Schuldfrage

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brokenheart
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Schuldfrage

Beitrag von brokenheart »

Hallo ich hatte heute einen Unfall und wurde von den Polizisten als der Schuldige abgestempelt.
Zu den Fakten:
Ich bin auf der rechten Spur rückwärts gefahren und aus einer Einfahrt/Ausfahrt mit abgesenktem Bordstein kam ein anderes Auto das dann auf die Straße gezogen ist. Der andere Fahrer hatte beschlagene Scheiben (Frost) das mit Fotos zu belegen ist. Die Polizisten sagen ich wäre alleine schuld da ich rückwärts gefahren sei. In der Stvo steht aber dass Fahrzeuge die von abgesengten Bordsteinen kommen allen Verkehrsteilnehmern Vorfahrt gewehren müssen. Zumal es ja auch ein Fußgänger sein könnte der da lang geht. Macht es da wohl Sinn vor Gericht zu gehen? Hatte jemand einen ähnlichen oder gar einen gleichen fall?
Tastenspitz
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Tastenspitz »

Den Unfall der eigenen Haftpflichtversicherung melden. Die kümmern sich um die Ansprüche und die Abwehr wenn nicht berechtigt.
FM
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Re: Schuldfrage

Beitrag von FM »

Jeder, aber auch wirklich jeder Polizeibeamte in Deutschland weiß, dass er die Schuldfrage nicht entscheiden kann. Er kann höchstens beurteilen ob eine Ordnungswidrigkeit vorlag, was aber wenig mit der Schuldfrage im Sinne des Schadensersatzes zu tun hat.

Und weil das eben jeder Polizeibeamte genau weiß, sind die Fragen im Forum mit der Aussage "die Polizei sagt ich (oder der andere) wäre schuld" meist einfach das Resultat einer falsch verstandenen Aussage, aber keine zutreffende Widergabe der Äußerungen.
fragenfueralle
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Re: Schuldfrage

Beitrag von fragenfueralle »

Die Aussage, die Polizei hätte gesagt, der oder der sei schuld, hat wohl damit etwas zu tun, dass der mutmaßliche Unfallverursacher an Position 1 der Unfallmitteilung durch den Beamten eingetragen wird. Zusätzlich wird der Verstoß in der Unfallmitteilung fetsgehalten. So m.E. die Auffassung von Unfallbeteiligten.
Viele Menschen hinterlassen Spuren.
Nur wenige hinterlassen Eindrücke.

Manche aber hinterlassen nur beim Eindrücken Spuren.
Gaia
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Gaia »

FM hat geschrieben: 30.10.19, 21:09 Jeder, aber auch wirklich jeder Polizeibeamte in Deutschland weiß, dass er die Schuldfrage nicht entscheiden kann. Er kann höchstens beurteilen ob eine Ordnungswidrigkeit vorlag
Da Tastenspitz dem TE ja bereits zutreffend erklärt hat, was er machen sollte, sei mir noch dieser Hinweis gestattet: jeder, aber auch wirklich jeder Polizeibeamte in Deutschland weiß, daß er nicht entscheiden kann, ob eine Ordnungswidrigkeit vorlag. Beurteilen i.S.v. einschätzen kann er das aber sehr wohl.

Genau das kann er (zumindest in einfach gelagerten Fällen) bei der Schuldfrage auch. Natürlich wird den Beamten eingeimpft, keine eindeutige Aussage zu treffen. Eine Einschätzung werden sie aber in aller Regel doch abgeben. Selbstverständlich immer mit dem Hinweis, daß es sich eben nur um eine unverbindliche Einschätzung handelt.
FM
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Re: Schuldfrage

Beitrag von FM »

Gaia hat geschrieben: 01.11.19, 23:45 jeder, aber auch wirklich jeder Polizeibeamte in Deutschlandweiß, daß er nicht entscheiden kann, ob eine Ordnungswidrigkeit vorlag.
Doch die Polizei ist in vielen Fällen zuständige Behörde nach dem OwiG. Oder bin ich da jedesmal auf Betrüger hereingefallen, wenn einer "eine Verwarnung" aussprach?
Gaia
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Gaia »

FM hat geschrieben: 02.11.19, 11:27Doch die Polizei ist in vielen Fällen zuständige Behörde nach dem OwiG.
Die Polizei entscheidet nicht. Genausowenig wie das O-Amt. Nennt sich Gewaltenteilung.
Deputy
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Deputy »

Gaia hat geschrieben: 01.11.19, 23:45
FM hat geschrieben: 30.10.19, 21:09 Jeder, aber auch wirklich jeder Polizeibeamte in Deutschland weiß, dass er die Schuldfrage nicht entscheiden kann. Er kann höchstens beurteilen ob eine Ordnungswidrigkeit vorlag
Da Tastenspitz dem TE ja bereits zutreffend erklärt hat, was er machen sollte, sei mir noch dieser Hinweis gestattet: jeder, aber auch wirklich jeder Polizeibeamte in Deutschland weiß, daß er nicht entscheiden kann, ob eine Ordnungswidrigkeit vorlag. Beurteilen i.S.v. einschätzen kann er das aber sehr wohl.

