Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

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Gebrandmarkter
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Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

Beitrag von Gebrandmarkter »

In einem imaginären Arbeitsvertrag steht folgendes:
Forenregeln beachten.
Ich würde gerne für folgenden theoretischen Sachverhalt wissen, ob man gegen die Klausel verstoßen würde:

Gegebeben:
Eine Firma bei der die Gehaltsfindung nicht in einem individuellen Gespräch stattfindet, sodern in einem Rankingverfahren (bedeutet man wird aufgrund der Leistung in einem nicht öffentlichen Verfahren eingestuft und das Gehalt wird auf Basis eines geheimen Schlüssels angepasst). Man kann also nicht über das Gehalt verhandeln.

Frage:
Verstößt man gegen die Klauseln oben, wenn man öffentlich sagt, dass:
A) es anstatt Verhandlungen ein Rankingverfahren zur Gehaltsfindung gibt
und/oder
B) man keine Möglichkeit hat über das Gehalt zu verhandeln
?
Gruß und danke!
Zuletzt geändert von ktown am 18.03.23, 14:29, insgesamt 1-mal geändert.
matthias.
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Re: Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

Beitrag von matthias. »

Was meinst du denn mit öffentlich sagen?

Das bei Social-Network-Portal [Name geändert] posten?


Ansonsten würde ich sagen man sollte es unterlassen, solche Interna z.b. bei Social-Network-Portal [Name geändert] oder soziales Netzwerk XY o,ae, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Auch wenn es vielleicht im Einzelfall sogar zulässig wäre ist man schnell im Bereich des Vertrauensverlustes und seinen Job trotzdem los oder hat erstmal nen Kündigungsschutzprozess durchzustehen, wo am Schluss als Kompromiss ne Abfindung rauskommt.
Zuletzt geändert von ktown am 18.03.23, 14:30, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Klarnamen entfernt
FM
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Re: Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

Beitrag von FM »

Gebrandmarkter hat geschrieben: 18.03.23, 08:50 Eine Firma bei der die Gehaltsfindung nicht in einem individuellen Gespräch stattfindet, sodern in einem Rankingverfahren (bedeutet man wird aufgrund der Leistung in einem nicht öffentlichen Verfahren eingestuft und das Gehalt wird auf Basis eines geheimen Schlüssels angepasst). Man kann also nicht über das Gehalt verhandeln.
Das kann man immer. Man muss eben letztlich etwas haben, womit man droht, und das wäre die Kündigung. Das ist aber ebenso notwendig, wenn Verhandlungen "offiziell erlaubt" sind, denn ansonsten könnte der Arbeitgeber jede Forderung nach mehr Geld einfach ablehnen. Wenn man auf keinen Fall kündigen will, nützt eine individuelle Verhandlung auch nichts (anders bei einer Tarifverhandlung, wozu aber erst mal eine Gewerkschaft ausreichend vertreten sein muss).

Das geheime Verfahren muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilen und es ist mitbestimmungspflichtig. Funktioniert natürlich nur, wenn es einen Betriebsrat gibt - aber das entscheidet nicht der Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmer.

Eine schlechte Bewertung in irgendeinem Portal bringt gar nichts, jedenfalls keine Gehaltserhöhung.
Evariste
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Re: Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

Beitrag von Evariste »

Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen bezüglich der Entlohnung sind zwar weit verbreitet, stehen rechtlich aber auf tönernen Füßen:
Eine Arbeitsvertragsklausel, die einen Arbeitnehmer auch gegenüber Arbeitskollegen zur Verschwiegenheit über sein Entgelt verpflichtet, ist unwirksam. (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 2 Sa 183/09)
Es gibt sogar Quellen, die derartige Klauseln als einen Complianceverstoß ansehen, weil dadurch die Ungleichbehandlung im Unternehmen gefördert wird.

Andererseits darf man nicht beliebig Interna des Unternehmens öffentlich machen, das gilt aber auch ohne eine derartige Klausel. Wobei ich persönlich eine allgemeine Information, dass
A) es anstatt Verhandlungen ein Rankingverfahren zur Gehaltsfindung gibt
und/oder
B) man keine Möglichkeit hat über das Gehalt zu verhandeln
für unbedenklich halte, weil hier keine Interna verraten werden, die dem Unternehmen schaden. Im Gegenteil, das Unternehmen wird sogar stolz auf dieses Verfahren sein, weil es fairer ist als eine individuelle Gehaltsverhandlung, bei der es weniger auf die Performance des Mitarbeiters ankommt, sondern vor allem auf sein Verhandlungsgeschick. Insbesondere führt die individuelle Gehaltsverhandlung dazu, dass Mitarbeiter, die aufgrund bestimmter Merkmale (behindert, alleinerziehende Mutter, über 50) in einer schlechteren Verhandlungsposition sind, auch bei sehr hoher Performance benachteiligt sind.

Noch ein paar Kommentare :)
FM hat geschrieben: 18.03.23, 14:37 Das kann man immer.
Nicht wirklich, denn ...
FM hat geschrieben: 18.03.23, 14:37 Man muss eben letztlich etwas haben, womit man droht, und das wäre die Kündigung.
... auch wenn der Mitarbeiter glaubwürdig mit einer Kündigung droht, kann der Vorgesetzte in der Regel dem Mitarbeiter deswegen kein höheres Gehalt geben, als der Standardprozess vorsieht. Der Mitarbeiter muss dann für sich entscheiden, ob ihm das gebotene Gehalt trotz allem ausreicht oder er woanders sein Glück versucht. Oder er macht sich gleich selbständig...
Das geheime Verfahren muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilen und es ist mitbestimmungspflichtig. Funktioniert natürlich nur, wenn es einen Betriebsrat gibt - aber das entscheidet nicht der Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmer.
... was dem betroffenen Mitarbeiter dann aber auch nichts nützt, denn er will ja sein Gehalt nicht nach irgendeinem Verfahren festgelegt haben, sondern er möchte es individuell verhandeln. Womit er - vermute ich mal - in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht hat. Was aber auch nicht automatisch bedeutet, dass es immer so weiter gehen muss. Und irgendwann, wenn der Mitarbeiter selbst die 50 überschreitet, ist er vielleicht sogar froh über das Rankingverfahren.
FM
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Re: Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

