikum entwickelt) und Programm 2 (eine Neuentwicklung in der Freizeit, die dieselbe Funktionalität hat, jedoch keinen Code von Programm 1 nutzt). Außerdem ist es wichtig zu sagen, dass im Praktikumsvertrag keine Wettbewerbsklausel enthalten ist und dass, wie beschrieben, die Funktionalität von beiden Programmen nicht geschützt werden kann. Jedem Programmierer würde es leichtfallen, eine Software mit derselben Funktionalität zu erstellen.

Demnach hätte der AG Anspruch auf die Verwertungsrechte von Programm 1 während der Praktikant das Urheberrecht an Programm 1 hat (soweit ich weiß). Zudem hat der Praktikant die Urheber- und Verwertungsrechte an Programm 2. Das wirft für mich zwei interessante Fragen auf:

1) Wie sieht die Rechtslage aus wenn Programm 2 das Urheberrecht von Programm 1 nicht verletzt? M.m.n. wäre die Tätigkeit des Praktikanten dann legal.
2) Sollte Programm 2 das Urheberrecht an Programm 1 verletzen, hätte der AG überhaupt irgendwelche Ansprüche? Der AG hat zwar das Verwertungsrecht, aber das Urheberrecht liegt ja weiterhin beim Praktikanten. Wenn der Praktikant sein eigenes Urheberrecht an Programm 1 verletzt, hat der AG mit dem Verwertungsrecht Ansprüche? Die Frage ist mir gerade gekommen als ich mich erinnert habe, dass Softwarefirmen oft Wettbewerbsklauseln haben (die ja hier nicht vorhanden ist). Könnte es sein, dass der Grund für diese Klauseln genau in der Trennung von Urheber- und Verwertungsrecht liegt, sodass Arbeitnehmer, die willentlich das Urheberrecht an ihrer eigenen, beim AG programmierten Software verletzen um in den Wettbewerb einzutreten dies nicht dürfen?

Ich finde das ist ein wirklich spannendes Gedankenkonstrukt, erinnert stark an Zuckerberg vs. Winkelvoss in den USA als es um den Quellcode von Social-Network-Portal [Name geändert] ging.
Zuletzt geändert von BaillieGifford am 26.07.21, 10:56, insgesamt 1-mal geändert.
Tastenspitz
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von Tastenspitz »

Tastenspitz hat geschrieben: 26.07.21, 10:14 Das lässt sich anhand von 3 Sätzen nicht entscheiden.
Streichen sie "3" und setzen "7". :wink:
Und einer Klage - wenn auch unrealistsich aus Sicht des Praktikanten - wir er sich im Fall der Fälle trotzden zu stellen haben.
Über die Sache entscheidet dann idR. ein Richter auf Basis eines Gutachters, welcher im Auftrag des Gerichts die Versionen abgleicht.
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BaillieGifford
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von BaillieGifford »

Danke für die Antworten erstmal. Ich spinne das Ganze mal weiter: lassen wir mal Beta und Alpha weg und nennen die Programme Programm 1 (im Praktikum entwickelt) und Programm 2 (eine Neuentwicklung in der Freizeit, die dieselbe Funktionalität hat, jedoch keinen Code von Programm 1 nutzt). Außerdem ist es wichtig zu sagen, dass im Praktikumsvertrag keine Wettbewerbsklausel enthalten ist und dass, wie beschrieben, die Funktionalität von beiden Programmen nicht geschützt werden kann. Jedem Programmierer würde es leichtfallen, eine Software mit derselben Funktionalität zu erstellen.

Demnach hätte der AG Anspruch auf die Verwertungsrechte von Programm 1 während der Praktikant das Urheberrecht an Programm 1 hat (soweit ich weiß). Zudem hat der Praktikant die Urheber- und Verwertungsrechte an Programm 2. Das wirft für mich zwei interessante Fragen auf:

1) Wie sieht die Rechtslage aus wenn Programm 2 das Urheberrecht von Programm 1 nicht verletzt? M.m.n. wäre die Tätigkeit des Praktikanten dann legal, aber Du hast Recht, das würde ein Gutachter entscheiden.
2) Sollte Programm 2 das Urheberrecht an Programm 1 verletzen, hätte der AG überhaupt irgendwelche Ansprüche? Der AG hat zwar das Verwertungsrecht, aber das Urheberrecht liegt ja weiterhin beim Praktikanten. Wenn der Praktikant sein eigenes Urheberrecht an Programm 1 verletzt, hat der AG mit dem Verwertungsrecht Ansprüche? Die Frage ist mir gerade gekommen als ich mich erinnert habe, dass Softwarefirmen oft Wettbewerbsklauseln haben (die ja hier nicht vorhanden ist). Könnte es sein, dass der Grund für diese Klauseln genau in der Trennung von Urheber- und Verwertungsrecht liegt, sodass Arbeitnehmer, die willentlich das Urheberrecht an ihrer eigenen, beim AG programmierten Software verletzen um in den Wettbewerb einzutreten dies nicht dürfen?

