Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

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certi
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Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von certi »

Hallo Community,

gehen wir mal davon aus, dass Tarifverträge o.Ä. nicht existieren. Es sind also nur Arbeitsvertrag & Arbeitsrecht relevant. Nehmen wir ferner an, es handelt sich um einen Teilzeitvertrag für einen Studenten.
Arbeitszeit
Die erwartete regelmäßige Arbeitszeit wird voraussichtlich ca. 30 Wochenstunden betragen. Lage und Verteilung der Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen (entsprechend Anweisungen des Arbeitgebers).
"Ca. 30 Wochenstunden", da mündlich vereinbart wurde, in der vorlesungsfreien Zeit - zumindest nach etwaigen Prüfungen - 40 Wochenstunden zu arbeiten und während der vorlesungszeit im Semester - sofern notwendig für das Teilzeitstudium - ggf. auf 25 Wochenstunden zu reduzieren.

Zu Überstunden steht im Arbeitsvertrag ausschließlich folgendes:
Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, Überstunden sowie Feiertags-, Sonntags-, und Nachtarbeit zu leisten, soweit dies von dem jeweiligen Vorgesetzten angeordnet wird und dies zu der Erbringung der Arbeitsleistung notwendig und gesetzlich zulässig ist.
(1) Ist dann, trotz der Formulierung "voraussichtlich ca. 30 Wochenstunden", jedwede Arbeit nach 30h/Woche als Überstunde zu werten?

(2) Die Vergütung ist nur in einem einzigen Satz "Vergütung beträgt X Eur pro Stunde" geregelt. Ergibt sich daraus dann ein rechtlicher Anspruch auf Vergütung jeder einzelnen, geleisteten Arbeitsstunde (also auch der Überstunden)? Zu dem vollen Satz von X Euro pro Stunde? Zum umgangssprachlichen "Abbummeln" von Überstunden (oder überhaupt irgendeiner anderen Lösung) steht im Arbeitsvertrag nichts.

(3) Sind Klauseln, die Feiertags-, Sonntags-, und Nachtarbeit einfordern, üblich und gesetzlich zulässig? Zu einer erhöhten Vergütung für "Feiertags-, Sonntags-, und Nachtarbeit" steht nichts im Arbeitsvertrag. Hätte man gesetzlich Anspruch auf erhöhte Vergütung für solche Fälle? Oder besondere Ruhezeit-Regelungen?
Tastenspitz
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von Tastenspitz »

Wenn sie nicht genau wissen, wann sie wieviel arbeiten können, was sollte dann dort drinstehen? Der Passus Vergütung ist selbsterklärend und der Rest wohl Standard in allen Verträgen in dem Unternehmen. Die Regelungen zu Sonn und Feiertagsarbeit siehe das Arbeitszeitgesetz.
certi
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von certi »

Ich hatte durchaus mit einer solchen Formulierung gerechnet, würde aber dennoch gerne Rechtssicherheit haben, was mit einer derartigen Formulierung als regelmäßige Arbeitszeit und was als Überstunden angesehen wird.

Unter anderem ist das ja auch für Urlaubsanspruch ("gemäß der gesetzlichen Regelungen") relevant oder Lohnfortzahlung bei Krankheit.

Abgesehen davon ist mir eben nicht klar, ob so eine vage Formulierung auch dazu dienen kann, mich längerfristig 40h oder mehr arbeiten zu lassen und dies aber z.B. nur als Überstunden zählt, sodass sich etwa Urlaubsanspruch nicht erhöht.

Grundsätzlich begrüße ich auch die Auszahlung jedweder Arbeitsstunde, wollte aber auch hier einfach nur Rechtssicherheit. Auch ob man etwa gesonderte Ansprüche auf extra Ruhezeiten oder Vergütung für solche Überstunden an Sonntagen, Nachtarbeit oder Feiertagen hätte.
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

