Pflichtteil für Geschwister

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Nena
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Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Nena »

Hallo,

ich brauche eine Widerlegung oder eine Bestätigung meiner Rechtsauffassung zu folgendem fiktiven Thema:

Ein verwitwete Erblasser hat keine Nachkommen. Er hatte 6 Brüder, von denen 5 vor dem Erblasser verstorben sind.
Die Eltern leben auch nicht mehr.
Es existiert ein Testament des Erblassers, in dem er zwei Brüder als Erbe eingesetzt hat, von den einer noch lebt.

Ich sehe zwei Möglichkeiten der Erbverteilung:

1.) Der überlebende Bruder erbt 50 % und die Kinder des im Testament noch genannten Bruders teilen sich die anderen 50 %.
2.) Der überlebende Bruder erbt 100 % (gemäß der Aussage, dass ein Toter nicht erben kann und dadurch seine Kinder auch nicht erbberechtigt sind)

Die eigentliche Frage lautet, ob die Kinder der Brüder, die nicht im Testament erwähnt wurden, einen Anspruch auf einen Erb- oder Pflichtteil haben.
Ich persönlich neige zur Lösung 1, da m.E. eine Nichterwähnung einem Ausschluß gleichzusetzen ist und nur evtl. Kinder (die nicht vorhanden sind) einen
Anspruch auf einen Pflichtteil haben.

Was meint Ihr zu diesem Thema?

Vielen dank für Eure Antworten.

Nena
alana4
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von alana4 »

Einen Pflichtteilsanspruch für Geschwister gibt es nicht.

Einen rechtmäßigen Anspruch auf einen Pflichtteil können nur die nächsten Familienangehörigen des Erblassers geltend machen. Pflichtteilsberechtigt sind gemäß § 2303 BGB nur:

„Abkömmlinge“, also Nachkommen des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel)
Eltern
Ehegatte.
Zu den Kindern zählen auch nichteheliche und adoptierte Kinder, soweit sie erbberechtigt sind. Weiterhin besitzt auch ein zum Zeitpunkt des Todes noch nicht geborenes, aber bereits gezeugtes Kind, einen Pflichtteilsanspruch.

Die Eltern sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser kinderlos verstirbt. Enkel wiederum haben nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn der Elternteil (also das Kind des Erblassers) bereits verstorben ist.

Geschiedene Ehegatten, Partner ohne Trauschein und Geschwister des Erblassers haben keinen Anspruch auf den Pflichtteil.

Ebenfalls nicht pflichtteilsberechtigt sind Stiefkinder und Stiefeltern, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten.

Genau Regelungen finden sich in § 2303 BGB
Nena
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Nena »

Ja, das Gesetz kenne ich. Im Netz habe ich aber einen Anwaltskommentar gelesen, der angibt, dass dies bei bestimmten Voraussetzungen doch möglich ist.
Daher stellt sich mir die Frage, ob es hier (höchst)richterliche Entscheidungen gibt.

Und wie ist es, wenn eine im Testament genannte Person zum Zeitpunkt des Erbfalles bereits verstorben ist. Treten dann dessen Kinder an seine Stelle oder nicht?
alana4
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von alana4 »

Ja, wenn der im Testament genannte Erbe verstorben ist, rücken dessen Kinder nach- wenn nicht ein anderer Ersatzerbe benannt ist für diesen Fall.

Pflichtteil für Geschwister gibt es grundsätzlich nicht.
Allerdings können Geschwister als gesetzliche Erben in Betracht kommen, wenn die testamentarisch benannten Erben bereits verstorben sind und ihrerseits keine Nachkommen haben oder andere gesetzl. Erben nicht da sind bzw. keine Ersatzerben benannt sind Dann sind die Geschwister aber Erben, nicht Pflichtteilsberechtigte.
Jdepp
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Jdepp »

alana4 hat geschrieben:Ja, wenn der im Testament genannte Erbe verstorben ist, rücken dessen Kinder nach- wenn nicht ein anderer Ersatzerbe benannt ist für diesen Fall.
Woraus soll sich das für Neffen und Nichten ergeben? Eine entsprechende gesetzliche Auslegungsregel gibt es nur für Abkömmlinge (2069 BGB). Das kann also bei Neffen und Nichten nur dann der Fall sein, wenn es sich aus den übrigen Umständen im Wege der Testamentsauslegung ergibt, aber es ist keine gesetzliche feststehende Regelung.
hambre
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von hambre »

Daher stellt sich mir die Frage, ob es hier (höchst)richterliche Entscheidungen gibt.
Das ist eine Frage der Testamentsauslegung für den speziellen Fall. Das Gericht würde also versuchen zu erforschen, was der Verstorbene gewollt hätte. Daher sind beide Möglichleiten prinzipiell denkbar.

Dafür spielt eine Rolle, warum der Verstorbene nur die beiden Brüder als Erben eingesetzt hat, die übrigen Geschwister jedoch nicht.
Daneben kann es eine Rolle spielen, warum der Verstorbene nach dem Tod des einen Bruders sein Testament nicht geändert hat.
Die eigentliche Frage lautet, ob die Kinder der Brüder, die nicht im Testament erwähnt wurden, einen Anspruch auf einen Erb- oder Pflichtteil haben.
Das wäre dann aber Variante 3, die jedoch in keinem Fall in Betracht kommt.
Nena
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Nena »

Hallo,

vielen Dank für Eure Kommentare, die mich in meiner Rechtsauffassung bestätigt haben.
Ich denke auch, dass man in diesem Fall davon ausgehen kann, dass der Erblasser nur die
beiden Brüder bedenken wollte und dass man durchaus schließend kann, dass in diesem
Falle auch die Kinder der bedachten Brüder eingeschlossen sind. § 2069 sprich zwar nur
von Abkömmlingen, aber ich glaube, dass die Kinder an die Stelle des verstorbenen Erbes
treten.

