Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Patientenrechte, Arzthaftungsrecht, ärztliches Vergütungsrecht, Betäubungsmittelrecht, Apothekenrecht, Medikamentenversandrecht, Internet-Apotheke

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Dartagni
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Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Dartagni »

Hallo,

folgender Fall:

Ein Patient geht zu einem Heilpraktiker.
Um die Kosten zu decken, hat er noch keine Heilpraktiker-Zusatzversicherung. Der Heilpraktiker meint aber, der Patient könne einfach schon mal zu ihm kommen und sich im Anschluss noch eine passende Zusatzversicherung suchen. Die Rechnung würde dann einfach später so ausgestellt, dass die Versicherung dies trotzdem bezahlt.
Ansonsten weist der Heilpraktiker beim ersten Termin nicht weiter auf mögliche Kosten des Aufwands oder der Medikamente hin.
Im Nachhinein stellt der Patient aber fest, dass er im Moment von keiner Versicherung einen geeigneten Vertrag angeboten bekommt.

Der Heilpraktiker schreibt, er könne die Rechnung auch privat auf den Patienten ausstellen, dieser würde dann die Kosten im unteren dreistelligen Bereich selbst tragen.

Wäre der Heilpraktiker tatsächlich berechtigt, den Betrag vom Patienten einzufordern, obwohl er diesem gegenüber im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt transparent gemacht hat, wie sich die Kosten bei ihm zusammensetzen bzw. in welcher Höhe überhaupt Kosten auf ihn zukommen könnten?
Wie ist hier die Rechtslage?
Evariste
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Evariste »

Dartagni hat geschrieben: 11.01.22, 22:25 Wäre der Heilpraktiker tatsächlich berechtigt, den Betrag vom Patienten einzufordern, obwohl er diesem gegenüber im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt transparent gemacht hat, wie sich die Kosten bei ihm zusammensetzen bzw. in welcher Höhe überhaupt Kosten auf ihn zukommen könnten?
Ganz einfach: Ja.

§ 612 BGB:
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
Für Heilpraktiker gibt es keine Taxe, aber ein Gebührenverzeichnis: https://www.heilpraktiker.org/gebuehren ... lpraktiker

Solange sich der Heilpraktiker in dem dort vorgegebenen Rahmen bewegt, ist die Rechnung kaum anzugreifen.

Eine irgendwie geartete Zusicherung des Heilpraktikers in Bezug auf die Kostenübernahme durch eine erst noch abzuschließende Versicherung kann ich im Sachverhalt auch nicht erkennen. Diese wäre sowieso nichtig, da sittenwidrig (der Heilpraktiker bietet hier Beihilfe zum Versicherungsbetrug an).
FM
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von FM »

Und die Vereinbarung, die Rechnung später so zu gestalten dass die Versicherung betrogen wird, ist nichtig: https://dejure.org/gesetze/BGB/134.html
Darauf kann sich der Kunde also nicht berufen.
Tastenspitz
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Tastenspitz »

Im übrigen ist das Rechnungsdatum für die Leistung der Versicherung völlig unrelevant. Entscheidend ist das Datum der Behandlung.
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Für individuelle Rechtsberatung bitte "ALT" und "F4" auf der Tastatur gleichzeitig drücken.
ktown
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von ktown »

Frage an den TE:
Hat der Patient gemeint, die Behandlung wäre kostenlos?
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

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Evariste
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Evariste »

ktown hat geschrieben: 12.01.22, 08:54 Frage an den TE:
Hat der Patient gemeint, die Behandlung wäre kostenlos?
Offensichtlich nicht. Der Patient ist davon ausgegangen, die noch abzuschließende Versicherung übernimmt die Kosten.

Die Frage ist nun, was passiert,. wenn die Versicherung wider Erwarten doch nicht eintritt. Da ist dann die Rechtslage wie oben von mir beschrieben.

Es sind aber durchaus Konstellationen denkbar, wo ein Patient nicht zahlungspflichtig wäre, nämlich dann, wenn er vom Behandler bewusst in Bezug auf eine (legale!) Kostenübernahme durch die Versicherung getäuscht(!) worden wäre und er die Behandlung nur im Vertrauen auf diese falschen Informationen beauftragt hätte.

Oder - ganz anderes Beispiel - Sie bringen Ihr Auto wegen eines Unfallschadens in die Werkstatt und die Werkstatt gibt Ihnen als Ersatzwagen eine Luxuskarosse mit dem ausdrücklichen Hinweis "zahlt alles die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners". Wenn sich dann hinterher - nicht unerwartet - herausstellt, dass die Versicherung eben doch nicht so viel bezahlt, dann kann die Werkstatt die Differenz nicht so einfach dem Kunden in Rechnung stellen.
ktown
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von ktown »

Naja hier gibt der beschriebene Sachverhalt nichts drüber her ob der Patient, bei fehlender Versicherung und fehlender Zusage der Kostendeckung auf die Behandlung verzichtet hätte.