Hallo,
(1) Ist dann, trotz der Formulierung "voraussichtlich ca. 30 Wochenstunden", jedwede Arbeit nach 30h/Woche als Überstunde zu werten?
Spielt keine Rolle, da es gesetzlich keinen Zuschlag auf Überstunden gibt.
(2) Die Vergütung ist nur in einem einzigen Satz "Vergütung beträgt X Eur pro Stunde" geregelt. Ergibt sich daraus dann ein rechtlicher Anspruch auf Vergütung jeder einzelnen, geleisteten Arbeitsstunde (also auch der Überstunden)?
Natürlich muss jede einzelne gearbeitete Stunde bezahlt werden, und zwar mit dem vereinbarten Stundenlohn. Vorausgesetzt, der AG hat die Arbeitszeit angeordnet oder der AG hat gesagt "Du bleibst bis du mit xxxx fertig bist". Die Zeit die der AN "freiwillig" am Arbeitsplatz verbringt ohne für diese Zeit eingeteilt worden zu sein, muss nicht bezahlt werden.
Zum umgangssprachlichen "Abbummeln" von Überstunden (oder überhaupt irgendeiner anderen Lösung) steht im Arbeitsvertrag nichts.
Wenn kein Arbeitszeitkonto vereinbart ist, gibt es auch kein "Abbummeln". Die im Monat geleisteten Stunden werden mit der jeweiligen Monats-Lohnabrechnung abgerechnet.
(3) Sind Klauseln, die Feiertags-, Sonntags-, und Nachtarbeit einfordern, üblich und gesetzlich zulässig?
Wenn in dem Betrieb Feiertags- Sonntags- und Nachtarbeit anfällt, dann ist es üblich und notwendig, dies in den Arbeitsvertrag zu schreiben, weil ein AN ansonsten nicht an Feiertagen, Sonntags und nachts arbeiten müsste. Es ist gesetzlich zulässig nachts zu arbeiten im Rahmen von § 6 Arbeitszeitgesetz, Feiertags- und Sonntagsarbeit ist zulässig im Rahmen von § 9 ArbZG oder der Betrieb braucht eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 10 ArbZG).
Zu einer erhöhten Vergütung für "Feiertags-, Sonntags-, und Nachtarbeit" steht nichts im Arbeitsvertrag.
Zuschläge für Nachtarbeit stehen in § 6 Abs 5 ArbZG, für Sonntage und Feiertage gibt es keine gesetzlichen Zuschläge.
Oder besondere Ruhezeit-Regelungen?
Die allgemeinen Ruhezeiten stehen in § 5 ArbZG, für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung gilt außerdem § 11 ArbZG.
Grüße, Susanne
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

Unter anderem ist das ja auch für Urlaubsanspruch ("gemäß der gesetzlichen Regelungen") relevant oder Lohnfortzahlung bei Krankheit.
Wenn Sie als "Werkstundent" eingestellt sind, haben Sie keine Lohnfortzahlung bei Krankheit (dafür ein höheres netto).
Bei der Berechnung des Urlaubsentgelt würde ich erstmal abwarten, ob der AG überhaupt unterscheidet zwischen Überstunden und Normalstunden, bzw. wenn mal mal mehr, mal weniger als 30 Stunden pro Woche arbeitet, würde ich ein Urlaubsentgelt auf Basis von 30 Stunden für fair halten.
mich längerfristig 40h oder mehr arbeiten zu lassen und dies aber z.B. nur als Überstunden zählt, sodass sich etwa Urlaubsanspruch nicht erhöht.
Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt 24 Werktage nach § 3 BUrlG (also 4 Wochen), das wird auch nicht mehr wenn man mehr Stunden arbeitet.
Grüße, Susanne
certi
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von certi »

@SusanneBerlin es ist kein Werkstudentenvertrag, da >20h/Woche. Regulärer Arbeitsvertrag mit 30h Teilzeitvereinbarung.

Der Urlaubsanspruch beträgt 17 Tage, 16 wäre das Minimum bei einer 4-Tage-woche. Das geht aber eben von dauerhaft 30h aus. Wenn man also häufig Überstunden hätte, die einem nach Vertrag jederzeit zuzumuten sind, hätte man einen Nachteil, da sich doch der Urlaubsanspruch gesetzlich nur Richtung 24 Tage erhöhen würde, wenn ich nach Vertrag mehr als 30h arbeiten würde?!
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

Erklären Sie dochmal, woher Sie die Annahme haben, dass sich die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage von der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit abhängt. Dann kann ich darauf eingehen. Im Moment schreiben wir aneinander vorbei, weil Sie von anderen Rechtsfolgen ausgehen als ich.
Der Urlaubsanspruch beträgt 17 Tage, 16 wäre das Minimum bei einer 4-Tage-woche.
Richtig.

Wenn der AN keine 4-Tage-Woche hat, sondern 5-Tage-Woche, ist der gesetzliche Urlaubsanspruch entsprechend höher. Es kommt nicht darauf an, wieviele Stunden pro Woche gearbeitet werden.

Es kommt dabei darauf an, wieviele Tage pro Woche tatsächlich regelmäßig gearbeitet wird. Nur weil im Vertrag steht, dass der AN zu Überstunden verpflichtet ist und es deswegen theoretisch passieren könnte, dass er dann mal gelegentlich einen zusätzlichen Tag arbeitet, daraus ergibt sich noch kein Urlaubsanspruch.
Zuletzt geändert von SusanneBerlin am 13.03.19, 09:26, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße, Susanne
certi
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von certi »

Die Formulierung zu den Überstunden, in Zusammenhang mit dem obligatorischen "der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeitskraft gänzlich dem Arbeitgeber zu widmen und bei gesonderter Erfordernis auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus (...)" liest sich für mich als Laien so, als könnte ich, vor allem wenn gerade keine gesonderten Pflichten im Studium dagegen sprechen, zu weit mehr als 30h seitens des AG aufgefordert werden und das auch beliebig mehrfach hintereinander.

