Fall von Todschlag für BA

Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

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Tripple_U
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Fall von Todschlag für BA

Beitrag von Tripple_U »

Hallo zusammen

Ich schreibe meine Bachelorarbeit im Studiengang Soziale Arbeit über das Thema "Männerbild im Tatort" möchte ich eine kleine Umfrage zu einem Tötungsdelikt durchführen.
Die Leute sollen nach ihrem Bauchgefühl ein Urteil fällen und das Strafmaß eines Falles einzuschätzen. Dabei kommt es mir nicht darauf an, ob die Personen eine Realistische Einschätzung vornehmen. Ich möchte vielmehr herausfinden, ob ein Fall unterschiedlich wahrgenommen wird, je nach dem ob ein Mann oder eine Frau die Tat verübt.
Dazu habe ich einen Fall konstruiert und so abgewandelt, dass einmal ein Mann eine Frau tötet und einmal umgekehrt.

Die Fallvariationen lauten wie folgt:
Variante A:
Herr A und Frau B leben als Paar in einer gemeinsamen Wohnung. Frau B ist arbeitslos und erklärt sich daher bereit, den gemeinsamen Haushalt zu führen.

Frau B verhält sich Herrn A gegenüber sehr aggressiv: Sie kritisiert ihn andauernd und geht auf seine konstruktiven Vorschläge zur Planung des Haushaltes nicht ein. Sie ignoriert seine Vorlieben auf dem Speiseplan und kocht absichtlich viele Gerichte, die ihm nicht schmecken.Darüber hinaus wäscht sie seine Wäsche absichtlich falsch, so dass seine Kleidung häufig eingeht oder verfärbt. Wollen sie gemeinsam ausgehen, blockt sie seine Vorschläge zur Abendgestaltung immer ab und wenn sie sich mit gemeinsamen Freunden treffen, macht sie ihn permanent vor ihnen schlecht.
Nach einigen Monaten und viel Ermutigung durch seine Freunde, beschließt Herr A, aus der Wohnung auszuziehen. Er will gerade die Wonung verlassen, da kommt Frau B überraschend nach Hause. Es kommt im Treppenhaus zum Streit. Dabei kommt es zu einem Handgemenge und Herr A stößt Frau B ohne dass er es gewollt hätte, die Treppe hinunter. Frau B erleidet einen Genickbruch und stirbt nach wenigen Minuten. Noch unter Schock verlässt er das Haus und wird wenige Tage später verhaftet.


Variante B:
Herr A und Frau B leben als Paar in einer gemeinsamen Wohnung. Frau B ist arbeitslos und erklärt sich daher bereit, den gemeinsamen Haushalt zu führen.

Herr A verhält sich Frau B gegenüber sehr aggressiv: Er schlägt sie beinahe täglich. Manchmal verprügelt er sie so stark, dass sie für einige Tage ins Krankenhaus muss. Es kommt aber nicht zu sexuellen übergriffen und Frau B trägt keine bleibenden Schäden davon.
Nach einigen Monaten und viel Ermutigung durch ihre Freundinnen, beschließt Frau A, aus der Wohnung auszuziehen. Sie will gerade die Wonung verlassen, da kommt Herr B überraschend nach Hause. Es kommt im Treppenhaus zum Streit. Dabei kommt es zu einem Handgemenge und Frau A stößt Herrn B ohne dass sie es gewollt hätte, die Treppe hinunter. Herr B erleidet einen Genickbruch und stirbt nach wenigen Minuten. Noch unter Schock verlässt sie das Haus und wird wenige Tage später verhaftet.

Vom Wissen aus unserer Veranstaltung im Strafrecht her, gehe ich davon aus, dass es sich um einen Todschlag handelt. Liege ich mit meiner Einschätzung richtig? Welches Strafmaß würdet ihr hier ansetzen?
Und habe ich die Fälle so konstruiert, dass es im Strafmaß keinen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Varianten gibt?

Vielen Dank schon mal für eure Einschätzungen.
SusanneBerlin
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von SusanneBerlin »

Vom Wissen aus unserer Veranstaltung im Strafrecht her, gehe ich davon aus, dass es sich um einen Todschlag handelt. Liege ich mit meiner Einschätzung richtig?
Totschlag setzt voraus, dass der Täter mit Absicht gehandelt hat oder den Tod des Menschen zumindest billigend in Kauf nahm. MMn. liegt hier maximal eine fahrlässige Tötung vor, auch Notwehr ist in Betracht zu ziehen, je nachdem von welcher Person die Handgreiflichkeiten initiiert wurden.

