Hallo,
ich glaube, sie müssen sich die Aufgabe und damit verbunden die Handlungsbefugnisse nach dem Polizeirecht noch klarer vergegenwärtigen. Denn dann wird auch deutlich, ob und warum gerade im Verhältnis zu privaten Rechten Konkurrenzen bestehen, die eine strikte Befugnistrennung nach sich ziehen.
Vergegenwärtigen Sie sich noch einmal die Subsidiaritätsklausel. Dort steht eigentlich alles drin. Und hieran kommen wir auch nicht vorbei, indem man sagt: "Naja, dan kann man ja dem neben Zivilrecht auch, weil der Staat muss ja irgendwie....". Nein, die Befugnistrennung ist eindeutig und daher in dem jeweiligen konkreten Fall zu prüfen.
kann es nicht sein, dass es keine klare Abgrenzung zwischen privatem Recht und öffentlicher Sicherheit gibt.
Nein, die Sachlage ist völlig klar, nämlich dahingend, dass eine Abgrenzung überhaupt nicht existiert: Der Schutz privater Rechte fällt grundsätzlich auch in den Bereich der öffentlichen Sicherheit, aber die Subsidiaritätsklausel gibt eben den ganz klaren Maßstab dahingehend vor, ob und in welchem Umfang trotz der Relevanz für die öffentliche Sicherheit Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörde ergehen können.
Wenn überhaupt, ist die Abgrenzung zwischen dem Schutzauftrag der ÖS und dem Schutz privater Rechte etwas kompliztierter. Aber auch hier sind die Grundsätze eindeutig und müssen auch so angewendet werden.
Die Eilzuständigkeit ist für Polizeidienststellen unstrittig. Ich beziehe mich, wenn man von der Trennung Polizei/Ordnungsbehörde in NRW ausgeht, jedoch auf die ordnungsbehördlichen Befugnisse.
Die Subsidiaritätsklausel gilt für beide Behörden, da es eine Regelung ist, die einen Grundsatz des Gefahrenabwehrrechts als solches darstellt und sich nicht auf Zuständigkeiten innerhalb dessen bezieht.
Wenn wir daher bei der ordnungsbeh. Verfügung bleiben, die generell nicht nur Eilfälle regeln kann, sondern auch Dauerzustände (siehe Nacktläufer) regelt, ist es doch praktisch schwierig festzustellen, wo das Gefahrenabwehrrecht endet und wo das private Recht anfängt.
Es hat auch niemand gesagt, dass das einfach ist. Darum ist die Rechtswissenschaft und das Polizeirecht eben kein Volkshochschulkurs.
Der Vergleich mit dem Nackläufer ist aber zB. bereits nicht zu ziehen. Denn hier haben wir ein Verhalten, dass eine Vielzahl von Individuen berührt, so dass bereits deutlich wird, dass eine Prüfung, ob und wann effektiver zivilgerichtlicher Rechtsschutz (aller Betroffenen) zu erlangen ist, garnicht möglich ist. Wir haben hier also eine völlig andere Situation als es bei dem vorliegenden Fall gegeben ist.
Es ist jedoch in der Praxis häufig, dass es ein nebeneinander zivil- und öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes gibt.
Das hat auch niemand bestritten, da die Subsidiaritätsklausel diese ja auch durchaus ermöglicht, der Anwendung des Polizeirechts werden dann aber Grenzen gesetzt.
Wenn zB jemand ein Gebäude widerrechtlich errichtet kann die Ordnungsbehörde (OB) die Beseitigung anordnen, es kann aber gleichzeigig ein zivilrechtlicher Beseitigungsanspruch bestehen.
Dieser Fall ist nicht vergleichbar.
Denn zunächst ist mir nicht klar, woraus sich hier ein zivilrechtzlicher Beseitigungsanspruch ergeben würde. Das wäre nur ausnahmsweise der Fall, wenn der Kläger tatsächlich darlegen könnte, dass er durch den Zustand des Gebäudes eines anderen in seinen Rechten aus § 823 BGB beeinträchtigt wird. Nicht unmöglich aber schwierig.
