Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

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Marietta98
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Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Marietta98 »

Thema: Hochpreis-Coaching

Hallo,

ich würde mich total über eine rechtliche Einschätzung folgenden hypothetischen Falls einer Frau Mustermann freuen:

Frau Mustermann hat einen kostenlosen Online-Kurs „XY“ belegt. Nach diesem Kurs hat der Kursleiter sie angerufen und ich und ihr erzählt, er bietet auch ein Coaching an, was er ihr gerne ans Herz legen würde, da er ihre Geschäftsidee so toll findet. Das Telefonat hat sehr lange gedauert. Eigentlich interessierte sich Frau Mustermann nicht für ein Coaching und hatte diesbezüglich auch vorher kein Interesse bekundet.

Zu Beginn des Telefonates hätte Frau Mustermann sich das Ende nicht ausmalen können. Der Kursleiter war jedoch so überzeugend und wortgewandt, dass die Frau am Ende des Telefonates einwilligte, ein Coaching bei ihm für den Preis von 32.000,00 EUR zu buchen. Frau Mustermann hatte nie so viel Geld, kommunizierte das auch und ihr wurde angeboten, in Raten zahlen zu dürfen.
Vorher war sie noch nie unternehmerisch tätig, sondern bezog ALG2, weil sie aufgrund einer Krankheit nicht arbeiten konnte. Dadurch, dass der Kursleiter ihre Idee aber so toll fand, bekam sie Hoffnung, dadurch in Zukunft evtl. unternehmerisch tätig werden zu können, sofern ihre Gesundheit dies zulassen würde. Frau Mustermann ist weiterhin krank und nicht arbeitsfähig.

Am nächsten Morgen wachte Frau Mustermann auf und war total erschrocken, dass sie im gestrigen Telefonat eingewilligt hatte. Sie schrieb einen schriftlichen Widerruf und teilte auch mündlich mit, dass sie gerne von dem am gestrigen Abend geschlossenen Vertrag zurücktreten möchte. Das sei leider nicht möglich, wurde ihr vom Kursleiter mitgeteilt.

In dem Telefonat wurde sie nicht auf die AGB des am Telefon geschlossenen Vertrages hingewiesen.

Frau Mustermann versuchte sich auf das 14tägige Fernabsatz-Widerspruchsrecht zu berufen. Der Kursleiter argumentierte, dass das für sie nicht gelten würde, da sie in unternehmerischer Absicht gehandelt hätte und somit als Unternehmerin gelten würde.

Nun bekam Frau Mustermann einen Mahnbescheid.

Wie könnte Frau Mustermann nun vorgehen?

Herzliche Grüße und ganz lieben Dank vorab!
Zuletzt geändert von ktown am 18.04.21, 17:49, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Kursname und Kursinhalte haben hier nichts zu suchen
ExDevil67
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von ExDevil67 »

Hier kann man nur zum Anwalt raten. Widerspruch geht zwar auch ohne, sollte aber die Gegenseite klage einreihen landet die vor'm Landgericht und dort geht ohne Anwalt nix.
Evariste
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Evariste »

Marietta98 hat geschrieben: 18.04.21, 12:29 Nun bekam Frau Mustermann einen Mahnbescheid.
Wie könnte Frau Mustermann nun vorgehen?
Zunächst einmal dem Mahnbescheid widersprechen. Dafür hat man nur 14 Tage Zeit, nicht, dass die Frist verstreicht, während Frau Mustermann noch nachdenkt...
ktown
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von ktown »

Die Frage ist: Ab wann ist man unternehmerisch tätig?
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

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Evariste
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Evariste »

HIer helfen vielleicht die Umsatzsteuerrichtlinien weiter:
Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen beabsichtigt ist (Verwendungsabsicht) und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird.
Wenn die erste und einzige Handlung "als Unternehmer" der telefonische Abschluss eines Coaching-Vertrags ist, bei dem noch nicht einmal klar ist, wie dieser überhaupt finanziert werden soll, ist die Unternehmereigenschaft mindestens zweifelhaft.
Froggel
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Froggel »

ktown hat geschrieben: 18.04.21, 17:51 Die Frage ist: Ab wann ist man unternehmerisch tätig?
§ 14 BGB: Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Dem gegenüber steht § 13 BGB: Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Das Problem ist nun, dass Frau Mustermann zwar das Coaching beim Finanzamt abrechnen könnte, sobald sie unternehmerisch tätig werden würde, aber zuvor wäre so ein Coaching ein reines Privatvergnügen. Schlägt sich Frau Mustermann also nicht wirklich mit dem Gedanken, bald in die Selbstständigkeit zu wechseln, kann sie sich darauf berufen, dass der § 13 BGB für sie gültig ist und somit für sie auch ein Widerruf nach § 355 BGB gilt.

Abgesehen davon sollte Frau Mustermann einem gerichtlichen Mahnbescheid sofort widersprechen, dann muss nämlich zwangsweise der Unternehmer nachweisen, dass er im Recht ist, womit er Probleme haben dürfte, solange Frau Mustermann nicht doch noch selbstständig wird.
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von ktown »

Evariste hat geschrieben: 18.04.21, 19:02 HIer helfen vielleicht die Umsatzsteuerrichtlinien weiter:
Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen beabsichtigt ist (Verwendungsabsicht) und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird.
Wenn die erste und einzige Handlung "als Unternehmer" der telefonische Abschluss eines Coaching-Vertrags ist, bei dem noch nicht einmal klar ist, wie dieser überhaupt finanziert werden soll, ist die Unternehmereigenschaft mindestens zweifelhaft.
Sehe ich auch so. Nur hatte ich Bedenken mit dieser Sichtweise, weil ich mich im Steuerrecht nun nicht wirklich auskenne. :wink:
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Evariste »

