Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Moderator: FDR-Team

Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

In BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20 (https://dejure.org/2021,10945) https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp- ... 279-20.pdf geht es um die These, Behauptung, Feststellung (sucht Euch was aus), dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch trotz Schwerbehinderung wegen Nichterreichens einer Mindestnote im Stellenprofil nicht erfolgen müsse.

In wie weit gilt dies auch für sogenannte zweistufige Einstellungsverfahren?

Bislang fand ich hierzu lediglich
Eignungstests sind regelmäßig Bestandteil des Auswahlverfahrens. Einstellungsbewerber, die dem Anforderungsprofil entsprechen, werden vom öffentlichen Arbeitgeber benachteiligt, wenn sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil sie einen Eignungstest nicht bestanden haben.
aus LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.09.2015 - 3 Sa 36/15 Quelle: https://openjur.de/u/871101.html

Jetzt habe ich gehört, 8 AZR 279/20 gelte neuerdings für zweistufige Einstellungsverfahren, also dass nur die, die bei einem schriftlichen Einstellungstest die Note gut erreichen - unabhängig, ob schwerbehindert oder nicht - zu einem Vorstellungsverfahren eingeladen werden.

Gilt für zweistufige Einstellungsverfahren 8 AZR 279/20 oder nach wie vor 3 Sa 36/15 bzw. wo finde ich einen Hinweis, dass https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp- ... 279-20.pdf für zweistufige Einstellungsverfahren gilt? Vielleicht bin ich mal wieder mit Blindheit geschlagen, aber ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp- ... 279-20.pdf für zweistufige Einstellungsverfahren gilt.

Wie sieht hier die Rechtslage aus?

Vielen Dank im Voraus.
Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

Oder greift bei den zwei- bzw. mehrstufigen Einstellungsverfahren eher https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp- ... 279-20.pdf, wo es heißt:
2. Erfüllen schwerbehinderte bzw. ihnen gleichgestellte behinderte Menschen nach ihren Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei eine zulässig bestimmte und im Anforderungsprofil ausdrücklich und eindeutig bezeichnete fachliche Eignungsanforderung - wie etwa die Absolvierung eines zulässig geforderten Ausbildungsabschlusses mit einer bestimmten Mindestnote - nicht, reicht dies allein nicht aus, um den Arbeitgeber nach § 165 Satz 4 SGB IX von der in § 165 Satz 3 SGB IX bestimmten Verpflichtung zu befreien, den/die Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Oktavia
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 7174
Registriert: 15.02.08, 02:19

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Oktavia »

"Alte Leute sind gefährlich; sie haben keine Angst vor der Zukunft."
George Bernard Shaw

#WIRSINDMEHR
Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

vielen Dank, ich werde mir die Entscheidung und auch die Entscheidungen, die darauf Bezug nehmen mal in Ruhe zu Gemüte führen.

Die Sache hat sich scheinbar ohnehin erledigt, weil mir jetzt mitgeteilt wurde, dass die Stelle in diesem Jahr nicht besetzt werden wird, weil niemand (nein, auch ich nicht) egal ob behindert oder nicht die vorgegebene Testnote erreicht hat
Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

Ich habe mal wieder eine Rückfrage zur Rechtslage, und zwar, wie sieht es in diesem Zusammenhang mit § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG (https://dejure.org/gesetze/AGG/15.html#Abs4:S1)
(4) 1Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart
in Verbindung mit https://dejure.org/gesetze/ZPO/167.html
§ 167
Rückwirkung der Zustellung
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
aus, wenn der Kläger die Klage innerhalb der Frist in den Fristenbriefkasten des Gerichts einwirft, weil der Kläger mit der Beklagten vorher - leider vergeblich - versucht,, ohne Gericht einen Konsens mit der Beklagten zu erzielen, die Klage aber - vermutlich wegen Überlastung des Richters (m/w/d) über einen Monat später bei der Beklagten zugestellt wird, so dass ca. drei Monate nach der Absage vergangen sind.