Außerdem finde ich, dass sich die Vorgeschichten von Fall A und Fall B zu stark unterscheiden, Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen täglichem Verprügeln (eine Straftat) zu nicht das Lieblingsessen kochen und gemeinsame Freizeitgestaltung boykottieren.
Grüße, Susanne
moro
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von moro »

OT: In einer akademischen Abschlussarbeit sollte man dann vielleicht auch korrekt "Totschlag" schreiben.

Gruß,
moro
Tripple_U
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von Tripple_U »

SusanneBerlin hat geschrieben:Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen täglichem Verprügeln (eine Straftat) zu nicht das Lieblingsessen kochen und gemeinsame Freizeitgestaltung boykottieren.
Ich wollte damit ausdrücken, dass Herr A psychisch misshandelt. Für mich liegt der Schwerpunkt in der beschreibung bei "permanent" und "absichtlich". Gibt es einen StGB-§ der mir hier eine gute Definition liefern kann?

Letztendlich geht es mir um einen Totschlag der so konstruiert ist, dass man aus dem Täter eine Täterin machen kann, ohne dass der Fall unglaubwürdig wird. Ich will nämlich herausfinden, ob eine Täterin von Laien milder bestraft wird als ein Täter, und dazu darf die Konstruktion nicht zu abstrus sein. Es muss nämlich vermieden werden, dass die Leute bemerken, dass ich sie auf unbewusste Vorurteile abklopfen will.
moro hat geschrieben:In einer akademischen Abschlussarbeit sollte man dann vielleicht auch korrekt "Totschlag" schreiben
Danke für den Hinweis. Zum Glück hat Word ein Rechtschreibprogramm, sonst hätte ich Probleme *g*
SusanneBerlin
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von SusanneBerlin »

Ich wollte damit ausdrücken, dass Herr A psychisch misshandelt. Für mich liegt der Schwerpunkt in der beschreibung bei "permanent" und "absichtlich". Gibt es einen StGB-§ der mir hier eine gute Definition liefern kann?
Wissen Sie nicht, was "verprügeln" bedeutet? Es bedeutet, jemanden schlagen, verhauen. Der Straftatbestand heißt Körperverletzung.
Grüße, Susanne
Tripple_U
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von Tripple_U »

Mist ganz blöder Vertipper: Ich meinte psychisch misshandelt WIRD!
SusanneBerlin
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von SusanneBerlin »

Psychisvhe Demütigung innerhalb einer Paarbeziehung wird von keinem Straftatbestand erfasst, es gibt nur Beleidigung.
Grüße, Susanne
J.A.
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von J.A. »

Liege ich mit meiner Einschätzung richtig?
Nein.

Es handelt sich um fahrlässige Tötung oder (wenn man in Bezug auf den Treppensturz wenigstens bedingten Vorsatz gerichtet auf eine KV annehmen würde) um Körperverletzung mit Todesfolge (mglw. im minder schweren Fall). Fahrlässige Tötung liegt jedoch näher der Beschreibung nach. Ein Totschlag ist es keinesfalls. Dafür müßte zumindest bedingter Tötungsvorsatz gegeben sein.
-
Strafmaß: Insoweit es keine einschlägigen Vorstrafen gibt, ist hier durchaus noch eine Bewährungsstrafe möglich und auch nicht unrealistisch, also max. 2 Jahre.

Theoretisches Höchstmaß wären 5 Jahre.
Aus "Stilblüten der Justiz":
"Die Reifeverzögerung des heranwachsenden Angeklagten ist dermaßen ausgeprägt, dass er in seiner Entwicklung einem Jugendrichter gleichzustellen ist"
freemont
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von freemont »

SusanneBerlin hat geschrieben:Psychisvhe Demütigung innerhalb einer Paarbeziehung wird von keinem Straftatbestand erfasst, es gibt nur Beleidigung.

Genau das wird doch aber z.B. unter dem Stichwort "Haustyrannenmord" diskutiert. Das führt u.U. im Rahmen der Rechtsfolgenlösung zur Strafmilderung.

