Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Kundenrechte und –pflichten, Bankrechte und –pflichten, Verbraucherkreditrecht, Kreditabwicklung

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Jutta
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Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von Jutta »

Hallo,
da es um eine Geldanlage geht, hoffe ich, es passt ins Bankrecht-Forum, sonst bitte verschieben!

Ein Ehepaar investiert im Jahr 2007 einen Betrag von 5000 EUR bei einem Unternehmen U in Form von Genussrechten, versprochene Mindestverzinsung 6,25 %.
Von 2007 bis 2018 erfolgen Zinsausschüttungen, in Summe ca. 2100 EUR. Danach erfolgen keine weiteren Zahlungen, weder Zins noch eingesetztes Kapital.

2017 verstirbt der Mann, die Frau ist Alleinerbe.

Ende 2021 verlangt U die gesamten Zinsen zurück mit der Begründung, dass bei einer Überprüfung festgestellt wurde, dass Zinszahlungen nur zulässig waren, wenn U Gewinn gemacht hat, und U hat immer nur Verlust gemacht. Es wird auf dringende Zahlung hingewiesen, da 31.12.2021 Verjährung eintreten würde.

Die Frau ist inzwischen 90 Jahre alt. Sie erhebt Einrede der Entreicherung, da die Zinszahlungen (max. 230 EUR pro Jahr) immer als Extra-Geld für besondere Anlässe verwendet wurden (Mini-Urlaub, Essen-Gehen mit der Familie), die ohne dieses Geld gar nicht unternommen worden wären.

Dann passiert ein Jahr gar nichts.
Jetzt, Ende 2022 bekommt sie per Postzustellungsurkunde eine Ladung zu einem Güteverfahren, in dem es um die Rückforderung der Zinsen geht. Dabei ist der Antrag wohl bereits 30.12.2021 dort eingegangen, um die Verjährung zu hemmen.

Fragen: WIe wäre eure Einschätzung?
Könnte die Frau mit der Einrede der Entreicherung Erfolg haben?
Könnte sie jetzt noch einfach bezahlen, um ihre Ruhe zu haben?
Muss sie die Kosten des Gütetermins tragen?
Wenn sie einfach gar nichts macht, muss U dann Klage vor dem normalen Zivilgericht anstrengen?
Warum ist nicht einfach ein Mahnbescheid gekommen (damit hatte F eigentlich gerechnet)?

Schon im Voraus Danke für eure Ideen!
Gruß
Jutta
ExDevil67
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von ExDevil67 »

Frage wäre, wer lädt da zum Gütetermin?
Ansonsten bei der Summe die im Raum steht (5000 € Einlage + 2100 € Zinsen) ab zum Anwalt.
Jutta
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von Jutta »

Die XY hat über bevollmächtigte Anwaltskanzlei "Antrag auf Durchführung eines Verfahrens nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz" wegen Rückforderung zuviel bezahlter Zinsen gestellt.

Die Ladung kommt von einer öffentlichen Rechtsauskunfts und Vergleichsstelle als anerkannte Gütestelle

Da F mit ihren 90 Jahren wirklich kein Interesse an einem längerwährenden Streit hat oder gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen will, hat sie die 5000 EUR Grundkapital schon lange abgeschrieben. Aber das jetzt die Zinsen 15 Jahre rückwirkend zurückgefordert werden, ging ihr doch gegen den Strich.

Aber wenn praktisch keine Chancen bestehen, ohne Rechtsanwalt und Gericht, dann zieht sie halt doch in Erwägung einfach zu zahlen, um ihren Frieden zu haben.

(Sie regt sich natürlich sehr auf, wie die alten Damen eben sind.)
Zuletzt geändert von ktown am 28.11.22, 19:22, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Klarnamen entfernt
Gruß
Jutta
ExDevil67
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von ExDevil67 »

Jutta hat geschrieben: 28.11.22, 16:12 Aber wenn praktisch keine Chancen bestehen, ohne Rechtsanwalt und Gericht, dann zieht sie halt doch in Erwägung einfach zu zahlen, um ihren Frieden zu haben.
Das zu beurteilen wäre Sache eines Anwaltes und die Kosten für eine Erstberatung halten sich afair noch im Rahmen.
Wobei allein der Umstand das U bei drohender Verjährung sich auf ein Verfahren nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz einlässt, auch wenn damit die Verjährung gehemmt wurde, lässt für mich tief blicken
Jutta
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von Jutta »

ExDevil67 hat geschrieben: 28.11.22, 16:38 Wobei allein der Umstand das U bei drohender Verjährung sich auf ein Verfahren nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz einlässt, auch wenn damit die Verjährung gehemmt wurde, lässt für mich tief blicken
Genau mein Gedanke ...