Genau das kann er (zumindest in einfach gelagerten Fällen) bei der Schuldfrage auch. Natürlich wird den Beamten eingeimpft, keine eindeutige Aussage zu treffen. Eine Einschätzung werden sie aber in aller Regel doch abgeben. Selbstverständlich immer mit dem Hinweis, daß es sich eben nur um eine unverbindliche Einschätzung handelt.
Die Polizei schätzt ein, wer den Unfall ihrer Ansicht nach (mit-)verursacht hat und schreibt die entsprechende Anzeige; über Schuld im zivilrechtlichen Sinne trifft sie keinerlei Aussage, das geht die Polizei auch nichts an.

Im strafrechtlichen Bereich ist es genauso, da trifft die Polizei keinerlei Entscheidungen über Schuld, sie schreibt bei einem Verdacht lediglich die Anzeige.

Im Bereich der Ordungswidrigkeiten ist es etwas anders; da kann die Polizei - wenn der Verkehrsteilnehmer einverstanden ist - eine Barverwarnung zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit erheben. Damit ist das Ordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen.
Gaia
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Gaia »

Deputy hat geschrieben: 02.11.19, 13:01Im Bereich der Ordungswidrigkeiten ist es etwas anders; da kann die Polizei - wenn der Verkehrsteilnehmer einverstanden ist - eine Barverwarnung zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit erheben. Damit ist das Ordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen.
Inwieweit widerspricht das jetzt meinen Aussagen?
Deputy
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Deputy »

Weil das OWi-Verfahren mit der Barzahlung geahndet und beendet ist. Damit ist rechtlich gesehen geklärt, dass der Verkehrsteilnehmer den Unfall durch Begehen der OWi verursacht hat.

Und diese Frage ist sonst nicht geklärt.
Gaia
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Gaia »

Deputy hat geschrieben: 02.11.19, 13:51Weil das OWi-Verfahren mit der Barzahlung geahndet und beendet ist.
Ja. Und? Damit hat der Beamte immer noch nichts entschieden, sondern der VT hat das Angebot des Beamten angenommen. Lehnt er das Angebot ab, geht das Verfahren seinen normalen Gang, an dessen Ende eine Gerichtsentscheidung stehen kann.
Übrigens: Barzahlung soll bei den uniformierten Herrschaften inzwischen eher kaum bis gar nicht mehr möglich sein..
Damit ist rechtlich gesehen geklärt, dass der Verkehrsteilnehmer den Unfall durch Begehen der OWi verursacht hat.
Das ist relativ richtig. Zunächst ist damit einzig und allein geklärt, der VT räumt die ihm vorgeworfene OWi ein und akzeptiert das dafür vorgesehene Bußgeld, so daß ihm aus dieser 'Ecke' kein Verfahren mehr droht. Was dann im Anschluß bei der Abwicklung mit der Kfz-Versicherung herauskommt, steht auf einem ganz anderen Blatt (auch wenn zugegebenermaßen die OWi als Indiz herangezogen werden wird).
FM
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Re: Schuldfrage

Beitrag von FM »

Gaia hat geschrieben: 02.11.19, 12:36
FM hat geschrieben: 02.11.19, 11:27Doch die Polizei ist in vielen Fällen zuständige Behörde nach dem OwiG.
Die Polizei entscheidet nicht. Genausowenig wie das O-Amt. Nennt sich Gewaltenteilung.
Tja, da ist dir das Ordnungswidrigkeitenrecht wohl eher fremd. Da ist immer eine Verwaltungsbehörde zuständig. Unsere Nachbarn in Österreich nennen es deshalb auch "Verwaltungsstrafe", was es vielleicht deutlicher macht.
Deputy
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Deputy »

Gaia hat geschrieben: 02.11.19, 15:22
Deputy hat geschrieben: 02.11.19, 13:51Weil das OWi-Verfahren mit der Barzahlung geahndet und beendet ist.
Ja. Und? Damit hat der Beamte immer noch nichts entschieden, sondern der VT hat das Angebot des Beamten angenommen.
Doch; der Beamte hat entschieden, welche OWi seiner Ansicht nach vorliegt und dass er eine Barverwarnung anbietet; zweiteres muss er nicht machen, zB wenn er der Ansicht ist dass der Regelsatz erhöht werden sollte.
Gaia hat geschrieben: 02.11.19, 15:22Lehnt er das Angebot ab, geht das Verfahren seinen normalen Gang, an dessen Ende eine Gerichtsentscheidung stehen kann.
Kann, aber nicht muss.
Gaia hat geschrieben: 02.11.19, 15:22Übrigens: Barzahlung soll bei den uniformierten Herrschaften inzwischen eher kaum bis gar nicht mehr möglich sein..
Eine Barverwarnung oder besser ein Verwarngeld kann genausogut mit Karte erhoben werden.
Gaia hat geschrieben: 02.11.19, 15:22
Damit ist rechtlich gesehen geklärt, dass der Verkehrsteilnehmer den Unfall durch Begehen der OWi verursacht hat.
Das ist relativ richtig. Zunächst ist damit einzig und allein geklärt, der VT räumt die ihm vorgeworfene OWi ein und akzeptiert das dafür vorgesehene Bußgeld, so daß ihm aus dieser 'Ecke' kein Verfahren mehr droht.
Das ist sogar absolut richtig, dass es bei der Verursachung um die OWi geht und um nichts zivilrechtliches.