Ich finde das ist ein wirklich spannendes Gedankenkonstrukt, erinnert stark an Zuckerberg vs. Winkelvoss in den USA als es um den Quellcode von Social-Network-Portal [Name geändert] ging.
fodeure
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von fodeure »

BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 10:09 @fodeure
Im Rahmen des Praktikums wurde allerdings nur die Beta-Version programmiert. Die Programmierung der Alpha-Version erfolgte in der Freizeit und nach Ende des Praktikums. Sollte dann der Anspruch des AG nicht nur für die Beta-Version gelten?
Wie soll das denn gehen? Die Alpha-Version kann nicht nach der Beta-Version programmiert worden sein. Das geht nur umgekehrt.
BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 10:09Nehmen wir mal an, die Alpha-Version ist von der Architektur der Software, den Bezeichnungen im Programmcode und der Struktur von Grund auf anders als die Beta Version, sodass es sich im Grunde genommen um keine Weiterentwicklung, sondern eine neue Software mit demselben Zweck, derselben Idee, handelt. Wie sähe dann die Rechtslage aus, hätte der Arbeitgeber Anspruch auf die neue Software?
Nein.

BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 10:571) Wie sieht die Rechtslage aus wenn Programm 2 das Urheberrecht von Programm 1 nicht verletzt? M.m.n. wäre die Tätigkeit des Praktikanten dann legal,
Ja.
BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 10:57 aber Du hast Recht, das würde ein Gutachter entscheiden.
Nein, ein Gutachter würde gegebenenfalls nur beurteilen, ob das Urheberrecht verletzt wurde. Die Entscheidung würde dann ein Gericht vornehmen.
BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 10:572) Sollte Programm 2 das Urheberrecht an Programm 1 verletzen, hätte der AG überhaupt irgendwelche Ansprüche?
Ja.
BaillieGifford hat geschrieben: 26.07.21, 10:57Der AG hat zwar das Verwertungsrecht, aber das Urheberrecht liegt ja weiterhin beim Praktikanten. Wenn der Praktikant sein eigenes Urheberrecht an Programm 1 verletzt, hat der AG mit dem Verwertungsrecht Ansprüche?
Ja.
FM
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von FM »

Es hängt nicht nur vom Quellcode ab.

Auch das Ergebnis in Form der Gestaltung dessen, was man auf dem PC sieht, kann relevant sein. Selbst wenn das gleiche Ergebnis technisch ganz anders erreicht wurde.

Da ich von Programmieren nichts verstehe nehme ich mal ein anderes Beispiel: wenn es um einen Text geht, der im Original auf einer mechanischen Schreibmaschine getippt wurde, kann eine Kopie auch dann illegal sein, wenn sie mit einem Fotokopiergerät, einer Textverarbeitung oder einer Kamera hergestellt wurde.
Froggel
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Re: Als Praktikant Software geschrieben - wem gehört sie?

Beitrag von Froggel »

Ich sehe das eher so, dass der Arbeitgeber keinen Anspruch auf die neue Software hat. Zum einen ist sie in einer anderen Programmiersprache geschrieben, zum anderen ist das Produkt ausgefeilter.
Auch ist fraglich, ob der Arbeitgeber seinen Praktikanten angemessen für die Software bezahlt hat, was gerade beim Praktikum nicht unbedingt der Fall ist, da Praktika üblicherweise nicht nach Tarif bezahlt werden. Zwar wird normalerweise davon ausgegangen, dass die Entwicklung einer Software während der Arbeitszeit, auch wenn sie nebenher geschieht, mit dem Entgelt abgegolten ist (§ 69 UrHG), aber dazu muss die Bezahlung auch verhältnismäßig sein. Keinen unentgeltlichen Nutzungsanspruch hat der Arbeitgeber, wenn der Praktikant sie nicht auf Kosten des Arbeitgebers, also zu Hause in seiner Freizeit entwickelt hat. Entsprechend hätte der Praktikant möglicherweise zusätzlich Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 32 UrHG).

Jedenfalls hat der EuGH ein recht eindeutiges Urteil bezüglich den Schutz von Software gefällt. Zwar handelt es sich hier um den gleichen Entwickler, aber das Endprodukt, das entstanden ist, ist ein anderes. Es ist keine Kopie der ursprünglichen Version, die Ausdrucksform ist eine andere.
Er bestätigt dabei, dass die «Software-Richtlinie» (2009/24/EG) nur Ausdrucksformen eines Computerprogramms schützt, nicht aber die Ideen und Grundsätze, die der Logik, den Algorithmen und den Programmsprachen zugrunde liegen. Weder die Funktionalität noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, stellen nach Ansicht des Gerichtshofs eine Ausdrucksform dar, weshalb ein Schutz durch die Software-Richtlinie ausgeschlossen sei. Wenn somit ein Lizenznehmer, der keinen Zugang zum Quellcode der Software hatte und auch den Objektcode nicht dekompiliert hat, das Verhalten des Programms beobachtet, untersucht und testet und auf dieser Grundlage unter Verwendung derselben Programmiersprache und desselben Dateiformats die Funktionalität der Software nachbildet, liegt grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung vor. Der EuGH betont jedoch, dass die Programmiersprache und das Dateiformat unter Umständen durch das allgemeine Urheberrecht nach der «Informationsrichtlinie» (2001/29/EG) geschützt sein können.
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