Verpflichtung, auf Klopfen der Polizeit zu reagieren?

Recht der Gefahrenabwehr

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Tina2000
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Verpflichtung, auf Klopfen der Polizeit zu reagieren?

Beitrag von Tina2000 »

Hallo,

folgender Fall:

Herr X wird polizeilich gesucht. Nachdem die Beamten mehrfach versucht haben, ihn in seiner Wohnung anzutreffen, beschließen sie, bei seiner Nachbarin Frau Y zu klingeln, um diese zu fragen, wann sie Herrn X zuletzt gesehen hat bzw. ob sie weiß, wann er immer zuhause ist oder wo er sich sonst aufhalten könnte.

An dem bewussten Abend ist Frau Y krank und liegt daher bereits im Nachthemd im Bett, als die Beamten an ihrer Tür klingeln (ca. 19.00 Uhr abends). Da sie keine Lust hat, sich etwas überzuziehen und ihr Bett zu verlassen, ignoriert sie das Klingeln. Es ist jedoch für die Beamten erkennbar, dass sich jemand in der Wohnung befindet (Musik, Lichtschein durch den Türspion), weshalb sie sie Frau Y's Weigerung die Tür zu öffnen mit lauten Klopfen an der Tür und lautem Rufen ("Machen Sie mal auf, hier ist die Polizei") quittieren.

Frau Y entschließt sich daraufhin, doch an die Tür zu gehen, aber wie hätte im Ernstfall die Rechtslage ausgesehen? Ist man VERPFLICHTET, an die Tür zu gehen, wenn die Polizei vor der Tür steht? Wenn Frau Y nicht geöffnet hätte (aus Sturheit oder weil sie vielleicht über Kopfhörer Musik gehört und daher nichts mitbekommen hätte), hätte das Konsequenzen für sie gehabt (Anzeige, Aufbrechen der Tür), oder wären die Beamten dann einfach wieder gegangen?

Liebe Grüße

Tina
Gammaflyer
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Re: Verpflichtung, auf Klopfen der Polizeit zu reagieren?

Beitrag von Gammaflyer »

Tina2000 hat geschrieben:Ist man VERPFLICHTET, an die Tür zu gehen, wenn die Polizei vor der Tür steht?
Nein.
Tina2000 hat geschrieben:Wenn Frau Y nicht geöffnet hätte (aus Sturheit oder weil sie vielleicht über Kopfhörer Musik gehört und daher nichts mitbekommen hätte), hätte das Konsequenzen für sie gehabt (Anzeige, Aufbrechen der Tür), oder wären die Beamten dann einfach wieder gegangen?
Für eine Anzeige mangelt es an einem Tatbestand.
Aufbrechen der Tür wäre wohl unverhältnismäßig.
Vermutlich würden sie wieder gehen.
Wächter
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Re: Verpflichtung, auf Klopfen der Polizeit zu reagieren?

Beitrag von Wächter »

Gammaflyer hat geschrieben:
Tina2000 hat geschrieben:Ist man VERPFLICHTET, an die Tür zu gehen, wenn die Polizei vor der Tür steht?
Nein.

Grundsätzlich haben Sie Recht, es sei den die Polizei erlässt eine Verfügung (Verwaltungsakt) die beinhaltet, dass die Tür zu öffnen ist.
Gegen diese Verfügung kann man Widerspruch einlegen, der bei Anordnungen der Polizei, die unaufschiebbar sind, jedoch keine aufschiebende Wirkung hat oder es wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (80 VwGO).

:arrow: In einem solchen Fall besteht durchaus die Pflicht, die Tür zu öffnen.

Diese Verfügung müsste jedoch bekannt gegeben werden (41 VwVfG); das ist hier nicht geschehen
(die Annahme, dass das Klopfen keine konkludente Bekanntgabe eines VA ist sollte in diesem Fall wohl ungeprüft zulässig sein)

:arrow: Somit bestand hier für Frau Y nicht die Pflicht die Tür zu öffnen.


mfg Wächter,
der mahnt nicht vorschnell ja oder nein zu sagen, wenn es um Polizeiverfügungen geht. Das könnte in der Praxis schnell zu Fehlverhalten und vielleicht sogar einem Widerstand führen.
Wenn z.B. ein Autofahrer hier mit liest und den Schluss zieht, er muss die (Auto-)Tür nicht öffnen wenn die Polizei klopft und in der Folge macht er, nachdem die Polizisten ihn auffordern aus zu steigen (angenommen rechtmäßige Verfügung), den Knopf runter, so begeht er schon einen Widerstand.

