Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

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Nordland
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Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Nordland »

Ein unseriöses Inkasso-Unternehmen wird, nachdem ein jahrelanges Strafverfahren gegen Verantwortliche aufgrund des offensichtlichen Komplettversagens der Strafjustiz mit Einstellungen endete, nach Jahren wieder aktiv. Das Unternehmen bzw. dessen Anwalt erwirkt Mahnbescheide für aufgeblähte Forderungen, die längst verjährt sind und überdies nie wirksam bestanden haben (unverlangte Zusendung von Waren). Rein zufällig werden die Mahnbescheide pünktlich zu Beginn der Sommerferien erwirkt.

Nachdem der angebliche Schuldner dennoch zu Hause war und Einspruch einlegte, schreibt der Anwalt weiterhin Briefe, um ihn dazu zu bewegen, den Einspruch zurückzunehmen. Sinngemäß heißt es darin, man werde nun demnächst das streitige Verfahren angehen und das Gericht werde den angeblichen Schuldner schon zur Zahlung verurteilen.

- Wenn aus dem Dunstkreis dieses unseriösen Inkasso systematisch für verjährte und auch sonst sehr zweifelhafte Forderungen Mahnbescheide beantragt werden, hat das Mahngericht nicht die Möglichkeit, den Erlass von Mahnbescheiden zu stoppen? Hier dürfte Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegen.
- Bringt es etwas, den Brief des Anwalts an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht weiterzuleiten und dem Gericht mitzuteilen, dass der vermeintliche Gläubiger das streitige Verfahren wünscht? Dieser Ratschlag wird zwar erteilt, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das Gericht tatsächlich Kostennoten an den vermeintlichen Gläubiger sendet.
- Was passiert, wenn die sechs Monate verstreichen?
ExDevil67
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von ExDevil67 »

Nordland hat geschrieben: 08.10.20, 13:58 1)- Wenn aus dem Dunstkreis dieses unseriösen Inkasso systematisch für verjährte und auch sonst sehr zweifelhafte Forderungen Mahnbescheide beantragt werden, hat das Mahngericht nicht die Möglichkeit, den Erlass von Mahnbescheiden zu stoppen? Hier dürfte Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegen.
2)- Bringt es etwas, den Brief des Anwalts an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht weiterzuleiten und dem Gericht mitzuteilen, dass der vermeintliche Gläubiger das streitige Verfahren wünscht? Dieser Ratschlag wird zwar erteilt, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das Gericht tatsächlich Kostennoten an den vermeintlichen Gläubiger sendet.
zu 1) Das Mahngericht prüft den Antrag nur auf Einhaltung der Formalien. Nicht aber ob der Anspruch als solcher auch berechtigt ist.
zu 2) Das dürfte dem Mahngericht egal sein. AFAIK kann man aber auch als vermeintlicher Schuldner das streitige Verfahren beantragen. Dann bekommt man halt selber die Rechnung über die fälligen Gerichtskosten und muss hoffen das die Gegenseite, sofern man gewinnt, auch zahlungsfähig ist.
Gaia
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Gaia »

Nordland hat geschrieben: 08.10.20, 13:58nachdem ein jahrelanges Strafverfahren gegen Verantwortliche aufgrund des offensichtlichen Komplettversagens der Strafjustiz mit Einstellungen endete
In unserem Land? Kann doch gar nicht sein.
FM
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von FM »

Nordland hat geschrieben: 08.10.20, 13:58 - Wenn aus dem Dunstkreis dieses unseriösen Inkasso systematisch für verjährte und auch sonst sehr zweifelhafte Forderungen Mahnbescheide beantragt werden, hat das Mahngericht nicht die Möglichkeit, den Erlass von Mahnbescheiden zu stoppen?
Woher soll das Mahngericht da schon wissen, ob der Beklagte später im Verfahren vor dem Prozessgericht überhaupt die Einrede der Verjährung geltend machen wird?
Nordland
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Nordland »

ExDevil67 hat geschrieben: 08.10.20, 14:38 zu 1) Das Mahngericht prüft den Antrag nur auf Einhaltung der Formalien. Nicht aber ob der Anspruch als solcher auch berechtigt ist.
Auch bei belastbaren Hinweisen auf rechtsmissbräuchliche Beantragung von Mahnbescheiden?
ExDevil67 hat geschrieben: 08.10.20, 14:38zu 2) Das dürfte dem Mahngericht egal sein. AFAIK kann man aber auch als vermeintlicher Schuldner das streitige Verfahren beantragen. Dann bekommt man halt selber die Rechnung über die fälligen Gerichtskosten und muss hoffen das die Gegenseite, sofern man gewinnt, auch zahlungsfähig ist.
Es ging um das Prozessgericht, nicht um das Mahngericht. Und ja, auch der vermeintliche Schuldner kann das streitige Verfahren beantragen - nur darum ging es ebenfalls nicht, denn wer will schon die Gerichtskosten vorstrecken?
Gaia
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Gaia »

Nordland hat geschrieben: 08.10.20, 18:55Auch bei belastbaren Hinweisen auf rechtsmissbräuchliche Beantragung von Mahnbescheiden?
Ja. Nicht Aufgabe des Mahngerichts. Steht auch in den entsprechenden Informationen.