Der Urlaubsanspruch beläuft sich ja auf die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit, genauso wie afaik Urlaubsentgelt, Fortzahlung im Krankheitsfall und Dergleichen. Bei einer 4-Tage-Woche, wie im Vertrag vereinbart, wäre der Mindestanspruch bzgl. Urlaub beispielsweise 16 Tage (respektive 17, die mir der AG gewährt). Würde ich jetzt aber häufig Überstunden leisten, also etwa auf 35h oder gar mehr herauskomnmen, dann wäre dies doch nachteilig für mich bezüglich der eben erwähnten Dinge? Ich würde ja, wegen der vertraglich vereinbarten 30h, z.B. nur Anspruch auf die 16 Tage Urlaub haben, nicht aber Richtung 24, die z.B. bei Vollzeit zustehen würden - oder täusche ich mich da?
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

Ich habe in der Zwischenzeit meinen vorigen Beitragnoch ergänzt.
Grüße, Susanne
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

Würde ich jetzt aber häufig Überstunden leisten, also etwa auf 35h oder gar mehr herauskomnmen, dann wäre dies doch nachteilig für mich bezüglich der eben erwähnten Dinge?
Wenn im Quartalsdurchschnitt dauerhaft mehr als 30 Wochenstunden herauskommen, z.B. 35h oder mehr, dann würde eine konkludente Vertragsänderung auf z.B. 35 Wochenstunden angenommen werden und im Arbeitsvertrag steht ja ohnehin "ca." 30 Stunden.

Der Anspruch auf Lohnfortzahlung und Urlaubsentgelt würde sich dann aus den tatsächlich regelmäßig gearbeiteten 35 Wochenstunden ergeben.
Grüße, Susanne
certi
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von certi »

Vielen Dank, dadurch wird das Bild schon klarer.

Grundsätzlich ist das Verhältnis bis jetzt auch sehr fruchtbar und angenehmen; ich gehe nicht von Komplikationen aus. Nichtsdestoweniger bin ich aber immer gerne vorher schon auf das "worst-case-Szenario" vorbereitet. Ohne Erhöhung des Urlaubsanspruchs wäre jetzt also kaum eine regelmäßige Ausnutzung einer Überstundenregelung machbar - würde ich jetzt daraus schließen - da selbst mit Überstundenregelung Arbeitszeiten von über 12h pro Tag gesetzlich nicht zugelassen sind, richtig? D.h. bei immensen, regelmäßigen Überstunden würde man auch regelmäßig 5 (oder gar 6) Tage arbeiten und entsprechend ausgedehnte Rechte haben?!
certi
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von certi »

SusanneBerlin hat geschrieben:Der Anspruch auf Lohnfortzahlung und Urlaubsentgelt würde sich dann aus den tatsächlich regelmäßig gearbeiteten 35 Wochenstunden ergeben.
Das hört sich sehr gut an und klärt die wichtigen Fragen, Danke. Es ist nicht zufällig noch direkt ein Paragraph dazu zitierbar?

Bis dato hatte ich nur Kontakt mit Werkstudentenverträgen, insofern sind "umfassendere Machwerke" noch Neuland ;)
matthias.
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von matthias. »

SusanneBerlin hat geschrieben:Wenn Sie als "Werkstundent" eingestellt sind, haben Sie keine Lohnfortzahlung bei Krankheit (dafür ein höheres netto).

Falsch!

Was ein Werkstudente nicht hat ist Krankengeld von der Krankenkasse, die ersten 6 Wochen zahlt der Arbeitgeber natürlich Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

MfG
Matthias
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

Die gesetzlichen Regelungen sind im BUrlG und im Entgeltfortzahlungsgesetz zu finden .

Einen Paragraf der dem AG verbietet, Arbeitsverträge mit 30 Wochenarbeitsstunden abzuschließen, dauerhaft jede Woche 5 oder 10 Überstunden zu fordern aber das Urlaubsentgelt und Lohnfortzahlung nur mit 30 Stunden anzusetzen, gibt es so direkt nicht, man würde sich dann eben als AN auf die regelmäßige Arbeitszeit bzw. auf die Verdiensterhöhung nicht nur vorübergehender Natur berufen.
Grüße, Susanne
SusanneBerlin
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Re: Überstundenvergütung und Definition von Überstunden

Beitrag von SusanneBerlin »

matthias. hat geschrieben:
SusanneBerlin hat geschrieben:Wenn Sie als "Werkstundent" eingestellt sind, haben Sie keine Lohnfortzahlung bei Krankheit (dafür ein höheres netto).

Falsch!

Was ein Werkstudente nicht hat ist Krankengeld von der Krankenkasse, die ersten 6 Wochen zahlt der Arbeitgeber natürlich Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Ja richtig, du hast natürlich recht. Ich habe das durcheinander gebracht.
Grüße, Susanne
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