Hinzu kommt, dass Bauordnungsrecht sogenanntes Sonderpolizeirecht ist. Es handelt sich also nach wie vor um Gefahrenabwehrrecht, die Bauordnungen enthalten aber keine Subsidiaritätsklauseln. Daher ist dieser Vergleich hier nicht heranzuziehen.
Gleiches gilt zB, wenn jemand ein unerlaubtes Feuer abbrennt. Dort bestehen ebenfalls zivil- und ordnungsrechtliche Möglichkeiten, dem Störer aufzugeben, das zukünftig zu unterlassen.
Das greift zu kurz. Denn in dem Moment, in dem ein Feuer abgebrannt wird, liegt ja eine Gefahr für die ÖS vor (so dies unzulässig geschieht), die selbst dann, wenn der Nachbar einen Unterlassungsanspruch erwirkt hat, nicht durch rechtzeitige Gerichtsinanspruchnahme beseitigt werden kann. Was eine Untersagung zukünftiger Handlungen angeht, übersieht der Vergleich wieder, dass offenes Feuer eben eine unbekannte Großzahl von Personen gefährden kann, so dass die Subsidiaritätsklausel wieder nicht greift. Auch das ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, der nur von einer Beeinträchtigung einer bestimmten Person ausgeht.
Was passiert denn, wenn man nur der Gefahr begegnen will, die von einer Person ausgeht. Wenn also jemand häufig immer mal in einem anderen Ortsteil (nachts) lärmt, ohne dort eine konkrete Person zu betreffen (unzulässiger Lärm OWiG). Dann können doch die noch nicht Betroffenen auch nicht auf Unterlassung klagen, da sie insoweit noch nicht betroffen sind.
Richtig, deshalb ist auch dieser Fall mit unserem nicht vergleichbar. Alles eine Frage der konsequenten Anwendung der Subsidiaritätsregelung.
Hier dürfte doch der Ordnungsbehörde das Recht zustehen, dem Störer aufzugeben, dies zukünftig zu unterlassen. Und wenn man das nun überleitet, auf einen Straftäter müsste man diesem aufgeben können, bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen, insbesondere dann, wenn diese Verhaltensweisen Straftaten vorbereiten, ohne dass schon ein Opfer konkretisiert ist.
Sie übersehen hier, und das wurde schon gesagt, dass eine solche Regelung ohne Inhalt wäre, da sie nur das geltende Recht wieder gibt. Zudem bestehen hier in aller Regel schon Sanktionsdrohungen in Form von Ordnungswidrigkeiten. Er zusätzliche Auflage, hier oder da kein unerlaubtes Feuer zu machen oder keinen unzulässigen Lärm zu machen, wäre inhaltslos. Zudem ist auch das nicht mit unserem Fall vergleichbar, weil es sich um von Anfang an ohnehin unzulässige Tätigkeiten handelt.
Beispiele:
Jemand begeht unter Alk.-Einfluss öfters Straftaten => Alk.-Verbot in Öffentlichkeit.
Jemand führt in der Fußgängerzone Glücksspiel durch. Ihm wird verboten die Spielgegenstände mitzuführen.
Jemand nutzt Alltagsgegenstände (zB Küchenmesser) als Waffe. Ihm wird verboten, diese mitzuführen.
Jemandem der Bandenverbrechen begangen hat, wird aufgegeben, keinen Kontakt mehr mit bestimmten Personen zu haben.
