Old Piper hat geschrieben: ↑20.11.23, 07:57
Nordland hat geschrieben: ↑18.11.23, 11:08 Was eine Verletzung der "Ordnung oder der Würde des Bundestages" angeht, sollten die zahlreichen MdB einheitliche Orinetierungspunkte vorfinden.
Den Unterschied zwischen "Ermessen" und einem "unbestimmten Rechtsbegriff" kennen Sie also auch nicht? Ersteres ist nicht justiziabel, d.h. ein Gericht darf nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens bei der angegriffenen Entscheidung setzen.
So ein Unsinn. Du weißt offenbar nicht, was Ermessen bedeutet. Du tust so, als bedeute Ermessen, dass der zur Ausübung des Ermessens Berechtigte frei entscheiden könne, was er macht. Das ist das landläufige Verständnis von Unkundigen. Juristisch ist es aber falsch. Denn selbstverständlich prüft ein Gericht die Ausübung des Ermessens.
Der BT-Präsident hat, wie schon geschrieben, ein Auswahlermessen. Siehe den Wortlaut von § 36 Abs. 1 Satz 2 GO BT: "Er
kann Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung oder die Würde des Bundestages verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen."
Heißt: Wenn ein Fall der Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestags vorliegt, liegt es im Ermessen des Präsidenten, einen Ordnungsruf zu erteilen.
Darum geht es hier indes nicht, denn wenn schon gar kein Fall einer solchen Verletzung vorliegt, ist gar kein Ordnungsruf legitimiert. Es geht also um den unbestimmten Rechtsbegriff der "Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestags". Ein unbestimmter Rechtsbegriff ist auszulegen. Du - und andere hier - scheinen wiederum davon auszugehen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff dazu führe, dass man diesen nach persönlichem Befinden so oder so auslegen könne.
Das ist natürlich hanebüchener Unsinn. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind nicht unzulässig. Es ist nicht zwingend notwendig, alle denkbaren Fälle vorab zu definieren. Jedoch muss es eine einheitliche Auslegung geben. Das weiß zB jeder, der sich mit Rechnungswesen auskennt und vor dem Begriff der "Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung" hängen bleibt. Im HGB ist das nicht näher ausgeführt. Heißt nicht, dass jeder Buchhalter nach Belieben so oder so buchen kann. Vergleichbare Fälle sind in vergleichbarer Weise zu behandeln. Wie man es macht, steht zwar nicht im HGB, dafür gibt es aber Kommentare, Leitfäden, Urteile, an denen man sich orientieren muss.
Es ist schon ziemlich schwach, hier Begriffe wie "Ermessen" oder "unbestimmter Rechtsbegriff" zu entdecken und dann zu meinen, das eröffne einen subjektiven Gestaltungsspielraum, nach persönlichem Empfinden Ordnungsrufe zu erteilen.
Ich würde gerne mal einen erfahrenen Juristen wie
cmd.dea hat geschrieben:cmd.dea
hören, der bis hierhin sicherlich alles bestätigen würde.
Also, wir sind bei der Frage, ob eine "Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestags" vorliegt und insofern ein Ordnungsruf erteilt werden
kann. Es wird behauptet, dadurch, dass MdB Ganserer mit seinem männlichen Vornamen und als Mann angesprochen worden sei, sei eine solche Verletzung gegeben. Vor diesem Hintergrund ist auch das mit dem Ordnungsgeld zweitrangig, da der Beitrag in den sozialen Medien ja aus Anlass dessen erfolgte. Ist so wie beim VAR: Wenn es eine strittige Elfmeterentscheidung gibt, vorher aber eine Abseitsentscheidung vorlag, braucht selbst bei klarem Foul nicht über den Elfmeter entschieden werden.
Eine solche "Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestags" könnte vorliegen, wenn ein MdB einen anderen Abgeordneten in ehrverletzender Weise anspricht. So lautet hier jedenfalls der Vorwurf. Und da muss man leider genau sein, denn selbst wenn einzelne MdB ihn als Frau ansprechen, weil das gerade woke ist, ist noch lange nicht gesagt, dass jede andere Ansprache ehrverletzend ist. Ein verständiger, seine Worte sorgfältig wählender Mensch würde darauf abstellen, dass MdB Ganserer beispielsweise auf dem Wahlzettel eindeutig als Mann deklariert war und in der Zwischenzeit auch kein formeller Wechsel seines Geschlechts stattgefunden hat. Es gibt also gar keinen Anlass, hier von einer Provokation zu sprechen.
Dabei bin ich im Übrigen der Meinung, dass selbst
de lege ferenda selbst das neue Selbstbestimmungsgesetz verfassungswidrig ist, da die betroffenen Personen eben immer noch den Habitus ihres ehemaligen Geschlechts haben und es zur freien Meinungsäußerung gehört, wenn man sich gegen beliebige Geschlechterwechsel ausspricht. Aber das ist - wie gesagt - hier nicht das Thema, da MdB Ganserer formal eben auch nach der Papierlage ein Mann ist.
Im Ergebnis liegt keine "Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestags" vor. Ihr habt bislang leider auch keine überzeugende Argumente dafür vorbringen können, warum dies doch der Fall sei. Somit scheidet ein Ordnungsruf aus. Es ging bei den Ordnungsrufen auch nicht um den Schutz irgendwelcher Gefühle von Ganserer. Es ging darum, politisch alle auf einheitliche Linie zu bringen und dafür zu sorgen, dass sich alle der Ansicht anschließen, das Geschlecht sei nur ein soziales Konstrukt. MdB von Storch hat sich dem verweigert und wurde letztendlich dafür bestraft.
From the river to the sea - „Palästina“ gab es nie.