Froggel hat geschrieben: 18.04.21, 19:19 Das Problem ist nun, dass Frau Mustermann zwar das Coaching beim Finanzamt abrechnen könnte, sobald sie unternehmerisch tätig werden würde, aber zuvor wäre so ein Coaching ein reines Privatvergnügen.
So einfach ist es leider nicht. Ich hätte wohl doch den nächsten Satz in den Umsatzsteuerrichtlinien mitzitieren sollen:
... In diesem Fall entfällt die Unternehmereigenschaft – außer in den Fällen von Betrug und Missbrauch – nicht rückwirkend, wenn es später nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kommt.
Die Unternehmereigenschaft kann also grundsätzlich auch dann zum Tragen kommen, wenn am Ende doch kein tragfähiges Gewerbe zustande kommt.

Und weiter:
Als Nachweis für die Ernsthaftigkeit sind Vorbereitungshandlungen anzusehen, wenn bezogene Gegenstände oder in Anspruch genommene sonstige Leistungen (Eingangsleistungen) ihrer Art nach nur zur unternehmerischen Verwendung oder Nutzung bestimmt sind oder in einem objektiven und zweifelsfrei erkennbaren Zusammenhang mit der beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit stehen (unternehmensbezogene Vorbereitungshandlungen).
...
Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall.
Als einzige Vorbereitungshandlung im Sinne der Richtlinien kommt hier ausgerechnet jener telefonische Abschluss in Frage, den die angebliche "Unternehmerin" aber am Morgen danach schon widerrufen hat. Das ist als Nachweis für eine Unternehmereigenschaft doch sehr dünn.
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von ExDevil67 »

Evariste hat geschrieben: 18.04.21, 21:16 Als einzige Vorbereitungshandlung im Sinne der Richtlinien kommt hier ausgerechnet jener telefonische Abschluss in Frage, den die angebliche "Unternehmerin" aber am Morgen danach schon widerrufen hat. Das ist als Nachweis für eine Unternehmereigenschaft doch sehr dünn.
Ändert aber nix das bei der Summe das ein Anwalt dem Landgericht erklären muss. Frage dürfte auch sein wie abgezockt die Gegenseite ist, ggf könnte es auch reichen das sich der Anwalt bei der Gegenseite meldet und da jemand genau weiß auf welch dünnem Eis er unterwegs ist.
Froggel
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Froggel »

Es wäre zu überlegen, ob so ein Vertrag nicht von Anfang an grob sittenwidrig ist. Gerade wenn dem Kursleiter bekannt war, dass Frau Mustermann ALG2 bezieht, dürfte hier Sittenwidrigkeit gegeben sein, einen hochpreisigen Vertrag mit ihr abzuschließen, den sie mit Sicherheit nicht bezahlen kann. Auch Wucher wäre sittenwidrig, aber da müsste man wissen, ob man die gleiche Leistung zu einem erheblich günstigeren Preis bekäme.
§ 138 BGB
Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen
Sollte der Anrufer möglicherweise falsche Versprechungen (z.B. hohe Einnahmen von Anfang an) gemacht haben, die unmöglich zu erreichen sind, wäre auch eine Vertragsanfechtung wegen Täuschung möglich. Dazu muss man natürlich wissen, ob diese Versprechungen wirklich an der Realität vorbeigehen oder ob real solche Gewinne wahrscheinlich sind.
§ 123
Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
So oder so ist es am besten, einen Anwalt aufzusuchen, denn es ist günstiger, den Anwalt zu bezahlen, als den teuren Coaching-Kurs.
Ich bin kein Jurist.
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von Evariste »

Froggel hat geschrieben: 18.04.21, 22:46 So oder so ist es am besten, einen Anwalt aufzusuchen, denn es ist günstiger, den Anwalt zu bezahlen, als den teuren Coaching-Kurs.
Ein ALG2-Bezieher dürfte in solchen Fällen eigentlich Prozesskostenhilfe erhalten...
winterspaziergang

Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von winterspaziergang »

Marietta98 hat geschrieben: 18.04.21, 12:29
Frau Mustermann versuchte sich auf das 14tägige Fernabsatz-Widerspruchsrecht zu berufen. Der Kursleiter argumentierte, dass das für sie nicht gelten würde, da sie in unternehmerischer Absicht gehandelt hätte und somit als Unternehmerin gelten würde.
Mit dem Argument wäre jede Ausbildung eine Investition in ein Unternehmen :ironie:
Nun bekam Frau Mustermann einen Mahnbescheid.
Gerichtlichen Mahnbescheiden widerspricht man, so man sie bestreiten möchte
Wie könnte Frau Mustermann nun vorgehen?
mit Beratungsschein eines Gerichts einen Anwalt aufsuchen, der Prozesskostenhilfe beantragt und Frau M. darin berät, ob hier ein sittenwidriger Vertrag oder auch so eine Art Ausnutzung einer Notlage vorliegt.

Einem teils arbeits/erwerbsunfähigen ALG-II-Bezieher vorzumachen, er habe eine dermaßen tolle Idee, für deren Umsetzung er aber bitte erst 32 000 Euro in ein "Coaching" investieren muss, ist der Klassiker unseriöser Anbieter.

Je nach Stundenzahl dieses "Coachings" könnte auch Wucher im Raum stehen.
ktown
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Re: Hochpreis-Coaching - ist das Vorgehen rechtens?

Beitrag von ktown »

Bauchgefühl: Nach dem Widerspruch wird nichts mehr kommen.
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

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