Nordland hat geschrieben:...
Aufgrund der grundgesetzlichen Regelungen (freies Mandat) dürfte in Deutschland nichts essenziell anderes gelten.
Sie sollten sich mit der Grundrechtstheorie beschäftigen. Dabei ist das Verständnis des BVerfG maßgeblich.
Der Fall Korwin-Mikke ist nicht mit dem Fall Weidel vergleichbar.
Frauen sind kleiner, schwächer und dümmer als Männer und verdienen deshalb zu Recht weniger - das hatte sinngemäß der polnische Abgeordnete Korwin-Mikke im EU-Parlament gesagt und dafür Sanktionen kassiert.
Dafür wurden Sanktionen nach Art. 166 GO-EP verhängt.
Art. 166 war tatbestandlich nicht erfüllt.
https://www.juris.de/jportal/portal/pag ... A180601515
In der am 16.01.2017 in Kraft getretenen geänderten Fassung (einschlägig in der Rechtssache T-352/17) erlaubte Art. 166 der Geschäftsordnung des Parlaments den Erlass von Sanktionen "bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Ordnung oder Störungen der Arbeit des Parlaments unter Verletzung der in Art. 11 festgelegten Grundsätze". Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 2 der geänderten Geschäftsordnung untersagte ausdrücklich "verleumderische, rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen". Sowohl für "Verhaltensweisen" als auch für "Äußerungen" sei festzustellen, dass eine Wortlautauslegung der Vorschrift der Geschäftsordnung, die Disziplinarsanktionen gegen einen Abgeordneten zuließe, zu dem Ergebnis führe, dass die Verletzung der in Art. 11 festgelegten Grundsätze und Werte (auf die Art. 166 verweise) keinen eigenständigen Beanstandungsgrund bilde, sondern eine zusätzliche Voraussetzung sei, damit eine Störung der Arbeit des Parlaments sanktioniert werden könne. Eine festgestellte Verletzung der in Art. 11 festgelegten Grundsätze könne daher nicht für sich allein, sondern nur in Verbindung mit einer Störung der Arbeit des Parlaments sanktioniert werden.
Um eine bloße Rüge bzw. einen Ordnungsruf ging es nicht. Der wäre auf eine ganz andere Ermächtigungsgrundlage gestützt worden, die Regelungen in der GO-EP und in der GO-BT sind dabei durchaus vergleichbar:
GO-EP
Artikel 165 : Sofortmaßnahmen
1. Der Präsident ruft jedes Mitglied, das den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung stört oder dessen Verhalten nicht mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 11 in Einklang steht, zur Ordnung.
Art. 40 I 2 GG, GO-BT
§ 36 Sach- und Ordnungsruf, Wortentziehung
(1) ... 2Er kann Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung oder die Würde des Bundestages verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen. ...
Entgegen Ihrer Auffassung ist es also sowohl im EU-Parlament, als auch im BT so, daß ein Ordnungsruf erfolgen kann, wenn die Würde des Parlaments verletzt wird. In Art. 11 GO-EP wird das i.Ü. weiter ausdifferenziert.
"... Ordnung oder die Würde ...", der Sitzungsabllauf muss dabei also nicht beeinträchtigt werden. Weder im EP, noch im BT.
Dagegen lässt es die GO-BT auch zu, anders als Art. 166 GO-EP, dass ein Ordnungsgeld verhängt werden kann, wenn "nur" die Würde des Parlaments verletzt, der Sitzungsablauf nicht tangiert wird.
§ 37 Ordnungsgeld
1Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages kann der Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages, auch ohne dass ein Ordnungsruf ergangen ist, ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festsetzen. 2Im Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2.000 Euro. 3§ 38 Absatz 2 gilt entsprechend.
Ich habe gar keinen Zweifel, dass es bald dazu kommen wird, ja kommen muss, wenn das hohe Haus nicht in einer Hofbräuhausatmosphäre versinken soll.