Pünktchen
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Re: Verpflichtung, auf Klopfen der Polizeit zu reagieren?

Beitrag von Pünktchen »

Wächter hat geschrieben: (die Annahme, dass das Klopfen keine konkludente Bekanntgabe eines VA ist sollte in diesem Fall wohl ungeprüft zulässig sein)
Und was ist mit der Foderung: "Machen Sie auf, hier ist die Polizei :?:
Mount'N'Update

Beitrag von Mount'N'Update »

Die Frage ist: Wie kann man einem womöglich rechtsunkundigen Menschen durch die geschlossene Tür deutlich und verständlich machen, inwieweit es sich um eine Aufforderung oder einen Verwaltungsakt handelt?

Letzteres versuche ich mir jetzt nicht in der Praxis auszumalen. 8)
DefPimp
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Beitrag von DefPimp »

Wieder einmal muss ich an dieser Stelle mein Unverständnis für die Situation deutlich machen (obwohl die Rechtslage ja noch nicht einwandfrei geklärt ist):

Die Polizei kann bei jedem x-beliebigen Bürger an die Tür klopfen und mit einer dementsprechenden Äußerung einen VA erlassen, nach dem die Tür zu öffnen ist? Und selbst der eingelegte Widerspruch hätte hier keine aufschiebende Wirkung?

Auf einen Satz reduziert: Wenn die Polizei bei mir in die Wohnung will habe ich KEINE rechtlich einwandfreie Möglichkeit, sie in diesem Moment daran zu hindern, selbst dann nicht, wenn für alle Beteiligten klar erkennbar wäre, dass das Einlassbegehren blanker Unsinn ist. Das leuchtet mir nicht ein...
Wie viele Mitarbeiter arbeiten durchschnittlich in einem Jobcenter? Etwa die Hälfte.
Wächter
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Beitrag von Wächter »

Die Polizei kann bei jedem x-beliebigen Bürger an die Tür klopfen und mit einer dementsprechenden Äußerung einen VA erlassen,

Nein.
Das grundlose Erlassen von VA´ s ist rechtswidrig.

Und selbst der eingelegte Widerspruch hätte hier keine aufschiebende Wirkung?
Richtig.

Wenn die Polizei bei mir in die Wohnung will habe ich KEINE rechtlich einwandfreie Möglichkeit, sie in diesem Moment daran zu hindern, selbst dann nicht, wenn für alle Beteiligten klar erkennbar wäre, dass das Einlassbegehren blanker Unsinn ist.
Wenn man es so sagen will > > Ja
Hafish
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Beitrag von Hafish »

Wächter hat geschrieben:
Die Polizei kann bei jedem x-beliebigen Bürger an die Tür klopfen und mit einer dementsprechenden Äußerung einen VA erlassen,
Nein.
Falsch. Natürlich kann sie das. Sie darf es nicht, aber sie kann es tun.
Das grundlose Erlassen von VA´ s ist rechtswidrig.
Was aber nichts daran ändert, dass auch rechtswidrige VAe grundsätzlich erstmal wirksam sind. Der VA müsste schon nichtig sein.

Ist aber auch egal, die Aufforderung der Polizei war ja hier nicht grundlos, die wollten offenbar wissen, ob hier ein böser Bube in der Wohnung war oder ob Frau X weiß, wo der sein könnte.

Ich bin übrigens der Meinung, dass die Aufforderung der Polizei weniger ein Befehl als eine Bitte war: "Machen Sie doch mal auf, hier ist die Polizei." ist etwas anders als "Aufmachen - Polizei!". Ersteres bedeutet eher "Hey, wir verkaufen keine Staubsauger, vielleicht wollen Sie uns ja helfen wenn Sie wissen, dass wir von der Polizei sind", letzteres hingegen bedeutet "wir befehlen Ihnen die Tür aufzumachen, sonst....".
mahlzeit
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Beitrag von mahlzeit »

Was soll das denn für ein Verwaltungsakt sein, dass jemand seine Wohnungstür öffnen muss? Ich vermute mal dass es so etwas garnicht gibt.
maconaut
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Beitrag von maconaut »