F hat sich inzwischen auch im WWW umgeguckt, es wird also empfohlen, nicht am Gütetermin teilzunehmen, weil dann die Verjährung nach 6 Monaten kommt. D.h. U ist dann unter Zugzwang Klage einzureichen und anscheinend ist die überwiegende Meinung, dass ein Großteil der Zins-Jahre schon verjährt sein sollte.

So wir das F jetzt machen, dann dauert es sicher wieder 6 bis 12 Monate und evtl. müssen sich dann die Erben damit abkämpfen, aber nicht mehr F !

Und wenn tatsächlich die Klage bald kommt, wird dann ein Rechtsanwalt eingeschaltet.

Vielen Dank soweit!
Gruß
Jutta
mwjm
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von mwjm »

Ich weise mal auf ein Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 20.08.2021 (10 O 368/20) hin. Das hat den Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Rückzahlung von gezahlten Zinsen gem. festgestellten Jahresabschlüssen abgewiesen.
Zudem befindet sich beim Bundesgerichtshof gerade in Klärung, ob der Insolvenzverwalter von P&R gezahlten Mieten zurückfordern kann.
Die Empfehlung, das von einem Fachanwalt prüfen zu lassen, ist daher absolut richtig!
Falsche Urteile sind schlimm. Schlimmer sind Anwälte, die das nicht erkennen.
Jutta
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von Jutta »

F hat wieder Post bekommen von U.

Man will F entgegenkommen, damit sie nicht den weiten Weg zur Vergleichsstelle auf sich nehmen muss, daher wird eine Vergleichsvereinbarung unterbreitet.

Anstatt der U eigentlich zustehenden Zahlung müsste F dann nur 28 % davon zahlen (gut 600 EUR).

Aber F hat inzwischen im WWW Meinungen gefunden, dass die Zahlungen ab 2011 sicher verjährt sind und die Zahlungen ab 2017 sind verjährt, so denn die Geschäftsleitung von dem Umstand der ungerechtfertigten Auszahlung (also von der Tatsache, dass U Verlust gemacht hat) wusste. Und das ist doch eigentlich anzunehmen. Nach 2017 wurden nur noch Zinsen von insgesamt 59,92 EUR ausgeschüttet.

Daher hat F jetzt beschlossen, auch dieses Schreiben zu ignorieren und abzuwarten, was als nächstes kommt ...
Gruß
Jutta
FM
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von FM »

Jutta hat geschrieben: 28.11.22, 14:18 Jetzt, Ende 2022 bekommt sie per Postzustellungsurkunde eine Ladung zu einem Güteverfahren, in dem es um die Rückforderung der Zinsen geht. Dabei ist der Antrag wohl bereits 30.12.2021 dort eingegangen, um die Verjährung zu hemmen.
Zur Hemmung der Verjährung durch ein Streitbeilegungsverfahren gilt u.a.:
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird
Ob 11 Monate noch als demnächst gelten, könnte man bezweifeln.

Aber evtl. ist das auch gar nicht mehr wichtig wegen:
Jutta hat geschrieben: 28.11.22, 14:18 Sie erhebt Einrede der Entreicherung, da die Zinszahlungen (max. 230 EUR pro Jahr) immer als Extra-Geld für besondere Anlässe verwendet wurden (Mini-Urlaub, Essen-Gehen mit der Familie), die ohne dieses Geld gar nicht unternommen worden wären.
Das könnte man so verstehen, dass sie Verhandlungen mit dem Schuldner begonnen hat, was auch zur Hemmung führen kann. Oder noch schlimmer ein Anerkenntnis, § 212 BGB. Je nach Wortlaut kann diese "Einrede der Entreicherung" auch bedeuten, dass damit gleichzeitig der Anspruch dem Grunde nach anerkannt wurde, denn sonst würde die Entreicherung gar keine Rolle spielen. Also in etwa "Das Geld steht Ihnen zwar zu, aber ..."