Euch allen schöne Ostfeiertage

Nena
Jdepp
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Jdepp »

Nena hat geschrieben: § 2069 sprich zwar nur
von Abkömmlingen, aber ich glaube, dass die Kinder an die Stelle des verstorbenen Erbes
treten.

Euch allen schöne Ostfeiertage

Nena
Nein. DIe Geschwister sind keine Abkömmlinge des Erblassers, so dass 2069 nicht zum tragen kommt.
Etienne777
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Etienne777 »

Nena hat geschrieben:... aber ich glaube, dass die Kinder an die Stelle des verstorbenen Erbes
treten.
Falls Sie ... des verstorbenen Erbens meinen, haben Sie recht. Da aber Geschwister gegenüber anderen Geschwistern keinen Pflichtteilsanspruch haben, können auch deren Kinder als ihre eigenen Erben gegenüber dem ursprünglichen Erblasser keinen Pflichtteilsanspruch haben. In einem Erbfall nach einem verwitweten und kinderlosen Erblasser gibt es keinen Erben, der Anspruch auf ein Pflichtteil hätte. Das schließt aber nicht aus, daß seine Geschwister, oder, falls die Geschwister auch nicht mehr leben deren Nachkommen seine Erben wegen letztwilliger Verfügung oder aus der gesetzlichen Erbfolge heraus sein können. Es erben hier also der noch lebende Bruder entsprechend der Verfügung des Testaments und anstelle des zweiten, nicht mehr lebenden Bruders dessen Nachkommen entsprechend der Verfügung des Testaments. Sollten beide Brüder je zur Hälfte Erben werden und einer davon ist inzwischen tot, hätte aber zwei Kinder, dann würde der noch lebende Bruder Erbe zu 1/2 und die beiden Kinder des anderen Bruders Erben zu je 1/4 sein.

Die Frage eines Pflichtteilsanspruchs erübrigt sich schon deshalb, weil es vorliegend keine Personen gibt, die nicht letztwillig bedacht worden sind. Auf ein Pflichtteil stellt man in der Praxis dann ab, wenn man an sich gesetzlicher Erbe geworden wäre, der Erblasser einen aber durch letztwillige Verfügung enterbt hat.
Aus technischen Gründen befindet sich die Signatur
auf der Rückseite dieses Beitrags.
Jdepp
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Jdepp »

Etienne777 hat geschrieben:...und anstelle des zweiten, nicht mehr lebenden Bruders dessen Nachkommen entsprechend der Verfügung des Testaments.
Begründung bitte.
Etienne777
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Etienne777 »

Jdepp hat geschrieben:Begründung bitte.
Die Erben eines nicht mehr lebenden Erben sind seine Gesamtrechtsnachfolger und treten daher auch in seine Rechte aus Erbschaft ein.
Aus technischen Gründen befindet sich die Signatur
auf der Rückseite dieses Beitrags.
Jdepp
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Jdepp »

Um Erbe werden zu können, muss man den Erbfall erlebt haben. Bruder zwei ist daher niemals Erbe geworden. Seine Erben beerben daher über diesen Weg nicht seinen Bruder.
SusanneBerlin
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von SusanneBerlin »

Etienne777 hat geschrieben: Die Erben eines nicht mehr lebenden Erben sind seine Gesamtrechtsnachfolger und treten daher auch in seine Rechte aus Erbschaft ein.
Rechtsnachfolge ist zwar richtig, aber der Rest ist falsch.

Wer tot ist, kann nicht mehr erben. Deshalb können die Erben des Toten auch nicht in eine Erbschaft eintreten für einen Erbfall, der sich erst nach dem Ableben ereignete.
BGB hat geschrieben:§ 1923 Erbfähigkeit
(1) Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt.
Die Gesamtrechtsnachfolge kann sich nur auf Erbschaften beziehen, die der Verstorbene noch angetreten hat.

Es kommt zwar im Endergebnis oft vor, dass die Erben des Erben die Erbschaft antreten, und zwar dann wenn es sich um einen Nachkommen des Erblassers und dessen Nachkommen handelt. Die Begründung ist aber nicht, dass Sie den Erbanspruch geerbt haben. Man kann keinen zukünftigen Erbanspruch erben. Sondern der Grund ist, dass sie als direkte Nachkommen in der Erbfolge nachrücken. Beispiel: Der Vater ist bereits tot, der Großvater stirbt. Dann erben die Enkel (Kinder des Vaters) weil sie in der Erbfolge nach dem Großvater sind.

Wenn der testamentarische Alleinerbe A mit dem Erblasser B nicht verwandt ist, und vor dem Erblasser stirbt, funktioniert das aber nicht. Dann sind die Erben von A nicht die Erben von B. Sondern es gilt die gesetzliche Erbfolge.
Grüße, Susanne
Etienne777
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Re: Pflichtteil für Geschwister

Beitrag von Etienne777 »

Okay, danke für den Hinweis, das leuchtet mir ein.
Aus technischen Gründen befindet sich die Signatur
auf der Rückseite dieses Beitrags.
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