Die Polizeibeamten könnten allerdings bei offensichtlicher Anwesenheit des Bewohners und der fehlenden Reaktion desselben auf die Idee kommen, dass hier ein Notfall vorliegt (Hilf- oder Bewusstlosigkeit oder Tod des Bewohners) und damit wäre wieder ein Fall gegeben, in dem die Tür geöffnet werden kann auch ohne einen Durchsuchungsbeschluss (Gefahr für Leib und Leben im Verzug). Besser wäre es also, zur Tür zu rufen "Ich mache nicht auf" dann wissen die Polizisten, dass (physisch) mit dem Bewohner soweit alles in Ordnung ist....
mahlzeit
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Beitrag von mahlzeit »

Servus,
es ist aber reichlich realitätsern, dass jemand offensichtlich anwesend ist, aber hilflos wirkt. Wenn es keine triftigen Anhaltspunkte dafür gibt, ist nichts zu machen.

Auch finde ich dass die Diskussion in eine etwas merkwürdige Richtung geht, nämlich dass der Schutz der Privatsphäre keinen besonderen Stellenwert genießt und einfach so von Staatsorganen umgangen werden könnte. Dem ist nun keinesfalls so.
Zitat:
Wenn die Polizei bei mir in die Wohnung will habe ich KEINE rechtlich einwandfreie Möglichkeit, sie in diesem Moment daran zu hindern, selbst dann nicht, wenn für alle Beteiligten klar erkennbar wäre, dass das Einlassbegehren blanker Unsinn ist.


Wenn man es so sagen will > > Ja
Das ist vielleicht eines in die Polizei Vernarrten Wunschdenken, aber ziemlicher Unsinn. Ohne eine gesetzliche Grundlage ist der Zugang unrechtmäßig und kann natürlich verwehrt werden. Durch Verwaltungsakt können keine Grundrechte eingeschränkt werden.

Mahlzeit!
Wächter
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Beitrag von Wächter »

mahlzeit hat geschrieben:Was soll das denn für ein Verwaltungsakt sein, dass jemand seine Wohnungstür öffnen muss? Ich vermute mal dass es so etwas garnicht gibt.

Auch einen solchen VA kann es geben - Rechtsgrundlage wäre dann vermutlich die Generalklausel des jeweiligen Polizeirechtes.
jayb
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Beitrag von jayb »

Das würde die Unverletztlichkeit der Wohnung doch völlig aushebeln, wenn ein Polizist einen mündlichen Verwaltungsakt erlässt und damit doch in die Wohnung dürfte ... der Verwaltungsakt eines Polizisten steht sicherlich nicht über dem Grundgesetz...

ps: Welche "Rechtsfolge" tritt eigentlich durch diesen Verwaltungsakt ein? Dies ist ja zwingend für einen Verwaltungsakt.

Das Betreten einer Wohnung durch die Polizei entgegen dem Willen des Wohnungsinhabers ist nur durch richterliche Anordnung (Hausdurchsuchung) oder Gefahr im Verzug rechtlich erlaubt.
___________

fluffig wie 2 Kuhfladen ;)
mahlzeit
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Beitrag von mahlzeit »

Auch einen solchen VA kann es geben
Eben nicht, das müsste doch ein "Rechtsstaatler" wissen lol.

http://de.wikipedia.org/wiki/Unverletzl ... er_Wohnung
In Einzelfällen kann dieser Grundsatz durchbrochen werden. Der Artikel sieht Einschränkungen zur Abwehr und Verfolgung besonders schwerer Straftaten vor, wobei die Eingriffe durch richterliche Anordnung (Hausdurchsuchung) oder bei Gefahr im Verzug erfolgen können. Daneben kennt der Artikel Gesetzesvorbehalte, die gesetzliche Einschränkungen zur Abwehr allgemeiner Gefahren (z. B. Gesetz über das Schornsteinfegerwesen) vorsehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzesvorbehalt
Indem die einschränkende Regelung einem förmlichen Gesetz vorbehalten ist, kann sie nicht etwa in Form einer Rechtsverordnung, eines Verwaltungsaktes der Exekutive oder eines Urteils der Justiz geschehen.

Mahlzeit!
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Beitrag von Wächter »

Das würde die Unverletztlichkeit der Wohnung doch völlig aushebeln, wenn ein Polizist einen mündlichen Verwaltungsakt erlässt und damit doch in die Wohnung dürfte

STOP - zu weit.

Für in die Wohnnung gibt es schon gesetzliche Bestimmungen. Es geht nur um einen VA zum Öffnen der Tür.

Nicht, um die Wohnung zu betreten.
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