Abgesehen davon, dass ich mit einigen dieser Maßnaheme erhebliche Rechtmäßigkeits- (insb. Verhältnismäßigkeits) probleme habe, liegt auch dieser wieder gemeinsam zu Grunde, dass es Gefahren für eine unbestimmte Zahl von Menschen sind (außer im Fall des unerlaubtes Glücksspiels, aber hier wird polizeirechtlich ohnehin nur die Sicherstellung der konkreten Gegenstände und keine allgemeine Mitführungsbefugnis möglich sein). Das ist wiederum mit unserem Fall, dass eine bestimmte Person, die zivilrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen kann und nach dem gesetzgeberischen Willen auch soll, nicht vergleichbar. Die Subsidiaritätsregelung führt hier zu einem gänzlich anderen Ergebnis.
Die Verf. könnten solange gelten, bis beim Täter eine gewandelte Überzeugung eingetreten ist.
Eine solche Anordnung wäre bereits wegen Fehlens einer ausreichenden Bestimmheit nicht nur rechtswidrig, sondern gem. § 44 VwVfG auch nichtig.
Und der nächste Schritt in diesem Gedankengang ist nun, dass man auch die konkrete Handlung selbst verbietet, um neben der Strafandrohung eine zusätzliche Zwangswirkung (die ja auch bei der zivilrechtlichen Unterlassungsverfügung entsteht), aber auch gleichzeitig eine Warnwirkung zu haben. Wobei wohl doch einzusehen ist dass eine Wiederholung der Strafnorm nicht geeignet ist, weitere Straftaten zu verhindern.
Dazu kann ich jetzt wenig anderes antworten, als auf das bisher Gesagte zu verweisen und dazu, dass die Untersagung der Handlung bei Allgemeingefährdungen polizeirechtlich möglich, wenn verhältnismäßig, wäre, bei der Beeinträchtigung konkreter Rechtsgüter bestimmter Personen nicht, bzw. nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese zivilrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen können oder sollten.
Die körperlichen Unversehrtheit ist jedoch auch im im StGB (Körperverletzung) geschützt.
Was rechtlich aber überhaupt keinen Unterschied macht, da es trotzdem ein privates Rechtsgut ist. Das ändert sich nicht dadurch, dass es im StGB steht. Im Übrigen sollten wir das Strafrecht hier dringend raushalten, da es mit der vorliegenden Materie nichts zu tun hat und nur Verwirrung stiften würde.
Sie steht teilweise nicht zur Disposition (sittenwidrige Körperverletzung, Einwilligungsunfähigkeit von kleineren Kindern). Insoweit kann man doch gar nicht von einem rein privaten Recht sprechen, da die Rechtsordnung dem einzelnen den Schutz aufzwingt und auch von Amts wegen straft (wenn keine vorherige Einwilligung vorlag). Und um genau diese Straftaten (= Störung der öffentlichen Sicherheit) zu verhindern, geht es doch.
Ich verstehe ja Ihre Intention, aber das Polizeirecht gibt das, was Sie meinen, eben einfach nicht her. Der Gesetzgeber hat sich zu dem inhaltlichen und zeitlichen Umfang gefahrenabwehrrechtlicher Regelungen zum Schutz von privaten Individualgütern eindeutig geäußert. Daran werden wir nicht vorbei kommen.
Gibt es irgendwo eine genaue Definition, was man unter "privatem Recht" versteht.
Sie sollten die Frage nicht weiter vertiefen. Dass es sich vorliegend um ein privates Recht handelt, ist völlig eindeutig. Der argumentative Weg, es wegen einer besonderen Bedeutung auf eine öffentliche Ebene zu heben und damit Polizeirecht neben Zivilrecht anzuwenden, funktioniert nicht (Sie könnten die Frage jedoch durch einen Umkehrschulss beantworten, da alles das keine privaten Rechte sind, die der Bürger nicht vor einem Zivilgericht geltend machen könnte - was hier natürlich nicht der Fall ist - dann aber hätten wir auch ohnhin keine Subsidiaritätsproblem).
Gerade auf den Täter bezogenen Anordnungen könnten sinnvoll sein, weitere Gefahren für die Allgemeinheit zu verhindern (siehe Beispiele oben), wo kein zivilrechtlicher Schutz möglich ist.