Gaia hat geschrieben: 02.11.19, 15:22Was dann im Anschluß bei der Abwicklung mit der Kfz-Versicherung herauskommt, steht auf einem ganz anderen Blatt (auch wenn zugegebenermaßen die OWi als Indiz herangezogen werden wird).
Das ist ein völlig anderes Rechtsgebiet, bei dem es zB eine Teilschuld gibt - die es weder im OWi- noch im Strafverfahren gibt.

Im übrigen hat das mit der Gewaltenteilung nichts zu tun; wird ein Bussgeldbescheid rechtskräftig, dann ist er vollstreckbar - ohne dass sich ein Gericht den Bescheid je angesehen oder irgendwas entschieden hat, analog einem Urteil, bei dem man vergessen hat Berufung oder Revision einzulegen. FM hat den Vergleich mit Österreich ja schon gebracht.
FM
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Re: Schuldfrage

Beitrag von FM »

in den 40 Jahren die ich nun Autofahrer bin hatte ich es vielleicht 5 oder 10 mal mit Owi-Sachen zu tun. Und da war ich in jedem einzelnen Fall damit einverstanden, die von der Polizei oder der Kommunalbehörde verhängte Verwarnung zu bezahlen. Das war mir eben lieber, als auf ein Verfahren vor dem Amtsgericht zu bestehen, was natürlich möglich gewesen wäre, und in manchen Fällen auch sinnvoll sein kann.

Dennoch hatte hier ein Polizeibeamter vor Ort die Entscheidung getroffen. Ob er das nun nur bei der Verwarnung darf, ob für einen Bußgeldbescheid eine andere Dienststelle zuständig gewesen wäre (vielleicht das Polizeiverwaltungsamt), ändert nicht viel an der Sache. Natürlich kann man gegen jede Entscheidung einer Behörde vor Gericht vorgehen (Art. 19 Abs. 4 GG). Aber dennoch ist es erstmal eine Entscheidung der Behörde. Wenn man das anders sieht und nur die Entscheidung der jeweils letztmöglichen Instanz als Entscheidung definieren will, darf man das natürlich so sehen. Dann kann aber auch kein Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht irgendetwas antscheiden, weil ja immer noch Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH denkbar wäre. Und auch der Bundestag nicht, weil dann Verfassungsbeschwerde zum BVerfG denkbar wäre.
Gaia
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Re: Schuldfrage

Beitrag von Gaia »

FM hat geschrieben: 02.11.19, 20:15Tja, da ist dir das Ordnungswidrigkeitenrecht wohl eher fremd. Da ist immer eine Verwaltungsbehörde zuständig.
Die Diskussion dreht sich nicht um zuständig, sondern um (rechtlich maßgeblich) entscheiden.
Deputy hat geschrieben: 02.11.19, 20:38Doch; der Beamte hat entschieden, welche OWi seiner Ansicht nach vorliegt und dass er eine Barverwarnung anbietet
Stimmt. Um diese Entscheidung geht es aber erkennbar nicht. Steht da auch: seiner Ansicht nach und anbieten. Seine Ansicht ist nur dann maßgeblich, wenn der VT sie akzeptiert und das Angebot nicht ablehnt.
Im übrigen hat das mit der Gewaltenteilung nichts zu tun; wird ein Bussgeldbescheid rechtskräftig, dann ist er vollstreckbar - ohne dass sich ein Gericht den Bescheid je angesehen oder irgendwas entschieden hat, analog einem Urteil, bei dem man vergessen hat Berufung oder Revision einzulegen.
Ich kann mich nicht erinnern, etwas anderes behauptet zu haben.
FM hat geschrieben: 02.11.19, 22:33Dennoch hatte hier ein Polizeibeamter vor Ort die Entscheidung getroffen.
Der Beamte hat lediglich entschieden, daß seiner Ansicht nach eine OWi vorliegt und dem VT deshalb die Zahlung einer entsprechenden Geldbuße angeboten.
Natürlich kann man gegen jede Entscheidung einer Behörde vor Gericht vorgehen (Art. 19 Abs. 4 GG).
Prima. Dann sind wir uns ja einig.
Aber dennoch ist es erstmal eine Entscheidung der Behörde.
Ja. Entscheidend ist die Meinung der Behörde im Zweifel aber eben nicht.
Wenn man das anders sieht und nur die Entscheidung der jeweils letztmöglichen Instanz als Entscheidung definieren will, darf man das natürlich so sehen. Dann kann aber auch kein Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht irgendetwas antscheiden, weil ja immer noch Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH denkbar wäre. Und auch der Bundestag nicht, weil dann Verfassungsbeschwerde zum BVerfG denkbar wäre.
Ah. Derailing vom feinsten.
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