Von wem sollten diese Hinweise auch kommen? Wer entscheidet, welcher Antrag rechtsmissbräuchlich ist?
nur darum ging es ebenfalls nicht, denn wer will schon die Gerichtskosten vorstrecken?
Macht nichts, das es darum nicht ging. In unserem Forum darf man auch dann etwas (zum Thema) schreiben, wenn niemand explizit danach gefragt hat.

Wenn man die Gerichtskosten nicht vorstrecken will, gibt es eben kein Verfahren , wenn der Mahnbescheidbeantrager das nicht will. Wenn man nicht mal das vergleichsweise kleine Kostenrisiko einer negativen Feststellungsklage eingehen will, bleibt die Sache halt ungeklärt. So ist das i unserem Land. Traurig, aber wahr.
Nordland
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Nordland »

Gaia hat geschrieben: 09.10.20, 17:30
Nordland hat geschrieben: 08.10.20, 18:55Auch bei belastbaren Hinweisen auf rechtsmissbräuchliche Beantragung von Mahnbescheiden?
Ja. Nicht Aufgabe des Mahngerichts. Steht auch in den entsprechenden Informationen.
Nur leider steht in der Kommentarliteratur, dass das Mahngericht bei rechtsmissbräuchlicher Beantragung tatsächlich Fragen nach der Berechtigung der Forderung stellen kann. Um zu erörtern, ab wann man von Rechtsmissbräuchlichkeit ausgehen kann, habe ich mich an das Forum in der Hoffnung gewandt, dass vielleicht hier Experten näheres wissen (zB Präzedenzfälle). Du gibst leider nur allgemeines Wissen weiter, aber dennoch danke für deine Bemühungen.
Gaia hat geschrieben: 09.10.20, 17:30Von wem sollten diese Hinweise auch kommen? Wer entscheidet, welcher Antrag rechtsmissbräuchlich ist?
Beispielsweise vom Landesjustizministerium oder von Staatsanwaltschaften, die sich mit einer nennenswerten Zahl an Strafanzeigen konfrontiert sehen.
Gaia hat geschrieben: 09.10.20, 17:30 Wenn man die Gerichtskosten nicht vorstrecken will, gibt es eben kein Verfahren , wenn der Mahnbescheidbeantrager das nicht will. Wenn man nicht mal das vergleichsweise kleine Kostenrisiko einer negativen Feststellungsklage eingehen will, bleibt die Sache halt ungeklärt. So ist das i unserem Land. Traurig, aber wahr.
Meine Frage war deswegen auch, was nach den sechs Monaten passiere. Was ist, wenn zB ein neuer Mahnbescheid für die gleiche Forderung beantragt wird? Das unseriöse Inkasso setzt nämlich logischerweise nicht auf das streitige Verfahren, da es dieses mit Ach und Krach verlöre. Es setzt auf Einschüchterung sowie auf das Versäumen von Fristen.
Evariste
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Evariste »

Nordland hat geschrieben: 09.10.20, 21:09 Meine Frage war deswegen auch, was nach den sechs Monaten passiere. Was ist, wenn zB ein neuer Mahnbescheid für die gleiche Forderung beantragt wird?
M. E. ist die Forderung nach dem ersten Mahnbescheid "verbraucht". Natürlich kann es sein, dass trotzdem wieder ein Mahnbescheid beantragt wird und der "durchrutscht". Dieser Mahnbescheid wäre dann aber unzulässig.

Ok, nehmen wir weiter an, dem 2. Mahnbescheid wird nicht rechtzeitig widersprochen und es wird ein Vollstreckungsbescheid beantragt, dann liegt strafbares Verhalten vor, entweder Betrug, wenn ein Rechtspfleger über das Vorhandensein einer rechtmäßigen Forderung getäuscht wird, oder, wenn alles im automatisierten Verfahren abläuft, Computerbetrug (§263a StGB).