Das hat ja niemals jemand bestritten. Wo kein zivilrechtlicher Schutz möglich ist, gibt es umfassendere Möglichkeiten des Gefahrenabwehrrechts. Allerdings sage ich für diese Fälle schon jetzt, dass der Gesetzgeber diese durch die unzähligen Sondergesetze und -Verordnungen des besonderen Verwaltungsrechts geregelt hat, so dass auch hier kein Rückgriff auf das Gefahrenabwehrrecht möglich sein wird.
Es ist eben so: Polizei- und Ordnungsrecht ist nicht dazu da und auch nicht befugt, langfristige Regelungen zu treffen, da es eben regelmäßig mit dem Zivilrecht oder auch dem besonderen Verwaltungsrecht kollidiert und dann zurück tritt. Es mag den einen oder anderen Ausnahmefall geben, mir ist jedoch bisher weder in meiner Ausbildung, meiner Tätigkeit als Ordnungsamtsleiter oder als Verwaltungsrichter jemals ein solcher Fall untergekommen.
Diese Anordnungen sollen ja auch von der Zielrichtung nicht den Konflikt zwischen den beteiligten Bürgern klären, sondern den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit vor einer zukünftigen konkreten Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit beschützen.
Sie Missverstehen hier das Zivilrecht. Dieses stellt eben genau den Schutz her, da es auch zukünftige Maßnahmen treffen und Unterlassungs aussprechen kann. BEi einem Verstoß hiergegen, kann die Polizei ausnahmsweise eingreifen und den zivilrechtlich ausgesprochenen Schutz gewähren, so eine gerichtliche Inanspruchnahme (Durchsetung der Unterlassung durch Zwangsmaßnahmen) nciht rechtzeitig ergehen kann. Aber dann basiert das nicht auf einer eigens polizeirechtlich ausgesprochenen Unterlassungsverfügung, sonden auf dem Schutz des zivilrechtlichen Anspruchs. Die Gefahrenabwherbehörden sind dann für eigene Regelungen einfach nicht mehr zuständig.
Das Zwangsgeld würde ja auch nicht auf Antrag des Opfers verhängt, sondern liegt im Ermessen des Staates.
Zivilrechtlich würde es selbstverständlich auf Antrag des Opfers verhängt werden. Und eine doppelte Zwangsgeldauferlegung durch Gericht und Ordnungsbehörde ist gerade nicht vom Gesetzgeber gewollt.
Im Ergebnis dieser Betrachtung käme man zu einem doppelten Rechtsschutz. Der einzelne will mit seiner einstw. Verf. seine Ruhe haben. Der Staat will, dass Ruhe im Staat herrscht.
Und genau diesen doppelten Rechtsschutz - das hatte ich ja nun ausdrücklich erklärt - sieht unser Rechtssystem nicht vor. Das Gefahrenabwehrrecht findet außer in dem durch die Subsidiaritätsregelung gewährten kurzfristigen Bereich, keinen parallelen Anwendungsbereich zum Zivilrecht.
Das wäre mit unserem Rechtsstaatsprinzip auch garnicht vereinbar, da Behöre und Gericht gänzlich unterschiedliche Verhaltensregeln auferlegen könnten, ggf. sogar sich widersprechende. Es gibt in unserem Recht jeweils eine zuständige Institution. Und das ist hier bis zur Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes die Gefahrenabwehrbehörde, danach das Zivilgericht.
Ich würde die Diskussion aufgrund des zeitlichen Aufwandes hier jetzt auch gerne beenden. Wenn Sie die bestehenden Regelungen für falsch halten, ist das sicherlich ein prima Thema im Bereich Rechtspolitik. Wenn Sie hinsichtlich des Geltungsbreichs des Gefahrenabwehrrechts anderer Ansicht sind, müssten andere diese Diskussion fortführen.
Gruß
Dea