Wo finde ich die entsprechende Rechtsprechung? Aus https://jura-online.de/blog/2020/02/21/ ... 7-167-zpo/ werde ich nicht wirklich schlau. Könnte der Kläger theoretisch gegen das Gericht vorgehen, wenn die lange
Laufzeit
auf die Kappe des Gerichts geht?
ExDevil67
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 8332
Registriert: 17.01.14, 09:25

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von ExDevil67 »

Niemand2000 hat geschrieben: 28.08.22, 14:07 wenn der Kläger die Klage innerhalb der Frist in den Fristenbriefkasten des Gerichts einwirft,
Ich meine damit gilt die Frist als gewahrt.
Soll Anwälte geben bei denen es grundsätzlich nach Weihnachten keinen Urlaub gibt, weil die ihre Mandanten kennen und genau wissen das vor Weihnachten diese mit den Forderungen ankommen die am Jahresende verjähren und bei denen noch schnell ein Mahnbescheid beantragt werden muss um die Verjährung zu stoppen. Die Mahnbescheide gehen aber regelmäßig dann erst im neuen Jahr den Schuldnern zu.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von FM »

Die allgemeine Rechtslage ergibt sich nicht aus Urteilen, sondern aus dem Gesetz. Und da steht schon:
"Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt." (§ 165 SGB IX)

"dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch trotz Schwerbehinderung wegen Nichterreichens einer Mindestnote im Stellenprofil nicht erfolgen müsse" fällt darunter.
Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

ExDevil67 hat geschrieben: 28.08.22, 15:27Ich meine damit gilt die Frist als gewahrt.
das sehe ich auch so, wobei mich natürlich auch interessiert, wie in diesem Zusammenhang
demnächst
https://dejure.org/gesetze/ZPO/167.html gewertet werden könnte.
FM hat geschrieben: 28.08.22, 18:48Die allgemeine Rechtslage ergibt sich nicht aus Urteilen, sondern aus dem Gesetz. Und da steht schon:
"Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt." (§ 165 SGB IX)

"dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch trotz Schwerbehinderung wegen Nichterreichens einer Mindestnote im Stellenprofil nicht erfolgen müsse" fällt darunter.
keine Widerrede, aber was ist, wenn eine schwerbehinderte Person aufgrund seiner Noten eingeladen wird, den schriftlichen Einstellungstest aber verhaut und deshalb bei einem mehrstufigen Einstellungstest nicht weiter berücksichtigt wird? Muss die schwerbehinderte Person dann nicht trotzdem zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden?
3. Der Begriff "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF ist dahin auszulegen, dass er - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente des Verfahrens der Personalauswahl unabhängig von ihrer Bezeichnung, der angewandten Methode und der konkreten Durchführungsform erfasst, die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich sind, um sich ein umfassendes Bild von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers zu machen.
https://openjur.de/u/2341449.html Hier würde mich auch interessieren, ob es zu den mehrstufigen Auswahlprozessen eine neuere Rechtsprechung gibt bzw. wie hier die Experten und die Laien die Rechtslage sehen
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von FM »

Niemand2000 hat geschrieben: 28.08.22, 19:26
ExDevil67 hat geschrieben: 28.08.22, 15:27Ich meine damit gilt die Frist als gewahrt.
das sehe ich auch so, wobei mich natürlich auch interessiert, wie in diesem Zusammenhang
demnächst
https://dejure.org/gesetze/ZPO/167.html gewertet werden könnte.
FM hat geschrieben: 28.08.22, 18:48Die allgemeine Rechtslage ergibt sich nicht aus Urteilen, sondern aus dem Gesetz. Und da steht schon:
"Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt." (§ 165 SGB IX)

"dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch trotz Schwerbehinderung wegen Nichterreichens einer Mindestnote im Stellenprofil nicht erfolgen müsse" fällt darunter.
keine Widerrede, aber was ist, wenn eine schwerbehinderte Person aufgrund seiner Noten eingeladen wird, den schriftlichen Einstellungstest aber verhaut und deshalb bei einem mehrstufigen Einstellungstest nicht weiter berücksichtigt wird?
Da gilt dasselbe, sofern das Bestehen des Tests auch zu den fachlichen Voraussetzungen gehört - also z.B. bei einem Juristen, der nicht nur die Befähigung zum Richteramt haben muss, sondern auch sehr gute französische Sprachkenntnisse, die mit dem Eignungstest überprüft wurden, aber ohne Erfolg. Ggf. ist beim Test ein Nachteilsausgleich zu gewähren, also z.B. wenn der Bewerber blind ist wäre eher ein Test am PC als mit Papier sinnvoll.
Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