BGH, Beschluss vom 19.11.2013 - 4 StR 292/13:
Die Beantragung eines Mahn- und eines Vollstreckungsbescheides im automatisierten Mahnverfahren auf der Grundlage einer fingierten, tatsächlich nicht bestehenden Forderung stellt eine Verwendung unrichtiger Daten im Sinne des § 263a Abs. 1, 2. Var. StGB dar.
Jdepp
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Jdepp »

Vielleicht sollte man zur Sicherheit nochmal drauf hinweisen, dass an der gerichtlichen Geltendmachung von verjährten Forderungen nichts verwerfliches oder ungesetzliches ist. Verjährte Forderungen bestehen rechtlich fort und können auch gerichtlich geltend gemacht werden. Allein daran ist nichts rechtsmissbräuchliches. Das Gericht hat die Verjährung nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, weder im Mahnverfahren noch im normalen Prozessverfahren. Vielmehr muss ein Schuldner die Einrede der Verjährung aktiv erheben.
Mahnman
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Mahnman »

Wie läuft es in so einem Fall eigentlich ab, wenn der vermeintliche Schuldner (S) die Abgabe an das Streitgericht beantragt?

S bekommt dann wohl die Kostenrechnung und muss in Vorleistung treten, aber wie verläuft dass Verfahren?

Grundsätzlich wird der Gläubiger (G) ja aufgefordert, seinen Anspruch zu begründen.
Würde die entsprechende Aufforderung dann an S gehen quasi mit Aufforderung zur negativen Feststellungsklage oder würde G aufgefordert und im Fall der Nichteinreichung einer Klageschrift die Klage abgewiesen?
Nordland
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Nordland »

Salvete,

nehmen wir mal an, in diesem fiktiven Fall sei Anfang Juli 2020 Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt worden. Das Inkassounternehmen bzw. dessen Rechtsanwalt hätten wie erwartet das streitige Verfahren nicht angestrengt.

Was passiert jetzt? Offenbar soll das Verstreichen von sechs Monaten wie eine Klagerücknahme wirken. Okay, aber wo ist das Verfahren überhaupt anhängig? Das Mahnverfahren soll ja mit dem Widerspruch beendet worden sein. Das Prozessgericht ist mangels Übergang ins streitige Verfahren nicht befasst.

Der angebliche Schuldner hätte gerne etwas schwarz auf weiß.

Grüße
Nordland
idem
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von idem »

Nordland hat geschrieben: 13.01.21, 18:18 Der angebliche Schuldner hätte gerne etwas schwarz auf weiß.
Hat er doch: im BGB und in der ZPO
Nordland
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Nordland »

Schade, dass nicht jemand mit Ahnung etwas zu dieser Konstellation, die in der Praxis nicht allzu selten vorkommen dürfte, sagen kann.

Ich schlage iÜ Verschiebung ins Zivilprozessrecht vor.
Nordland
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Nordland »

Servus,

nehmen wir in diesem fiktiven Fall mal an, der vermeintliche Schuldner habe das streitige Verfahren beantragt. Zur Erinnerung: Dem vermeintlichen Schuldner waren vor Jahren unverlangt Waren zugesendet worden. Vor etwas mehr als einem halben Jahr ist ein Mahnbescheid erlassen worden, gegen den der vermeintliche Schuldner Widerspruch eingelegt hat. Seitdem ist nichts passiert, das streitige Verfahren wurde auch nicht vom Gläubiger angestrengt.

Nachdem der vermeintliche Schuldner vom Mahngericht eine Abgabenachricht erhalten hatte, kommt nach einiger Zeit ein Brief vom Prozessgericht. Darin steht nur der Satz, man teile ihm mit, dass eine Anspruchsbegründung dort bislang nicht eingegangen sei.

Ist es zutreffend, dass diese Anspruchsbegründung vom Gläubiger kommen muss? Oder geht es darum, dass der vermeintliche Schuldner seinen Anspruch, die Forderung abzuwehren, begründen muss?

Wahrscheinlich befindet man sich gerade bei § 697 ZPO, oder? Heißt das, der vermeintliche Schuldner kann jetzt gemäß § 697 Abs. 3 ZPO Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung stellen? Wäre ihm dies anzuraten, da die Frist zur Anspruchsbegründung ja ziemlich weich zu sein scheint, das heißt, eine Überschreitung hat wohl keine direkte Folge?

Gruß
Nordland
Evariste
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Re: Unseriöses Inkasso, verjährte Forderung

Beitrag von Evariste »

Nordland hat geschrieben: 19.02.21, 18:37 Ist es zutreffend, dass diese Anspruchsbegründung vom Gläubiger kommen muss?
Ja.
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