Bisher kann ich nur erkennen, dass der Heilpraktiker angeboten hat den Vorgang so in Rechnung zu stellen, dass er durch den Patienten auch später noch einer Versicherung einreichen kann.
Ich kann nicht erkennen, dass der Heilpraktiker den Patienten zu einem sofortigen Behandlungsbeginn gedrängt hat.
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

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Dartagni
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Dartagni »

ktown hat geschrieben: 12.01.22, 11:56 Naja hier gibt der beschriebene Sachverhalt nichts drüber her ob der Patient, bei fehlender Versicherung und fehlender Zusage der Kostendeckung auf die Behandlung verzichtet hätte.

Bisher kann ich nur erkennen, dass der Heilpraktiker angeboten hat den Vorgang so in Rechnung zu stellen, dass er durch den Patienten auch später noch einer Versicherung einreichen kann.
Ich kann nicht erkennen, dass der Heilpraktiker den Patienten zu einem sofortigen Behandlungsbeginn gedrängt hat.
Also ich kenne mich noch nicht damit aus, welche Vereinbarungen zwischen Ärzten und Patienten generell zulässig sind.

Aber angenommen, der Heilpraktiker hat eindeutig gesagt, der Patient kann bereits problemlos zu einem Termin kommen, da der Abschluss einer solchen Zusatzversicherung kein Hindernis sei.
In diesem Szenario ist dem Patienten noch nicht klar, wann genau die tatsächliche Behandlung beginnt; das erste Treffen vermittelt "Vorgesprächs"-Charakter.
Natürlich muss auch diese Leistung bezahlt werden. Wenn der Heilpraktiker aber darauf hingewiesen hätte, dass hier bereits Kosten in dieser Höhe auftreten können, und die Kostenübernahme durch die Versicherung nicht gesichert sei, hätte der Patient diese Leistung definitiv nicht in Anspruch genommen.

Ist in diesem Fall die Rechtslage eindeutig?
Tastenspitz
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Tastenspitz »

Man sollte sich einfach mal die Frage stellen, wer dafür verantwortlich ist, dass keine Zusatzversicherung möglich war bzw. keine abgeschlossen wurde (weil vermutlich zu teuer).
Das ist der Auslöser
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lottchen
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von lottchen »

Für mich eindeutig ist nach der Schilderung nur dass der Patient dem Heilpraktiker sagte, er wolle erst noch eine Heilpraktiker-Zusatzversicherung abschließen. Worauf der Heilpraktiker sagte, dass der Patient dann ruhig schon mal kommen kann, die Abrechnung würde er dann so machen, dass die komplette Behandlung über die Versicherung läuft. Der Patient hat sich behandeln lassen (das Angebot also angenommen) und sich dann entschlossen die Versicherung doch nicht abzuschließen (zu teuer oder nicht geeignet oder die Versicherung wollte ihn nicht oder was auch immer). Logisch dass der Heilpraktiker dann seine Abrechnung für die bisher erbrachte Leistung macht und das Geld dafür oh Wunder vom Patienten will. Und dass Heilpraktiker einen dreistelligen Stundenlohn haben weiß man eigentlich. Falls nicht, hätte man vorher fragen müssen. Dem Patienten ist nicht in den Sinn gekommen VOR der Behandlung zu fragen: "Wenn der Versicherungsvertrag nicht zustande kommt - was muss ich dann zahlen?"
Evariste
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Evariste »

Dartagni hat geschrieben: 12.01.22, 16:08 Aber angenommen, der Heilpraktiker hat eindeutig gesagt, der Patient kann bereits problemlos zu einem Termin kommen, da der Abschluss einer solchen Zusatzversicherung kein Hindernis sei.
So wie ich es verstehe, auch auf der Basis des ersten Beitrags, ging es bei dem Gespräch nur um den Zeitpunkt der Behandlung, eine Zusicherung, dass der Patient problemlos eine Zusatzversicherung findet (wie soll das auch gehen, der Heilpraktiker weiß doch noch gar nichts über den Patienten, seine finanziellen Möglichkeiten, eventuelle Vorerkrankungen...) wurde wohl nicht gegeben.

Und selbst wenn - eine Zusicherung, den Patienten dabei zu unterstützen, die Versicherung zu betrügen, ist rechtlich nichts wert.