Da versagt die Systematik von Mord und Totschlag völlig. Das gepeinigte Opfer, das sich anders nicht mehr zu helfen weiss, begeht jedenfalls nach dem Buchstaben des Gesetzes einen heimtückischen Mord. Da sieht das Gesetz eigentlich nur lebenslang vor. Das trifft i.d.R. die Frau.

Die an sich obligatorische lebenslange Freiheitsstrafe ist i.d.F. nicht mit dem Schuldgrundsatz zu vereinbaren.

Dabei unterscheidet sich das durchschnittliche Strafmaß in vergleichbaren Fällen EU-weit erheblich, von 7,5 Jahren in der Schweiz, bis zu i.d.R. lebenslang in England und Wales.
Tripple_U
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von Tripple_U »

Vielen Dank für eure Hinweise!

Wie sähe es bei folgendem Tathergang aus?
"Es kommt im Treppenhaus zum Streit. Dabei überkommt A die Wut und sie/er stößt B die Treppe herunter. B erleidet einen Genickbruch und stirbt nach wenigen Minuten. Noch unter Schock verlässt sie/er das Haus und wird wenige Tage später verhaftet."
Das wäre doch dann sicher eine Körperverletzung mit Todesfolge, oder? Und ist auf Grund der Misshandlungen von einem minderschweren Fall auszugehen (Es gibt keine Vorstrafen)?

Bezüglich der psychischen Misshandlung in Variante A würde ich die Beschreibung folgendermaßen ändern:
"Frau A misshandelt Herrn B im Laufe der Zeit so schwer, dass er zunehmend depressiv wird und jegliches Selbstvertrauen verliert. Er beginnt auch konkret über Selbstmord nachzudenken, ohne dass er seine Ideen in die Tat umsetzt.
Nach einigen Monaten..."
Kommt bei dieser Formulierung rüber, dass es sich hier nicht nur um ein gekränktes Ego handelt?
SusanneBerlin
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von SusanneBerlin »

Wenn da nur "Misshandlung/misshandelt" steht ohne Beschreibung, werden die meisten Leser an eine körperliche Misshandlung denken.

Aber wieso wollen Sie eigentlich unbedingt das Klischee bedienen, dass ein Mann seine Frau schlägt und eine Frau den Mann auf der psychischen Ebene demütigt? Es kann doch genauso umgekehrt sein. Die Studie will doch gerade untersuchen, ob die Probanten die Taten je nach Geschlecht des Täters unterschiedlich bewerten, und nicht die Vorurteile fördern, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Grüße, Susanne
Tripple_U
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Re: Fall von Todschlag für BA

Beitrag von Tripple_U »

SusanneBerlin hat geschrieben: Aber wieso wollen Sie eigentlich unbedingt das Klischee bedienen, dass ein Mann seine Frau schlägt und eine Frau den Mann auf der psychischen Ebene demütigt?
Meiner Erfahrung nach begreifen die meisten Leute noch nicht einmal, dass es dieses Klischee überhaupt gibt. Studien legen nahe, dass Gewalt in Beziehungen zu 50% von den Frauen ausgeht, wenn man die psychische Gewalt mit einbezieht. Das wird in der Allgemeinheit aber nicht wahrgenommen. Es gibt ganze drei Männerhäuser in Deutschland, die bei weitem nicht so gut "gesichert" sind wie die Frauenhäuser (d.h. mit unbekanntem Standort, anonymer Aufnahme, Zutrittsverbot für Männer etc.). Vor zwei Jahren hat die Bundesfamilienministerin groß eine Hotline ins Leben gerufen, an die sich FRAUEN, die Opfer von Gewalt in Partnerschaften werden, wenden können.

Ich glaube, dass psychische Gewalt gegen Männer verharmlost wird und rechne damit, dass in der Variante, in der die Frau ihren Partner tötet niedrigere Strafen ausgesprochen werden, als im anderen Fall. Genau das möchte ich mit der Umfrage herausfinden.
Mir geht es überhaupt nicht um ein Strafmaß, das in der Praxis nachvollziehbar wäre. Den wenigsten Laien wird bewusst sein, dass das Höchstmaß eigentlich nur bei Vorbestraften oder sehr schweren Fällen in Frage kommt (wenn ich mich da richtig an unseren Strafrechtskurs erinnere) und dass es Richtern nicht darum geht ein möglichst hartes Urteil zu fällen.
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