lerchenzunge hat geschrieben: ↑11.10.19, 09:20
mit dem letzten Satz widerlegen Sie sich selbst, stellen im Gegenteil dar, dass es ziemlich sicher, dass es nicht einfach eine anlasslose Diskriminierung ist, dass Alleinerziehende oft schlechter verdienen oder groessere Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben:
Einen billigeren Angestellten bei gleicher Leistung zu erhalten, das strebt doch jeder Arbeitgeber an. Keinen Arbeitgeber interessiert das persoenliche Lebensmodell des Angestellten, kein AG hat was persoenlich gegen Alleinerziehende und behandelt die nur deshalb schlechter. Wenn also Alleinerziehende grundsaetzlich bei gleicher Leistung billiger waeren, wuerden sie besonders leicht auf dem Arbeitsmarkt Jobs finden und die teureren Angestellten, Maenner und Frauen, die nicht alleinerziehend sind, verdraengen! Und die entsprechend gesteigerte Nachfrage nach Alleinerziehenden und die zurueckgehende Nachfragen nach Nicht-Alleinerziehenden wuerde dann zu einer Angleichung der Gehaelter von beiden Richtungen aus fuehren.
Das ist ein schöner Zirkelschluss, Sie behaupten, es gibt keine Diskriminierung und begründen das mit der These, dass Arbeitgeber nicht diskriminieren.
Wenn Einstellungsentscheidungen allein unter sachlichen Gesichtspunkte getroffen werden würden, hätten sie Recht, die Gehälter würden sich angleichen. Bekanntermaßen werden diese Entscheidungen aber oft nach unsachlichen Kriterien getroffen, und da beginnt dann die Diskriminierung:
"Der ist ein Ossi, ich mag keine Ossis" => unsachlich, aber nach der Rechtsprechung keine Diskriminierung
"Wir sind eine junge Truppe und das soll so bleiben." => hat nichts mit der Qualifkation eines Bewerbers zu tun und ist eine Diskriminierun nach dem AGG
Daneben gibt es aber auch aus der Sicht des AG durchaus sachlich begründbare Diskriminierungen, die aber nach dem Gesetz dennoch verboten sind, z. B. wenn eine Firma keine Frauen einstellt, weil "die ja doch irgendwann schwanger werden" oder "weil wir keine Damentoiletten haben".
Meine eigene Erfahrung, voellig unabhaengig vom hier besprochenen konkreten Fall: Flexibilitaet ist ein ganz erheblicher Gehaltsfaktor! Wenn der Chef um 16:30 Uhr ins Buero kommt und sagt, dieser Bericht muss unbedingt noch heute fertiggemacht werden, wer ist bereit, Ueberstunden zu machen, und die eine Angestellte sagt laechelnd "Kein Problem, ich ruf kurz zuhause an, dass es heute spaeter wird" und die andere bekommt Panik in die Augen und sagt "Unmoeglich, ich muss doch mein Kind von der Tagesmutter abholen, keine 10 Minuten kann ich laenger bleiben", dann ist klar, wer bei der naechsten Gehaltsrunde einen Bonus bekommt. Wenn der Chef sagt "Der Kunde in Hintertimbuktu will unbedingt, dass wir persoenlich vorbeikommen, also ab kommenden Montag drei Wochen Dienstreise nach Hintertimbuktu" und die eine Angestellte sagt "Toll, da wollte ich schon immer mal hin" und die andere "Voellig unmoeglich, ich habe niemanden, der sich in der Zeit um Kind/Haushalt/Hund etc. kuemmern kann", dann ist klar, wessen Vertrag entfristet wird und wer einen feuchten Haendedruck am Vertragsende bekommt.
Naja, das sind die sattsam bekannten Beispiele, mit denen DIskriminierung gerechtfertigt wird. "Alleinerziehende sind unflexibel". Wenn man sich das genauer anschaut, dann stellt man fest ...
- es gibt flexible und unflexible Alleinerziehende, genauso wie es flexible und unflexible Kinderlose gibt. Auch ledigen Angestellten macht es nicht unbedingt Spass, 3 Wochen weg von zu Hause zu sein, oder sie haben für den Abend eine Konzertkarte, oder einfach keine Lust, länger zu bleiben. Vielleicht haben sie in der konkreten Situation keine guten Argumente. Wenn der AG aber nicht auf ihre Belange Rücksicht nimmt, bekommt er irgendwann die Quittung dafür, sei es durch Minderleistung (wenn man weiß, dass man sowieso erst spät aus dem Büro herauskommt, teilt man sich seine Kräfte ein) oder durch eine Kündigung.
- dass der Bericht überhaupt nur deswegen in letzter Minute erstellt werden musste, weil der Vorgesetzte oder auch die ganze Firma miserabel organisiert ist.
- dass die "unflexible" Angestellte in Summe vielleicht dennoch mehr leistet als die "flexible" Angestellte. (Z. B. Teilzeitangestellte leisten in 6 Stunden mitunter genau das Gleiche wie ihre Kollegen mit 8 und mehr Stunden pro Tag. Sie verbringen nur weniger Zeit am Kaffeeautomaten und in nutzlosen Meetings.)
- dass auch die Mutter mit Kind den Bericht problemlos am Abend fertigstellen könnte, wenn es in der Firma die Möglichkeit gäbe, von Zuhause zu arbeiten.
Natürlich, es gibt bestimmte Berufe, da passt es nicht. Das kann man aber nicht einfach am Alleinerziehendenstatus festmachen.
Damit gehen Sie aber nur auf das Thema "alleinerziehend" ein. Im vorliegenden Fall spielte sicher auch das Alter der Bewerberin eine Rolle.