Man ist als Verbraucher gewöhnt, wenn man etwas einkauft, dass alles korrekt mit Preisschildern versehen ist. Das gilt aber nicht bei Dienst- oder Werkverträgen. dort empfiehlt es sich, stets vorher nachzufragen, bevor man eine Leistung beauftragt.
Dartagni
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von Dartagni »

lottchen hat geschrieben: 12.01.22, 16:40 Für mich eindeutig ist nach der Schilderung nur dass der Patient dem Heilpraktiker sagte, er wolle erst noch eine Heilpraktiker-Zusatzversicherung abschließen. Worauf der Heilpraktiker sagte, dass der Patient dann ruhig schon mal kommen kann, die Abrechnung würde er dann so machen, dass die komplette Behandlung über die Versicherung läuft. Der Patient hat sich behandeln lassen (das Angebot also angenommen) und sich dann entschlossen die Versicherung doch nicht abzuschließen (zu teuer oder nicht geeignet oder die Versicherung wollte ihn nicht oder was auch immer).
Der Patient hat sich nicht entschlossen, keine Zusatzversicherung abzuschließen - er bekommt zur Zeit einfach keine angeboten. Der Grund liegt in der persönlichen Gesundheits-Vorgeschichte und hat nichts mit diesem Fall zu tun.
Allerdings hat der Patient erst nach mehreren Gesprächen mit verschiedenen Versicherungsberatern davon erfahren.
Während der Kommunikation mit dem Heilpraktiker hatte er nur dessen Zusicherung, dass dies kein Problem sei, auf die er sich leider verlassen hat.
Ich weiß aber nicht, ob das rechtlich relevant ist, oder genau so bewertet wird, als wäre es seine freie Entscheidung.
lottchen hat geschrieben: 12.01.22, 16:40 Logisch dass der Heilpraktiker dann seine Abrechnung für die bisher erbrachte Leistung macht und das Geld dafür oh Wunder vom Patienten will. Und dass Heilpraktiker einen dreistelligen Stundenlohn haben weiß man eigentlich. Falls nicht, hätte man vorher fragen müssen. Dem Patienten ist nicht in den Sinn gekommen VOR der Behandlung zu fragen: "Wenn der Versicherungsvertrag nicht zustande kommt - was muss ich dann zahlen?"
Evariste hat geschrieben: 12.01.22, 16:52 Man ist als Verbraucher gewöhnt, wenn man etwas einkauft, dass alles korrekt mit Preisschildern versehen ist. Das gilt aber nicht bei Dienst- oder Werkverträgen. dort empfiehlt es sich, stets vorher nachzufragen, bevor man eine Leistung beauftragt.
Ja hier war er wohl zu gutgläubig bzw hat das mögliche Risiko nicht gesehen.
Mein Eindruck ist, dass der Heilpraktiker das Risiko hätte besser einschätzen können und den Patienten auf potenziell auf ihn zukommende Kosten hinweisen sollen; aber rechtlich ist da wohl nichts zu machen.
blackylein
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von blackylein »

Der Patient hätte einfach vor Verhandlungsbeginn mal fragen sollen, was so eine Therapie kostet!
Alleine um das Kostenrisiko im Auge zu haben.
Dazu haben viele Zusatzversicherungen eine Zeitsperre drinnen, dh erst nach Ablauf von X Monaten darf eine Behandlung begonnen werden. Somit hätte der Heilpraktiker mehrere Monate auf sein Geld warten müssen. Ob er dazu bereit wäre?
FM
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von FM »

Die Aussage:
Dartagni hat geschrieben: 11.01.22, 22:25 Der Heilpraktiker meint aber, der Patient könne einfach schon mal zu ihm kommen und sich im Anschluss noch eine passende Zusatzversicherung suchen. Die Rechnung würde dann einfach später so ausgestellt, dass die Versicherung dies trotzdem bezahlt.
ist kaum anders zu verstehen als so, dass die Dienstleistung schon vorher stattfindet, in der Rechnung aber so dargestellt als ob erst nach Beginn der Versicherung. Und dass eine Versicherung nicht für Fälle vor Vertragsabschluss bezahlt, dürfte jedem klar sein.

Falls man das schriftlich hat, und die zuständige Behörde es bekommt, dürfte in
https://www.gesetze-im-internet.de/heilprgdv_1/__2.html
Abs. 1 Bst. f zutreffen. Man hüte sich aber davor, das in Zusammenhang mit der Zahlungspflicht als Drohung zu verwenden.
lottchen
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Re: Sind scheinbar willkürliche Behandlungskosten erlaubt?

Beitrag von lottchen »

FM hat geschrieben: 12.01.22, 19:09 Falls man das schriftlich hat ....
Der TE hat nichts schriftlich über die Höhe der Kosten und ausgerechet das, was den Heilpraktiker belasten könnte, soll er dem TE schriftlich gegeben haben? Nie im Leben. Der TE wird nicht beweisen können dass das gesagt wurde. "Da hat mich der Patient mißverstanden, das habe ich nie gesagt..." wird er aussagen.
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