FM hat geschrieben: 28.08.22, 20:13Da gilt dasselbe, sofern das Bestehen des Tests auch zu den fachlichen Voraussetzungen gehört
Hier würde mich die aktuelle Rechtsprechung interessieren; alle Entscheidungen, die ich fand bzw. mir von Oktavia mitgeteilt wurden, sagen bei den mehrstufigen Auswahlverfahren folgendes aus
3. Der Begriff "Vorstellungsgespräch" in § 82 Satz 2 SGB IX aF ist dahin auszulegen, dass er - auch bei mehrstufigen Auswahlprozessen - grundsätzlich alle Instrumente des Verfahrens der Personalauswahl unabhängig von ihrer Bezeichnung, der angewandten Methode und der konkreten Durchführungsform erfasst, die nach der eigenen Konzeption des Arbeitgebers erforderlich sind, um sich ein umfassendes Bild von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers zu machen.
bzw.
Eignungstests sind regelmäßig Bestandteil des Auswahlverfahrens. Einstellungsbewerber, die dem Anforderungsprofil entsprechen, werden vom öffentlichen Arbeitgeber benachteiligt, wenn sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil sie einen Eignungstest nicht bestanden haben.
https://openjur.de/u/871101.html
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von FM »

Wenn er am Eignungstest teilnehmen konnte und dieser Teil des Vorstellungsgesprächs ist, wurde er doch zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Warum sollte man den Vorgang noch verlängern wenn bereits objektiv feststeht, dass er ungeeignet ist?
ExDevil67
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 8332
Registriert: 17.01.14, 09:25

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von ExDevil67 »

Auch bei gestuften Verfahren würde ich sagen greift das ich Schwerbehinderte bei offensichtlich fehlender Eignung nicht einladen muss. Und wenn jemand in Stufe 1 die Anforderungen nicht erfüllt muss er für Stufe 2 mangels Eignung nicht eingeladen werden. Meiner Meinung nach jedenfalls.
Niemand2000
Topicstarter
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 3453
Registriert: 02.07.08, 18:42

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von Niemand2000 »

FM hat geschrieben: 28.08.22, 21:02Wenn er am Eignungstest teilnehmen konnte und dieser Teil des Vorstellungsgesprächs ist, wurde er doch zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
In meinem fiktiven Fall war der Eignungstest nicht Teil des Vorstellungsgesprächs, sondern ein reiner Computertest.

Jetzt aber mal eine ganz andere Frage,. können Eignungstest Teil des Vorstellungsgesprächs werden/sein? Habe ich noch nie gehört. Wo finde ich im Internet Beispiele dazu?
ExDevil67 hat geschrieben: 28.08.22, 21:04 Auch bei gestuften Verfahren würde ich sagen greift das ich Schwerbehinderte bei offensichtlich fehlender Eignung nicht einladen muss. Und wenn jemand in Stufe 1 die Anforderungen nicht erfüllt muss er für Stufe 2 mangels Eignung nicht eingeladen werden. Meiner Meinung nach jedenfalls.
Genau hier würde mich die aktuelle Rechtsprechung bzw. das Aktenzeichen interessieren, die dies untermauert, wobei mir würde eigentlich nur ein Aktenzeichen genügen damit ich Nachlesen kann.
ExDevil67
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 8332
Registriert: 17.01.14, 09:25

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von ExDevil67 »

Niemand2000 hat geschrieben: 28.08.22, 21:23 Genau hier würde mich die aktuelle Rechtsprechung bzw. das Aktenzeichen interessieren, die dies untermauert, wobei mir würde eigentlich nur ein Aktenzeichen genügen damit ich Nachlesen kann.
Die Quelle würde ich sagen haben Sie schon selber gefunden mit 8 AZR 45/19 vom 27.8.2020 vom BAG. Wenn es als Teil 1 einen Computertest gibt und nur der zu Teil 2 eingeladen wird der besteht, dann hat der AG mit Einladung zu Teil 1 die Anforderungen bezüglich Schwerbehinderten erfüllt.
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Rückfrage zu BAG, Entscheidung vom 29. April 2021 - 8 AZR 279/20

Beitrag von FM »

Niemand2000 hat geschrieben: 28.08.22, 21:23
FM hat geschrieben: 28.08.22, 21:02Wenn er am Eignungstest teilnehmen konnte und dieser Teil des Vorstellungsgesprächs ist, wurde er doch zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
In meinem fiktiven Fall war der Eignungstest nicht Teil des Vorstellungsgesprächs, sondern ein reiner Computertest.
Siehe den Beitrag von Niemand2000 » 28.08.22, 19:36
Antworten Thema auf Facebook veröffentlichen Thema auf Facebook veröffentlichen