Im Gegensatz zu google hätte ein Anwalt diese Frage zumindest geprüft.
Evariste
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von Evariste »

FM hat geschrieben: 10.12.22, 23:38 Das könnte man so verstehen, dass sie Verhandlungen mit dem Schuldner begonnen hat, was auch zur Hemmung führen kann. Oder noch schlimmer ein Anerkenntnis, § 212 BGB. Je nach Wortlaut kann diese "Einrede der Entreicherung" auch bedeuten, dass damit gleichzeitig der Anspruch dem Grunde nach anerkannt wurde, denn sonst würde die Entreicherung gar keine Rolle spielen. Also in etwa "Das Geld steht Ihnen zwar zu, aber ..."
Erscheint zum einen recht weit hergeholt, eine Ablehnung eines Anspruchs als Verhandlungen oder Anerkenntnis zu interpretieren, zum anderen:
Eine Hemmung der Verjährung durch Aufnahme von Verhandlungen endet auch dann, wenn die Verhandlungen der Parteien "einschlafen" (BGH, Urteil v. 6.11.2008, IX ZR 158/07).
Im übrigen gilt natürlich der Einwand "Entreicherung" weiterhin...
FM
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von FM »

Evariste hat geschrieben: 11.12.22, 16:38 Erscheint zum einen recht weit hergeholt, eine Ablehnung eines Anspruchs als Verhandlungen oder Anerkenntnis zu interpretieren, zum anderen:
Warum?

Die Diskussion darüber, inwieweit irgendwelche Argumente zu einer Verringerung der Forderung führen könnten, würde ich schon "Verhandlung" nennen. Zumal wenn die Argumente überhaupt nur dann relevant wären, wenn der Anspruch dem Grunde nach gegeben war.

Dass die Entreicherung zutreffend sein kann mag ja sein, ist aber eine andere Frage und hängt von anderen Umständen ab.

Dass die Dame 90 Jahre alt ist, spielt auch keine Rolle - 90 ist jedenfalls älter als 18.
Froggel
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Re: Zinsen für Genussrechte werden zurückgefordert - Einwand der Entreicherung - nun Gütetermin

Beitrag von Froggel »

Es wäre vielleicht auch mal sinnvoll, sich die damals unterschriebenen Verträge bezüglich der Bedingungen durchzulesen. Gerade bei Genussrechten gibt es unterschiedliche Ausgestaltungen und dazu gehört nicht nur eine mögliche Festlegung, dass Zinsen nur bei Gewinn ausgezahlt werden (wie Firma U – oh Schreck – nach 14! Jahren festgestellt hat), sondern auch, ob das eingesetzte Kapital unbefristet, befristet oder kündbar bereitgestellt wurde. Bei befristetem oder kündbar bereitgestelltem Kapital besteht nämlich nicht nur eine mögliche Forderung seitens des Unternehmens, sondern eine definitive seitens des Investors. Es besteht natürlich auch je nach Vereinbarung die Möglichkeit, dass das Kapital z.B. bei Unternehmensverlusten oder Insolvenz mit untergeht, aber gerade deswegen sollte man unbedingt einen Blick in die Verträge werfen. Vielleicht kann man ja mit einer Gegenforderung kontern. Dann sollte U Ruhe geben.

Abgesehen davon sehe ich bei dem Ganzen durchaus eine bereits eingetretene Verjährung für den überwiegenden Teil des ausgezahlten Geldes. Das Unternehmen U hatte von Anfang an Kenntnis über die Umstände, die zu einer Ausschüttung von Zinszahlungen führen, da U die Genussrechte selbst ausgegeben und die Verträge selbst ausgearbeitet hat. Wenn U nun trotz Verluste Geld an die Gläubiger ausgeschüttet, obwohl vereinbart war, dass Ausschüttungen nur bei Gewinn entstehen, handelt U m.E. grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1.2. Das Unternehmen kann sich nicht mit Unkenntnis herausreden, denn der Schuldner darf davon ausgehen, dass U seine eigenen Verträge kennt. Damit tritt für jede Zahlung die übliche Verjährung nach drei Jahren ein, d.h. U kann zwar Forderungen stellen, wenn die Erbin allerdings die Einrede der Verjährung stellt, hat U bezüglich der meisten Zinszahlungen Pech gehabt.
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Hierbei trifft den Gläubiger generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH, Urteil vom 28.02.2012, Az. VI ZR 9/11).
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