Beitrag von FM »

Evariste hat geschrieben: 19.03.23, 10:14 Im Gegenteil, das Unternehmen wird sogar stolz auf dieses Verfahren sein, weil es fairer ist als eine individuelle Gehaltsverhandlung, bei der es weniger auf die Performance des Mitarbeiters ankommt, sondern vor allem auf sein Verhandlungsgeschick.
Wenn es denn fair ist. Dazu wäre nötig, dass es objektiv und transparent und verbindlich ist. Aber:
in einem Rankingverfahren (bedeutet man wird aufgrund der Leistung in einem nicht öffentlichen Verfahren eingestuft und das Gehalt wird auf Basis eines geheimen Schlüssels angepasst).
Das klingt eher nicht so. Das zuständige Gremium oder die zuständige Person (anscheinend auch geheim) kann völlig willkürlich entscheiden und der Arbeitnehmer kann nicht mals für sich selbst prüfen, ob es fair war oder auf Korruption, auf Seilschaften oder persönlichen Gefälligkeiten beruht.

"Leistungsorientierte" Systeme sind ohnehin in sehr vielen Berufen kaum möglich. Mal als Beispiel der Fernfahrer: da könnte man zwar die Pünktlichkeit als Kriterium nehmen, aber ob nun Stau auf der Autobahn ist oder ob die Ladearbeiten flott genug gingen, kann er auch nicht beeinflussen. Er kann sogar besonders vorausschauend den Stau umfahren haben, brauchte aber trotzdem eine Stunde länger als der andere Kollege an einem anderen Tag, wo die Strecke frei war. Aber bei dem hier genannten Sachverhalt wüsste er nicht mals, ob Verspätungen der Ablehnungsgrund waren, kann sich also auch nicht rechtfertigen.
Evariste
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Re: Frage zur Verschwiehensheitspflicht.

Beitrag von Evariste »

FM hat geschrieben: 19.03.23, 19:38
in einem Rankingverfahren (bedeutet man wird aufgrund der Leistung in einem nicht öffentlichen Verfahren eingestuft und das Gehalt wird auf Basis eines geheimen Schlüssels angepasst).
Das klingt eher nicht so. Das zuständige Gremium oder die zuständige Person (anscheinend auch geheim) kann völlig willkürlich entscheiden und der Arbeitnehmer kann nicht mals für sich selbst prüfen, ob es fair war oder auf Korruption, auf Seilschaften oder persönlichen Gefälligkeiten beruht.
Ich kann das spezielle Verfahren natürlich nicht.

Aber dass die Einstufung der Leistung nicht öffentlich gemacht wird, ist eigentlich normal. Kennen Sie einen Betrieb, wo sowas öffentlich ausdiskutiert wird? Ich nicht. "Der Kollege N bekommt dieses Jahr nur 0,5% Gehaltserhöhung, weil er es einfach nicht gebracht hat." in der Teamsitzung? Was aber sehr wohl passiert (bzw, passieren sollte), dass die Einstufung mit dem Mitarbeiter besprochen wird und dieser natürlich auch dazu Stellung nehmen kann. Im Konfliktfall auch unter Hinzuziehung des nächsthöheren Vorgesetzten oder des Betriebsrates. Die Sache bleibt aber "nicht öffentlich".

Und das mit dem "geheimen Schlüssel" interpretiere ich so, dass nicht die Einstufung der Leistung geheim ist, sondern nur der genaue Rechenweg, um von dieser Einstufung auf eine bestimmte Gehaltserhöhung zu kommen, in Abhängigkeit von der Lage im Gehaltsband und dem insgesamt verfügbaren Budget. Dieser Rechenweg ist üblicherweise standardisiert, da geht also nicht viel mit Seilschaften, Budget und Gehaltsbänder werden aber in nicht tarifgebundenen Firmen, die mit anderen um Arbeitskräfte konkurrieren, gerne als Betriebsgeheimnis behandelt. Der Betriebsrat sollte aber eingeweiht sein.
"Leistungsorientierte" Systeme sind ohnehin in sehr vielen Berufen kaum möglich. Mal als Beispiel der Fernfahrer: da könnte man zwar die Pünktlichkeit als Kriterium nehmen, aber ob nun Stau auf der Autobahn ist oder ob die Ladearbeiten flott genug gingen, kann er auch nicht beeinflussen. Er kann sogar besonders vorausschauend den Stau umfahren haben, brauchte aber trotzdem eine Stunde länger als der andere Kollege an einem anderen Tag, wo die Strecke frei war. Aber bei dem hier genannten Sachverhalt wüsste er nicht mals, ob Verspätungen der Ablehnungsgrund waren, kann sich also auch nicht rechtfertigen.
Siehe oben, die Einstufungen und die dahinterstehenden Überlegungen müssen natürlich mit dem Mitarbeiter besprochen werden. Ich kann aber nicht herauslesen, dass dem nicht so ist.

Andererseits kenne ich von früher auch Unternehmen (sehr große Unternehmen...), die gar keine Einstufung und gar keine "Gehaltsfindung" betreiben. Da bekommt der Mitarbeiter einfach das, was im Tarifvertrag für seine Entgeltgruppe vorgesehen ist. Das finde ich weitaus übler.
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